Verfassungsschutzchef Maaßen: SPD und Grüne fordern Reaktion von Seehofer
Im Fall Maaßen gerät Seehofer weiter unter Zugzwang: Die Grünen wollen den Innenminister befragen lassen. Auch aus SPD und CDU kommt Kritik an Seehofer.
Im Fall des scheidenden Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen steigt der Druck auf Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU): Der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz beantragte eine Sitzung des für die Geheimdienste zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr), die bis Mitte der Woche stattfinden soll. Die Grünen-Fraktion beantragte zudem, dass sich Seehofer am Mittwoch vor dem Innenausschusses zu dem Fall Maaßen erklärt.
"Wir wollen wissen, wie lange das Chaos in der Bundesregierung im Bereich Innenpolitik noch weitergehen soll", sagte der Grünen-Fraktionsvize und PKGr-Mitglied Konstantin von Notz. Von der Bundesregierung fordern die Grünen, im Innenausschuss einen Bericht zu den Vorgängen im Innenministerium zum Thema Maaßen abzugeben.
Ralf Stegner: Maaßen "nicht mehr tragbar"
Nicht nur die Opposition übt Kritik an Maaßen. SPD-Bundesvize Ralf Stegner hat dem Verfassungsschutzchef als „nicht mehr tragbar“ bezeichnet. Stegner sagte vor Beginn von parteiinternen Beratungen in Berlin, Maaßen habe sich disqualifiziert. Bestürzend sei „das Ausmaß der Verwirrung, dass man da sieht“. Stegner sagte weiter: „Und insofern ist er natürlich als Chef von einem solchen Amt nicht nur nicht tragbar, sondern soll so schnell wie möglich ersetzt werden durch einen ordentlichen Chef des Verfassungsschutzes.“
Stegner fügte hinzu: „Ich war immer der Meinung, dass der Chef des Verfassungsschutzes die Verfassung schützen soll vor den Verfassungsfeinden und nicht umgekehrt.“ Eine wehrhafte Demokratie müsse sich vor ihren Feinden schützen. Dazu brauche man „geeignete Führungskräfte“.
CDU-Vize Julia Klöckner sagte, sie habe nicht zu beurteilen, ob Maaßen reif für den Ruhestand sei. „Ich nehme nur wahr, dass es eine Posse ist, dieses Hin und Her.“ Unions-Fraktionsvize Hermann Gröhe (CDU) sagte der „Bild“, Maaßen habe gut daran getan, sich für Vorkommnisse in der Vergangenheit zu entschuldigen. „Da verstehe ich jetzt den Rückfall nicht.“
Nach Angaben aus Koalitionskreisen soll Maaßen nun doch in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden und nicht als Sonderberater ins Bundesinnenministerium wechseln. Medienbericht zufolge habe Maaßen selbst um die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand gebeten. Ein entsprechendes Ersuchen habe er in der vergangenen Woche an das Bundesinnenministerium gerichtet, berichteten die Zeitungen der Funke Mediengruppe unter Berufung auf Sicherheitskreise. Grund ist eine Rede des scheidenden Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), die Maaßen als nicht eingestuftes Dokument ins Intranet der Behörde stellen ließ.
SPD erwartet Konsequenzen von Seehofer
Darin entwirft Maaßen nach AFP-Informationen das Bild einer Verschwörung gegen ihn: Linksradikale Kräfte innerhalb der SPD hätten ihn als Vehikel nutzen wollen, um die unter den Sozialdemokraten umstrittene große Koalition zu beenden. Dabei seien sie von Grünen, Linken und Teilen der Medien unterstützt worden. Maaßen stellt sich den Angaben zufolge in der Rede als Bauernopfer dar, nachdem er nur auf die Ereignisse in Chemnitz im Sommer reagiert habe.
Die neue Wendung in dem Fall bringt den Innenminister nun weiter unter Druck. Die SPD erwartet, dass Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) klare Konsequenzen aus den jüngsten Äußerungen des scheidenden Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen zieht. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte im ZDF, nach der Abschiedsrede von Maaßen, in der dieser die SPD heftig kritisiert haben soll, sei er nun zuversichtlich, "dass Herr Seehofer als Innenminister da schnell entscheiden wird". "Das, was durchsickert aus dieser Rede, das ist nicht angemessen", äußerte Klingbeil. Entsprechend werde der Innenminister wohl nun entscheiden.
SPD-Fraktionsvize Eva Högl wies darauf hin, dass ihre Partei schon vor Wochen Maaßens Entlassung gefordert habe - „wegen seiner problematischen Äußerungen nach den Ereignissen in Chemnitz und seiner sichtbaren Neigung zu rechtspopulistischen Ansichten“, wie sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte. Nun sei offensichtlich auch Seehofer zu der Einsicht gekommen. „Das geschieht nur sehr spät und macht auch Herrn Seehofer zum Verlierer des Abends.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Patrick Sensburg sagte dem Redaktionsnetz mit Blick auf Seehofer: „Das war keine klare Amtsführung.“ Er könne verstehen, dass Maaßen nichts daran setze, Sonderbeauftragter zu werden. „Das ist ja auch eher ein Abschieben.“
Die Koalition hatte sich wochenlang über Maaßen gestritten
Grünen-Co-Chef Robert Habeck sagte im Deutschlandfunk, Seehofer hätte sich schon längst von Maaßen trennen sollen. "Das hätte man längst machen müssen", erklärte er. Dass Seehofer immer noch an Maaßen festgehalten habe, zeige, dass der CSU-Chef der falsche Mann als Innenminister sei. Seehofer sei in seinem Regierungsamt überfordert und nutze es für parteitaktische Spiele.
Als Innenminister habe er dem Land keinen Dienst erwiesen. Ähnlich äußerte sich Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. "Ich glaube, dass Horst Seehofer nicht nur wegen dieser Frage kein geeigneter Innenminister der Bundesrepublik Deutschland ist", sagte sie dem Sender n-tv. Seehofers Entscheidung, Maaßen ins Innenministerium zu holen, sei "von Anfang an falsch" gewesen.
Auch Juso-Chef Kevin Kühnert forderte nun den Abgang des Ministers. "Man kann nur hoffen, dass dieser Spuk nun langsam ein Ende hat und der Mitverursacher der Misere, Horst Seehofer, ebenfalls bald seinen Sessel räumt", sagte Kühnert der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Medienberichten zufolge soll Maaßen in seiner Abschiedsrede massiv Kritik an der Regierung und insbesondere der SPD geäußert haben. Wegen seinen früheren Äußerungen zu den fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Chemnitz muss er bereits seinen Posten als Verfassungsschutzchef räumen.
Maaßen war ursprünglich wegen eines Interviews in die Kritik geraten, in dem er die Echtheit eines Videos zu den rechten Ausschreitungen in Chemnitz vom August angezweifelt und bestritten hatte, dass es dort Hetzjagden gab. Auch seine Kontakte zu AfD-Politikern hatten für Irritationen gesorgt.
Die große Koalition aus Union und SPD stritt daraufhin wochenlang über die Zukunft des BfV-Präsidenten. Nach einer anfänglich geplanten Beförderung zum Staatssekretär wurde letztlich vereinbart, dass er als Sonderberater für europäische und internationale Fragen ins Bundesinnenministerium wechseln solle.
Der Streit brachte die große Koalition an den Rand des Zusammenbruchs. Innenminister Seehofer stellte sich dabei jedoch stets hinter den Spitzenbeamten. (AFP, dpa)