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Wenn AfD-Spitzenkandidat Jörg Meuthen an der traditionellen „Elefantenrunde“ im SWR-Fernsehen drei Tage vor der Wahl teilnehmen wird, werden Grüne und SPD absagen.
© dpa

AfD in Baden-Württemberg: Sprich nicht mit den Schmuddelkindern

Grüne und SPD wollen im baden-württembergischen Wahlkampf Podien mit der AfD boykottieren. Der Südwestrundfunk ist unschlüssig, ob der Kandidat der Rechtspopulisten eingeladen werden soll.

Rezzo Schlauch, Mann der ersten Stunde bei den Grünen, erinnert sich noch gut, wie es war, als die „Republikaner“ 1992 in den baden-württembergischen Landtag eingezogen sind: „Das war eine Überraschung par excellence“, sagt der heute 68-Jährige. Schnell stellte sich die Frage, wie die übrigen Parteien mit dem durch seine „Das-Boot-ist-voll“-Rhetorik ins Parlament gespülten Neuling vom rechten Rand umgehen sollten. Die CDU, aber auch die Grünen, gaben die Losung aus, dass man die „Republikaner“ am besten ignoriere.

Schlauch und ein Quartett hoffnungsvoller CDU-Nachwuchspolitiker – darunter der spätere Ministerpräsident und jetzige EU-Kommissar Günther Oettinger – sahen das anders: „Wir wollten Rep-Chef Rolf Schlierer inhaltlich stellen.“ Deshalb fetzten sie sich auf Podien in Jugendhäusern, Kirchengemeindesälen und Volkshochschulräumen wortreich mit dem rhetorisch versierten Rep-Landeschef. „In unseren Läden haben wir damit natürlich Schwierigkeiten gekriegt. Aber ich würde es wieder so machen“, sagt Schlauch heute. Mehr als 20 Jahre später dominiert wieder die Asyldebatte den Wahlkampf, und wieder steht die Landespolitik vor Frage, wie die etablierten Parteien mit Rechtspopulisten umgehen wollen: Ignorieren, um sie und ihre Thesen nicht unnötig aufzuwerten? Oder ihnen argumentativ auf öffentlichen Podien entgegentreten?

Umfragen zufolge schickt sich die AfD an, nach der Wahl am 13. März erstmals in den Stuttgarter Landtag einzuziehen und dort quasi den Platz der „Republikaner“ einzunehmen, die von 1992 bis 2001 im Parlament saßen. Die Meinungsforscher sahen die AfD, mit der im Fall des Falles niemand koalieren will, zuletzt zwischen sechs und acht Prozent. Bestätigen sich die Prognosen, dürfte es weder für eine Neuauflage von Grün-Rot noch für eine Rückkehr zur vormaligen schwarz-gelben Koalition reichen. Rechnerisch wäre derzeit nur Schwarz-Rot, Schwarz-Grün oder eine grün-rot-gelbe Ampel möglich.

Doch im Wahlkampf werben die etablieren Parteien für die klassischen Konstellationen – und dafür, die AfD gar nicht erst in den Landtag kommen zu lassen. Die SPD hat ihren Landtagskandidaten deshalb empfohlen, auf Veranstaltungen mit AfD-Kandidaten zu verzichten. „Die AfD ist die Partei der geistigen Brandstifter. Gemeinsame Podien würden die Hetze, die prominente Vertreter dieser Partei auf allen Kanälen verbreiten, relativieren“, begründet Spitzenkandidat Nils Schmid den Kurs. Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand empfiehlt den Kandidaten seiner Partei ebenfalls „nicht auf Podien mit AfD-lern zu gehen“.

FDP als schärfster Gegner der AfD

Der CDU-Landesverband verzichtet dagegen auf eine derartige Handreichung. Die Liberalen, die sich Bundeschef Christian Lindner zufolge als schärfsten Gegner der AfD sehen, geht noch einen Schritt weiter: „Wir ermuntern unsere Kandidaten, sich vor Ort argumentativ mit den AfD-Bewerbern auseinanderzusetzen“, sagt ein Parteisprecher. Ob damit in den neun Wochen bis zur Wahl bei Podiumsdiskussionen CDU-, FDP- und AfD-Kandidaten vorrangig unter sich bleiben oder die Veranstalter im Zweifel zugunsten der grün-roten Bewerber nicht eher auf die Einladung der AfD verzichten, muss sich zeigen.

Mit großer Spannung wird zudem erwartet, wie sich der Südwestrundfunk (SWR) in der Frage positioniert: Der Landessender beschäftigt sich seit Wochen mit der Frage, ob er am 10. März – nur drei Tage vor der Wahl – den AfD-Spitzenkandidaten Jörg Meuthen in die traditionelle „Elefantenrunde“ einladen soll. Allein die Überlegung hat dazu geführt, dass Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) wie sein SPD-Vize Schmid angekündigt haben, in diesem Fall auf den TV-Auftritt im Dritten zu verzichten. Auch die Spitzenkandidaten von CDU und FDP, Guido Wolf und Hans-Ulrich Rülke, haben die SWR-Position kritisiert. Der Sender verweist auf die Vorgaben des Staatsvertrags.

Dort heißt es, dass der zweitgrößte ARD-Sender zu Objektivität und Überparteilichkeit verpflichtet sei. Bei der Besetzung der Runde mit den Zugpferden der Parteien sollten daher neben der Verankerung in der Parteienlandschaft und dem Abschneiden bei vorangegangenen Wahlen auf EU-, Bundes- und Landesebene auch aktuelle Umfrageergebnisse berücksichtigt werden. Am Donnerstag will der SWR neue Umfragezahlen präsentieren – und wohl auch seine Entscheidung zur Besetzung der Elefantenrunde. Angesichts der skandalösen Vorgänge in der Silvesternacht in Köln und der Art der Debatte darüber schwant den anderen Parteien nichts Gutes.

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