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Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/ Die Grünen) aufgenommen am 21.12.2015 in der Bibliothek des Staatsministeriums in Stuttgart (Baden-Württemberg).
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Fünf Landtagswahlen 2016: Wo die Deutschen in diesem Jahr wählen

Fünf Landtagswahlen stehen 2016 vor der Tür. In Baden-Württemberg entscheidet sich, ob die Grünen weiterregieren. Auch Berlin ist wieder an der Reihe. Ein Überblick.

Ein echtes Superwahljahr ist 2016 nicht – nur eine der fünf Landtagswahlen findet in einem der großen Bundesländer statt. Aber es ist das Jahr vor der Bundestagswahl, und so werden die Ergebnisse in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin mit Blick auf 2017 gedeutet werden. Natürlich werden in allen Ländern auch regionale Besonderheiten die Wahl bestimmen. Allerdings gibt es eine Gemeinsamkeit: Für die Regierungsbildung ist überall das Abschneiden der Alternative für Deutschland von Bedeutung. Auch wenn die AfD selbst dabei keine Rolle spielen wird.

13. März, Baden-Württemberg

Heilix Blechle, man hätte wetten sollen damals – es gibt schließlich nicht viele, die nach dem Wahlerfolg der Grünen in Baden-Württemberg 2011 geglaubt haben, der ließe sich wiederholen. Bei einer Partei, die sich gern selbst ins Stolpern bringt. Aber WINFRIED KRETSCHMANN könnte es schaffen, seine Partei sogar zu einem besseren Ergebnis zu führen als vor fünf Jahren. Und damit Ministerpräsident zu bleiben. Im März 2011 waren es 24,2 Prozent der Stimmen, nun liegen die Grünen in den Umfragen bei 25 bis 28 Prozent – im Land von Daimler, Porsche, Mittelstand.

Das Ländle ist auch unter Grün-Rot eine Wohlstandsregion geblieben, und vermutlich gefällt es vielen Württembergern und Badenern mittlerweile, den Südwesten auch als eine Art politischer Avantgarderegion wahrzunehmen. Die Grünen sind als Regierungspartei recht moderat aufgetreten, was freilich nicht unerwartet kam – sie waren dort seit jeher gemäßigter. Der bald 68 Jahre alte Kretschmann spielte die Rolle des Landeschefs so, dass jetzt hin und wieder Vergleiche zum populären Vorgänger Erwin Teufel gezogen werden. Der war der letzte CDU-Ministerpräsident, der im eigenen Lager unumstritten war. Günter Oettinger und Stefan Mappus waren es nicht mehr.

Spitzenkandidat der nicht erst seit der Wahlniederlage 2011 zerstrittenen Union ist GUIDO WOLF, der (da die Teufel-Rolle ja besetzt ist) sich für den Wahlkampfauftritt als Cleverle entschieden hat – weil das zu seinem Äußeren passt, aber auch Erinnerungen an den umtriebigen Lothar Späth weckt, der die CDU einst noch zur Alleinregierung geführt hat. Wolf, der erst vor einem Jahr aus der Ruheposition des Landtagspräsidenten ins aktivere Fraktionsvorsitzendenamt wechselte, kann das nicht schaffen. Die Zustimmung zur CDU liegt mit 35 bis 37 Prozent mittlerweile sogar unter dem Wahlergebnis von 2011, nach aktuellem Stand kann Wolf allenfalls dann Ministerpräsident werden, wenn die AfD mit einem Ergebnis deutlich über fünf Prozent in den Landtag kommt.

Dann könnte es zu einem Bündnis mit der SPD kommen, oder auch, aber weit weniger wahrscheinlich, zu Schwarz-Grün. In der Flüchtlingspolitik pendelt Wolf zwischen Unterstützung der Kanzlerin (also einem Mittekurs) und Anbiedern nach rechts – was nicht ohne Risiko ist, denn so verliert man gern auch mal nach beiden Seiten. Und Grün-Rot hält sich eben tapfer: Bis zu 47 Prozent in den Umfragen bedeuten, dass eine Fortsetzung der Koalition keineswegs ausgeschlossen ist. Da es fünf Jahre lang nur wenige Negativschlagzeilen über die Regierung gegeben hat, herrscht auch keine Wechselstimmung. Die weitgehende Abwesenheit von hartem Streit in der Koalition ging zulasten der SPD, die mit einem schwächeren Ergebnis rechnen muss als 2011. Ein Trost: Die Sozialdemokraten haben für die Juniorpartnerschaft zwei Optionen.

