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Räumliche Nähe, inhaltliche Distanz. Der CIA-Repräsentant, der in der US-Botschaft in Sichtweite des Reichstags arbeitete, muss seine Sachen packen.
© Paul Zinken/dpa

Deutschland und die USA: Spionageaffäre - ein Quantum Ärger

In der Spionageaffäre gerät nun auch US-Präsident Barack Obama unter Druck. Spitzenpolitiker von Republikanern und Demokraten warnen vor Schäden im deutsch-amerikanischen Verhältnis - und zeigen Verständnis für den Ärger in Berlin.

Die Frustration über den Verlauf der NSA-Affäre in Deutschland hat erstmals breite Reaktionen im US-Kongress ausgelöst. Nachdem die Bundesregierung den Stationschef der CIA in Berlin aufgefordert hat, das Land zu verlassen, äußerten hochrangige Politiker beider großer Parteien in den USA ihre Besorgnis über die Entwicklung. Die Republikaner verbanden dies dreieinhalb Monate vor der Parlamentswahl mit harter Kritik an Präsident Barack Obama. Parteifreunde forderten ihn aber ebenfalls zum Handeln auf. Damit rückt der Präsident in den Fokus der Erwartungen.

Der Republikaner Jim Risch, Senator aus Idaho und Mitglied im Außenpolitischen Ausschuss, warnte, die Situation drohe außer Kontrolle zu geraten. Obama müsse sich „substanzieller kümmern“. Der demokratische Senator von Virginia, Tim Kaine, erwartet eine Initiative Obamas. Die Beziehung zu Deutschland sei „zu wichtig“, um dauerhaften Schaden durch die Spionageaffäre zu riskieren.

Zu Wochenbeginn hatte ein Bericht der „New York Times“ den Präsidenten und das Weiße Haus in einem schlechten Licht gezeigt. Demnach war der Präsident nicht sofort über die Enttarnung eines deutschen BND-Mannes unterrichtet worden, der den US-Diensten Material, unter anderem zum NSA-Untersuchungsausschuss, geliefert hatte. So hatte Obama ein Telefonat mit Kanzlerin Angela Merkel vor einer Woche ahnungslos begonnen, während die Kanzlerin bereits informiert war. Das hatte Verwunderung in den USA hervorgerufen.

Ausweisung des Top-Agenten überrascht die USA

Der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im Senat, Robert Menendez, schilderte im Fernsehen eindringlich, wie verärgert die Bundesregierung und die Öffentlichkeit über das Vorgehen der US-Dienste in Deutschland seien. Das sind neue Töne in den USA, auch wenn die ersten Berichte über die NSA- Aktivitäten bereits ein Jahr zurückliegen. Dianne Feinstein, eine einflussreiche demokratische Senatorin aus Kalifornien und Vorsitzende des Geheimdienstausschusses, sagte, sie sei „zutiefst besorgt“. In früheren Jahren war sie nicht durch Kritik an den Geheimdiensten aufgefallen. Feinstein hatte lange Zeit Verständnis für die Aktionen der US-Geheimdienste auch viele Jahre nach den Anschlägen vom 11. September gezeigt. Nun deuten ihre neuen Äußerungen an, dass die politische Klasse der USA die Belastung der Beziehung zu Deutschland ernst zu nehmen beginnt.

Die Aufforderung an den CIA-Stationschef zur Ausreise hat die USA überrascht. Die „Washington Post“ schreibt, solche „Vergeltungsmaßnahmen“ seien unter verbündeten Staaten ungewöhnlich und ein Ausdruck, wie „bedrängt“ Deutschland sich fühle. Das Blatt zitiert den CIA-Veteranen und derzeitigen obersten Geheimdienstberater John Rizzo: Die Bundesregierung hätte auch andere Optionen gehabt, ihr Missfallen auszudrücken. Wenn sie dies in aller Öffentlichkeit tue, zeige das vor allem, unter welchem öffentlichen Druck sie stehe.

Betreibt der Bundesnachrichtendienst Wirtschaftsspionage in den USA?

Die „New York Times“ weist darauf hin, dass der CIA-Stationschef, der jetzt ausreisen müsse, erst ein Jahr in Berlin sei. Nicht er, sondern sein Vorgänger habe die Anwerbung des BND-Mannes zu verantworten. Frankreich habe 1995 zu ähnlichen Maßnahmen gegriffen, als der dortige CIA-Stationschef bei dem Versuch erwischt wurde, französische Beamte als bezahlte Informanten zu gewinnen.

Die neue Offenheit gegenüber der Diskussionslage in Deutschland betrifft bisher freilich vor allem den Kongress. Der Präsident und sein neuer Sprecher Josh Earnest, der vor wenigen Wochen den auf eigenen Wunsch ausscheidenden Jay Carney ersetzte, haben weder ein ähnlich explizites Bedauern geäußert noch Taten angekündigt. In Medien und Geheimdienstkreisen der USA empfehlen manche, den Spieß umzudrehen, Deutschland vorzuführen und seine Abhängigkeit von der Kooperation mit den USA zu zeigen.

Ein älterer Bericht des Online-Portals „Huffington Post“ macht nun erneut die Runde mit dem Vorwurf, der BND spähe unter dem Decknamen „Projekt Rahab“ vom Großraum Frankfurt aus in die USA. Mit Hilfe der „SIGINT“-Technik würden E-Mails und Gespräche abgeschöpft, insbesondere mit dem Ziel der Wirtschaftsspionage. In der „Washington Post“ warnte ein nicht namentlich genannter Geheimdienstler, mit der Beschränkung der Geheimdienstkooperation riskiere Deutschland Selbstbeschädigung: „Die werden sich überlegt haben, was sie zu verlieren haben – die bekommen massenhaft Informationen von uns. Einige in unseren Geheimdiensten werden sagen: Okay, das war’s dann halt.“

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