Putin-Kritiker: Spekulationen über Vergiftung Nawalnys
Vertraute des Oppositionspolitikers zweifeln an der Diagnose "Allergieschock". Doch der Verdacht einer Vergiftung ist alles andere als absurd
Der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny ist nach einem Tag im Krankenhaus zurück im Gefängnis, doch sein Gesundheitszustand sorgt am Montag in den sozialen Netzwerken Russlands weiter für heftige Spekulationen. Angefacht hat sie Anastassia Wassiljewa, Nawalnys Vertrauensärztin: Der Politiker sei vergiftet worden, schrieb sie auf Facebook. Auch Nawalnys Anwältin sagt: „Er wurde wirklich mit einer unbekannten chemischen Substanz vergiftet.“
Die Behörden unternahmen bisher nichts, um die Vorwürfe zu entkräften. Nicht einmal das Ergebnis einer toxikologischen Untersuchung sei vor Nawalnys Rückführung ins Gefängnis abgewartet worden, sagte die Ärztin Wassiljewa am Montag. Die Ärztin betreut den Politiker seit er bei einem Anschlag mit giftiger Farbe vor zwei Jahren beinahe das Augenlicht verloren hatte.
Vor den Wahlen zum Moskauer Stadtparlament am 8. September wachsen die Spannungen zwischen den Behörden der russischen Hauptstadt und unzufriedenen Bürgern. Am Sonnabend nahm die Polizei rund 1400 Menschen fest, die für freie Wahlen demonstrierten. Die Spekulationen um Nawalny sind Teil der steigenden Nervosität in der Stadt, für die die Behörden verantwortlich sind, weil sie praktisch alle unabhängigen Kandidaten gar nicht erst zur Wahl zugelassen haben.
Der Kremlkritiker Nawalny war am vergangenen Mittwoch zu 30 Tagen Haft verurteilt worden, weil er auf seinem Youtube-Kanal zu den Protesten aufgerufen hatte. Zur Abschreckung seiner Anhänger hatten ihn die Sicherheitskräfte schon vor dem Beginn aus dem Verkehr gezogen – wie schon einige Male.
Am Sonntagabend nun wurde Nawalny aus der Haft ins Krankenhaus überstellt – mit Symptomen, wie sie bei Nesselfieber auftreten: große Ekzeme an vielen Körperteilen und geschwollenen Augenpartien. Diagnose: Allergieschock. Nawalny war offenbar nicht in ernster Gefahr. Angesichts der hygienischen Zustände in vielen Gefängnissen, über die in den Medien berichtet wird, kann die Ursache für eine allergische Reaktion auch eine unpolitische Ursache haben.
Doch der Verdacht einer Vergiftung liegt nicht fern. Alexander Litwinenko, Sergej Skripal und seine Tochter sind die spektakulärsten Fälle, in denen es starke Indizien für einen Zusammenhang zwischen Opposition gegen den Kreml und Giftanschlägen gibt.