Höhere Beiträge zur Krankenversicherung: SPD will auch Arbeitgeber wieder zur Kasse bitten
Die SPD will zurück zur Beitragsparität in der Krankenversicherung. Doch die Arbeitgeber machen eine ganz andere Rechnung auf.
Der gesundheitspolitische Frieden hielt gerade mal zwei Jahre. Dabei war der Koalitions-Knatsch schon nach der Wahl absehbar, als sich die SPD von der Union zu dem großzügigen Geschenk an die Arbeitgeber überreden ließ.
Bei künftigen Beitragserhöhungen in der gesetzlichen Krankenversicherung sollten nur noch die Arbeitnehmer bluten, so die Absprache nach der Bundestagswahl. Ein Fehler, heißt es angesichts der ersten spürbaren Kostensteigerungen nun bei den Sozialdemokraten. Man müsse schleunigst wieder zurück zur paritätischen Finanzierung.
Nach den SPD-Experten Karl Lauterbach und Hilde Mattheis hat sich nun auch Sozialministerin Andrea Nahles dieser Forderung angeschlossen. „Ich bin ganz klar für eine volle Parität bei den Krankenkassenbeiträgen“, sagte sie an diesem Wochenende. Schließlich werde man sonst, über die nächsten zwei Jahrzehnte betrachtet, „eine sehr einseitige Belastung der Arbeitnehmer haben“.
Natürlich hätte man das auch schon bei den Verhandlungen zum Koalitionsvertrag wissen können. Doch damals war Harmonie mit dem neuen Partner oberstes Gebot. Und die Versicherer schwammen im Geld.
Jetzt dagegen verlangen zwei Drittel aller bundesweit geöffneten gesetzlichen Kassen – nach einer Zählung der „Frankfurter Allgemeinen“ sind es 59 – höhere Beiträge. Im Schnitt steigt die Belastung der Arbeitnehmer dadurch von 8,2 auf 8,4 Prozent. Es ist prognostiziert, dass solche Steigerungen in den kommenden Jahren zur Regel werden. Und dass sich die Finanzierungslast durch die auf 7,3 Prozent eingefrorenen Arbeitgeberbeiträge immer stärker zu Lasten der Beschäftigten verschiebt.
Selbst in der Union ist bei dieser Vorstellung manchem unwohl. Zumindest „mittelfristig“ müssten die Arbeitgeber wieder zur Hälfte an den Beiträgen beteiligt werden, fordert ihr Arbeitnehmerflügel. „Eine Arbeitnehmerorganisation wie die CDA tritt selbstverständlich für die paritätische Finanzierung unseres Gesundheitssystems ein“, stellte CDA-Chef Karl-Josef Laumann im „Spiegel“ klar.
BDA: Echte Beitragsparität wäre für Arbeitnehmer ein Minusgeschäft
Die Arbeitgeber sehen das naturgemäß anders. Sie verteidigen ihr gerade erst errungenes Privileg – und stellen dafür interessante Gegenrechnungen an. „Eine generelle paritätische Finanzierung der Sozialbeiträge wäre für die Arbeitnehmer ein deutliches Minusgeschäft“, heißt es in einer Auflistung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber (BDA), die dem Tagesspiegel vorliegt.
Wie das, wo doch zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträgen mittlerweile eine Lücke von 1,1 Prozentpunkten klafft?
Schon immer war der "Arbeitgeberanteil" eine Art Märchen. Gezahlt haben ihn die Arbeitnehmer über Preise und Steuern. Und es ist wirklich ein berechtigter Hinweis: WER hat denn die Gewinne erwirtschaftet?
schreibt NutzerIn A.v.Lepsius
Die Sozialbeiträge für die 6,7 Millionen Minijobber zum Beispiel, so betonen sie beim BDA, zahlten die Arbeitgeber fast ganz allein – was 2014 schon mit rund drei Milliarden Euro zu Buche geschlagen habe. Und auch die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall hätten die Unternehmen aus eigener Kasse zu finanzieren. Kostenpunkt: 43,5 Milliarden Euro. Umgerechnet entspreche dies 3,6 Beitragspunkten.
Für Minijobber zahlen allein die Arbeitgeber
Die Krankenversicherung, so argumentiert der BDA, finanziere man den Minijobbern ganz allein. Für die Rentenversicherung zahlten die Arbeitgeber 15 Prozent, die Arbeitnehmer nur 3,7 Prozent – oder gar nichts, wenn sie aus der Versicherungspflicht herausoptierten. Und auch für so genannte Midi-Jobs (mit Monatsgehältern zwischen 450 und 850 Euro) lägen die Arbeitgeberbeiträge höher als die der Beschäftigten.
Hinzu kämen Geringverdiener in der Berufsausbildung und Versicherte, die ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr absolvierten. Ihnen zahlten die Arbeitgeber die kompletten Sozialbeiträge, inklusive des Zusatzbeitrags in der Krankenversicherung.
Will heißen: Die Arbeitgeber sind trotz eingefrorener Krankenversicherungsbeiträge mit den Sozialausgaben für ihre Beschäftigten schon über Gebühr belastet. Allerdings ist manches an diesen Rechnungen schief. Aufs Ganze gesehen zahlen Arbeitgeber nämlich beispielsweise für Minijobs trotz ihrer als so einseitig beschriebenen Beitragslast natürlich weit weniger Sozialversicherungsbeiträge als sie für normale Beschäftigungsverhältnisse aufzubringen hätten.
Gesundheitsminister beharrt auf Koalitionsbeschluss
Bei der Union verfangen solche Argumente jedoch. Selbst Gesundheitsminister Hermann Gröhe will bei der Beitragsparität nicht mit sich reden lassen. Das Gesundheitssystem benötige eine gute Entwicklung am Arbeitsmarkt, beharrte der CDU-Politiker kürzlich bei einer Tagesspiegel-Veranstaltung. „Dazu leistet der eingefrorene Arbeitgeberanteil einen wichtigen Beitrag.“ Und als „Hobby-Historiker“ müsse er schon mal daran erinnern, dass es eine rot-grüne Regierung gewesen sei, die das Prinzip der Parität in der gesetzlichen Krankenversicherung als Erste aufgegeben habe.
Womit Gröhe Recht hat: Seit 2004 haben Arbeitnehmer generell einen höheren Krankenversicherungsbeitrag zu zahlen als Arbeitgeber.
Es scheint, als müssten sich die Arbeitgeber wenig Sorgen machen. Trotz ihrer Sympathie für die Forderung halte sie eine Mehrheit für die Rückkehr zur Beitragsparität „momentan nicht für wahrscheinlich“, räumt Nahles ein. Und wirklich kampfeslustig klingt auch SPD-Generalsekretärin Katarina Barley bei dem Thema nicht gerade. Man werde es spätestens im Wahlprogramm für die nächste Legislatur aufgreifen, verspricht sie.