Die FDP, seit 1952 immer im Landtag, muss in ihrer Hochburg fürchten, es dieses Mal nicht oder allenfalls knapp zu schaffen. Zumal ein schwarz-gelbes Bündnis nach den bisherigen Prognosen kaum machbar erscheint. So ist die einzige Koalitionsoption die Ampel – Grüne, SPD und FDP. Es wäre eine Notlösung, mit den Freidemokraten als Mehrheitsbeschafferin ohne echtes Gewicht. Grün-Rot-Rot ist eher unwahrscheinlich, die Linke ist in den letzten Umfragen unter die Fünf-Prozent-Marke gerutscht. Wenn sich das am Wahltag bestätigt, stellt sich wohl die Frage, wie lange Spitzenkandidat Bernd Riexinger noch Bundesvorsitzender seiner Partei sein wird.

13. März, Rheinland-Pfalz

Schafft es die Amtsinhaberin? Oder rückt die Neue nach vorn? Rheinland-Pfalz sieht im März die erste Landtagswahl, bei der zwei Frauen um das oberste politische Amt konkurrieren. Die erst seit 2013 regierende Ministerpräsidentin MALU DREYER von der SPD ist zwar etwas beliebter als ihre christdemokratische Herausforderin JULIA KLÖCKNER, aber die Popularitätswerte ihres Vorgängers Kurt Beck in dessen besseren Tagen erreicht sie nicht.

Immerhin hat sie es geschafft, dass die Probleme in der Endphase der Ära Beck (vor allem die Finanzaffäre um den Nürburgring) die SPD nicht noch weiter nach unten gezogen haben. In den Umfragen liegt sie mal bei 30, mal bei 33 Prozent. Also weniger als 2011, als die Sozialdemokraten um zehn Prozentpunkte eingebrochen waren. Dreyer muss dagegen anreden, dass ihre Partei in den Augen vieler Wähler als verbraucht erscheint – die SPD stellt in Mainz seit 1990 den Ministerpräsidenten. Sie versucht das in der Rolle der fürsorglichen Sozialdemokratin.

Klöckner, die als Vizevorsitzende der Bundes- CDU seit Monaten viele überregionale TV-Auftritte bekommt, ist ein Gutelaunemensch und kann bis zum Wahltag bei den Beliebtheitswerten noch zulegen. Ihre CDU liegt ohnehin schon seit Langem in den Umfragen vorn, obwohl sie zuletzt wegen der Flüchtlingspolitik etwas schwächelte.

Zuvor hatte sie konstant Ergebnisse über der 40-Prozent-Marke, zuletzt rutschte sie darunter. Mit Vorstößen wie dem Plädoyer für ein Burkaverbot hat Klöckner versucht, der AfD das Wasser abzugraben – aber natürlich weiß sie, dass Protestparteien kaum kleinzuhalten sind, wenn man ihre Themen zu sehr aufgreift. Daher schien sie es zuletzt doch wieder mehr mit Angela Merkels Mitte-Kurs zu halten.

Auch in Rheinland-Pfalz hängt es von der AfD ab (und ein bisschen von der FDP), wer Regierungschefin wird. Kommt die Rechtspartei in den Landtag, steigen die Chancen für Klöckner, eine schwarz-rote oder schwarz-grüne Koalition zu führen. Da die Koalition der Union mit den Grünen im Nachbarland Hessen wider Erwarten recht geräuschlos klappt, könnte das ein Vorbild für Rheinland-Pfalz werden – allerdings bedeutet der Umstieg aus der einen in die andere Koalition für die Grünen eine gewisse Gefahr bei der Wahl, weshalb Spitzenkandidatin Evelin Lemke das Koalitionsthema kaum thematisiert.

Käme die FDP in den Landtag (angeführt vom früheren Bundespolitiker Volker Wissing), nicht aber die AfD – dann hätte auch Schwarz-Gelb eine Chance. Doch die AfD ist nach derzeitigem Stand eher im Parlament als die FDP. Dreyers Chancen, im Amt zu bleiben, wären bei einem weiteren Dreiparteienparlament am größten, denn Rot-Grün liegt aktuell knapp vor der CDU. Ob es die Linke in den Landtag schafft, ist fraglich.

13. März, Sachsen-Anhalt

Jüngst hat sich REINER HASELOFF ganz mutig von der Kanzlerin distanziert und für eine Obergrenze bei den Flüchtlingszahlen plädiert. Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt will die AfD einerseits kleinhalten und Asylkritiker zur CDU lotsen, um möglichst stark abzuschneiden. Haseloff amtiert seit 2011, er würde gerne mit der SPD weiterregieren, eine andere Option hat er nicht. Seine Chancen, im Amt zu bleiben, steigen andererseits aber auch mit jedem Prozentpunkt mehr für die AfD. Der Rechtspartei gab eine Umfrage zuletzt sogar 13 Prozent.

