Rot-Rot-Grün für Thüringen: SPD-Mitglieder wollen Ramelow-Regierung
Auf dem Weg zu einer rot-rot-grünen Regierung in Thüringen ist eine wichtige Hürde genommen. Die Bundes-SPD begrüßt das Votum der Genossen. Der Linken-Politiker Gregor Gysi nennt das Ergebnis "eindeutig".
Die Mitglieder der SPD in Thüringen haben sich mit relativ klarer Mehrheit für eine rot-rot-grüne Regierung ausgesprochen. In einer Mitgliederbefragung stimmten 69,3 Prozent für dieses Bündnis, teilte die Landes-SPD mit. Die Beteiligung lag bei 78 Prozent. Der SPD-Landesvorsitzende Andreas Bausewein sprach von einer "historischen Entscheidung". Er sagte weiter: "Wir haben eine Grundsatzentscheidung getroffen. Ich gehe davon aus, dass es klappt."
In den kommenden Wochen kann nun zwischen Linkspartei, SPD, und Grünen ein Koalitionsvertrag ausgehandelt werden. Sie sollen bereits an diesem Mittwoch beginnen, zwei bis drei Wochen sind geplant. Die Wahl des Linke-Politikers Bodo Ramelow zum Regierungschef könnte anschließend am 5. Dezember im Erfurter Landtag stattfinden. Auch der 12. Dezember gilt als denkbarer Termin. Ein Bündnis aus den drei Parteien hat allerdings nur eine Stimme Mehrheit im Landtag.
Das neue Koalitionsmodell mit Ramelow an der Spitze würde die 24-jährige Regierungszeit der CDU in Thüringen beenden. Die Aussicht auf den ersten Ministerpräsidenten der Linken 25 Jahre nach dem Mauerfall sorgt seit Wochen für kontroverse Debatten in Deutschland.
SPD-Generalsekretärin Fahimi: Überzeugendes Ergebnis
Die SPD-Bundesspitze begrüßte die Zustimmung von 70 Prozent ihrer Thüringer Parteimitglieder als "überzeugendes Ergebnis" begrüßt. "Damit herrscht Klarheit, welche Regierung künftig die Geschäfte in Erfurt führen soll", sagte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi der Deutschen Presse-Agentur. "Die SPD Thüringen hat sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht." Sie persönlich verstehe auch jene, die Vorbehalte und Bedenken haben gegen eine Landesregierung unter Führung der Linken. "Vielleicht ist es aber 25 Jahre nach dem Fall der Mauer und unter besonderer Berücksichtigung der Person Bodo Ramelow gerade an der Zeit, die Linke in die Regierungsverantwortung in Erfurt zu nehmen." Gleichzeitig gelte, dass ein solches Regierungsbündnis keine Auswirkung auf die Koalition im Bund habe, „genauso wenig wie Schwarz-Grün in Hessen sich auf die Koalition auswirkt“. Dies sei eine rein landespolitische Entscheidung, betonte die SPD-Generalsekretärin.
Thüringen-CDU: Hälfte der SPD-Mitglieder folgt nicht ihrer Führung
Der Generalsekretär der Thüringer Union, Mario Voigt, kommentierte das Ergebnis mit dem Hinweis: "Rechnet man die Nein-Stimmen und die Abstimmungsverweigerer zusammen, zeigt sich, dass die Hälfte der Mitglieder den Weg ihrer Parteiführung nicht mitträgt. Die SPD bleibt damit weiterhin eine zerrissene Partei." Die SPD gehe für sich und den Freistaat "ein hohes Risiko in einem unsicheren Dreier-Bündnis" ein. "Die Bürger wollen, dass die CDU als die deutlich stärkste Partei regiert", erklärte er. Mike Mohring, CDU-Fraktionschef im Thüringer Landtag, erklärte: "1946 ist die SPD zwangsvereinigt worden, jetzt geht sie diesen Schritt freiwillig."
Gysi: Neue Seite im Geschichtsbuch
Die Linkspartei zeigte sich zufrieden mit dem Ausgang der Abstimmung in der SPD. "Das Ergebnis der SPD-Mitgliederbefragung ist eindeutig und macht den Weg frei für eine Koalition der sozialen Gerechtigkeit in Thüringen", sagte Gregor Gysi, Chef der Bundestagsfraktion, dem Tagesspiegel. "Damit würde zugleich eine neue Seite im Geschichtsbuch der Bundesrepublik aufgeschlagen. Die Koalition von Linken, SPD und Grünen wäre völlig demokratisch legitimiert." Gysi fügte hinzu: "Dies sollten dann auch all jene akzeptieren, die sich jetzt damit schwer tun."
Die thüringische Linke-Landtagsabgeordnete Katharina König sagte dem Tagesspiegel: "Wahnsinn, richtig gut." Sie sprach von einem "sehr klaren, eindeutigen Signal" für eine rot-rot-grüne Landesregierung. Zwar sei die Linkspartei darauf eingestellt, dass Ramelow womöglich erst im dritten Wahlgang, bei dem die einfache Mehrheit genügt, gewählt werden könnte. Sie habe nun aber die "kleine optimistische Hoffnung, dass es auch schon im ersten Wahlgang klappen kann". Der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, Matthias Höhn, erklärte: "Das Ergebnis ist ein positives Signal der Übereinstimmung bei dem grundsätzlichen Wunsch aller drei Parteien, das Land Thüringen nach vorn zu bringen." Der Linke-Bundesvorsitzende Bernd Riexinger twitterte: "SPD-Basis votiert klar für r2g! Allen Einmischungen zum Trotz. Der Politikwechsel für Thüringen kommt." Ramelow selbst wollte sich erst am Mittwoch zum Ausgang der Abstimmung in der SPD äußern.
Grüne: Auf geht's!
Die Grünen-Landtagsabgeordnete Astrid Rothe-Beinlich twitterte: "Auf gehts. Lasst uns nun alles für den Wechsel auf den Weg bringen! Thüringen ökologisch und sozial gerecht!" Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner erklärte auf Twitter, der Mitgliederentscheid der SPD sei "ein weiterer wichtiger Schritt hinzu einer r2g-Regierung in Thüringen".
Die SPD war bei der Landtagswahl im September auf gut zwölf Prozent abgestürzt. Sie wurde weit hinter CDU und Linkspartei nur drittstärkste Kraft. Zuletzt hatte sie gemeinsam mit der CDU regiert. Am Mitgliederentscheid konnten sich nach SPD-Angaben 4311 Genossen beteiligen. Abgegeben wurden demnach 3334 Stimmen. Davon stimmten 2195 für Rot-Rot-Grün.
Der SPD-Landesvorstand hatte Koalitionsverhandlungen mit Linkspartei und Grünen bereits einstimmig empfohlen hatte. Die Vorstände der Linken und der Grünen haben schon einstimmig für den Start des rot-rot-grünen Regierungsprojekts votiert. (mit dpa/rtr)