Werden es deutlich weniger, könnte Haseloffs schwarz-rote Koalition durch eine rot-rot-grüne Allianz abgelöst werden – Linke, SPD und Grüne könnten es in Sachsen-Anhalt auch schaffen, wenn die AfD ins Parlament kommt, aber nur bei sechs oder acht Prozent landet. Die SPD hat ihren langjährigen Kopf verloren, Finanzminister Jens Bullerjahn, nicht unumstritten, verlässt die Politik ganz. SPD-Spitzenkandidatin KATRIN BUDDE träumt davon, eine Linkskoalition zu führen, will aber nur ungern einen Ministerpräsidenten von der Linken akzeptieren. Der hieße Wulf Gallert, wenn die Linke vor der SPD landet, wofür nach jüngsten Umfragen einiges spricht (was wiederum Haseloff hoffen lässt, dass die SPD dann doch mit ihm an der Spitze weitermacht). Gallert ist wie Budde ein landespolitischer „Dino“, seit 1994 im Landtag – erfahren, aber mit deutlich weniger Ausstrahlung als Bodo Ramelow in Thüringen. Die Grünen dürften wieder in den Landtag kommen, auch wenn das Land nicht gerade ihre Hochburg ist. Die FDP spielt keine Rolle. Der NPD (2011 fast in den Landtag gekommen) kommt jetzt die AfD in die Quere. In Sachsen-Anhalt geht es auch darum, ob der Osten einen neuen Negativrekord bei der Wahlbeteiligung aufstellen wird. Der bisherige stammt mit gut 44 Prozent aus dem Jahr 2006 – gehalten von den Bürgern von Sachsen-Anhalt.

4. September, Mecklenburg-Vorpommern

Mecklenburg-Vorpommern ist für die SPD seit Jahren eine sichere Bank. ERWIN SELLERING und seine Partei können hinzugewinnen oder auch Stimmen verlieren, es dürfte im September zum Weiterregieren reichen. Es sei denn, die Sozialdemokraten brechen massiv ein und rutschen deutlich hinter die Linke. Was nach allen Umfragen bisher sehr unwahrscheinlich ist.

Und so kann Sellering entweder mit der CDU weitermachen (wenn die schlechter abschneidet als man selbst), oder man geht in eine Koalition mit der Linken – und nimmt die Grünen dazu, falls es nötig sein sollte. Die Sozialdemokraten besetzen im Nordosten die Mitte im Parteiensystem, und Sellering, der nüchterne Ministerpräsident, verkörpert das ganz gut.

LORENZ CAFFIER, Vizeregierungschef und Innenminister, hat praktisch keine Machtchance, selbst wenn er seine CDU an die erste Stelle bugsiert. Da die letzte öffentliche Umfrage ein Jahr alt ist („MeckPomm“ hat sein eigenes Tempo), muss man auf exaktere Prognosen aber noch eine Weile warten. Das gilt auch für das Abschneiden der AfD, das nach den Querelen und Spaltungen im vergangenen Jahr nun ganz von der Flüchtlingspolitik abhängt. Eine starke AfD würde aber wohl die NPD aus dem Landtag drücken.

18. September, Berlin

In Berlin hat der Wahlkampf schon begonnen – auch wenn die Hauptstadt im Wahlreigen 2016 erst ganz zum Schluss dran ist. Der aktuelle Streit ums Lageso dient auch der Frontenklärung. Schaut man sich die Umfragen des Jahres 2015 an, dann hat der gemeine Hauptstädter seine Ansichten nur wenig verändert. Die Werte der Parteien haben sich seit Februar praktisch nicht verschoben. Wenn es so bleibt, hat MICHAEL MÜLLER mindestens zwei Optionen, FRANK HENKEL dagegen nur eine, nämlich eine Fortsetzung der Koalition mit Müllers SPD.

Schwarz-Grün ist in Berlin schon rein zahlenmäßig graue Theorie. Die Sozialdemokraten könnten neben der bisherigen Allianz auch eine Neuauflage von Rot-Grün inszenieren, und falls es dafür zu knapp wird, auch eine breite Linkskoalition. Deren mutmaßliche Riesenmehrheit könnte dann freilich Müllers Dompteurskünste stärker fordern als das aktuelle Bündnis. Unklar ist angesichts des fernen Wahltermins, wie stark die AfD in der Hauptstadt werden kann. Schon etwas klarer dagegen lässt sich erkennen, dass die Piraten, die Überraschungspartei von 2011, ein eher dürftiges Ergebnis einfahren werden.

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