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Angestrengt. Joachim Gauck zweifelt an der Regierungsfähigkeit der Linkspartei.
© picture alliance / dpa

SPD in Thüringen: Gespalten über Joachim Gauck

Ein Linker als Ministerpräsident? Die Thüringer SPD befragt ihre Mitglieder, am Dienstag werden die Stimmen ausgezählt. Die einen ärgern sich über die Einmischung von Bundespräsident Joachim Gauck, die anderen begrüßen seine Äußerungen.

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Die Erfurter SPD-Genossin Betti Löbl nimmt für sich in Anspruch, die in Thüringen aktuell geplante rot-rot-grüne Landesregierung in gewisser Weise schon vorweggenommen zu haben. Beim Volksbegehren für mehr Kita-Personal war das, es liegt einige Jahre zurück. Schon damals, sagt Löbl, hätten Mitglieder von Linkspartei, SPD und Grünen zusammengearbeitet. Letztlich erfolgreich: 2500 Erzieherinnen wurden seitdem in den Kindergärten zusätzlich eingestellt.

Löbl, selbst Chefin eines Erfurter Kindergartens, ist jetzt für eine rot-rot-grüne Landesregierung. Dieser soll erstmalig in Deutschland mit Bodo Ramelow ein Politiker der Linken vorstehen. Die ist aus der einstigen DDR-Staatspartei SED hervorgegangen. Noch bis zum Montagabend konnten die SPD-Mitglieder in Thüringen darüber abstimmen, ob sie dem Bündnis mit dem Linkspartei-Regierungschef zustimmen wollen oder es ablehnen. Und nun hat Bundespräsident Joachim Gauck am Wochenende deutliche Zweifel an der Regierungsfähigkeit der Linken geäußert. „Menschen, die die DDR erlebt haben und in meinem Alter sind, die müssen sich schon ganz schön anstrengen, um dies zu akzeptieren“, hatte Gauck gesagt.

Im Kreis der unmittelbar Betroffenen, in der Thüringer SPD also, hat offenkundig eine Mehrheit eine kritische Meinung zu Gaucks Äußerungen und zu dem Zeitpunkt – mitten hinein in die Mitgliederbefragung der Landespartei. „Er sollte das einfach Thüringen überlassen. Er sollte sich nicht reinhängen“, sagt die Erfurter Genossin Löbl. Sie jedenfalls habe ihre Entscheidung auch ohne Bundespräsidenten getroffen.

Manche SPD-Mitglieder lehnen ein Bündnis mit der Linken ab

Sven Steinbrück, SPD-Chef in Weimar, kann nach eigenem Bekunden zwar verstehen, dass Joachim Gauck mit seiner DDR-Vita eine derartige Meinung hat. „Wenn der Generalsekretär einer gewissen bayerischen Volkspartei durch die Lande marodiert, ist das eine Sache“, sagt Steinbrück. Beim Bundespräsidenten aber wäre „vornehme Zurückhaltung“ besser gewesen. „Die Entscheidung über die Regierung müssen die Genossinnen und Genossen vor Ort treffen“, sagt auch die Landtagsabgeordnete Diana Lehmann, die in Suhl für die SPD antrat.

Diejenigen unter den Thüringer Sozialdemokraten, die ein Linksbündnis ablehnen, waren freilich voll des Lobes für Gaucks Äußerungen. „Ich habe mich sehr gefreut, dass sich der Bundespräsident so positioniert hat“, sagt der Ilmenauer SPD-Chef Stefan Sandmann. Schließlich stehe in dessen Amtseid, dass er Schaden vom Volk abzuwenden habe. „Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht“, zitiert Sandmann noch Bertolt Brecht. Auch der frühere SPD-Landeschef Gerd Schuchardt, ein erklärter Gegner von Rot-Rot-Grün, hat Verständnis für Gauck. „Er wird kritisiert, wenn er sich zu wenig in die Probleme der Nation einbringt. Und wenn er sich äußert, hagelt es von allen Seiten Kritik.“

Schorlemmer ist nicht sehr gelassen

Vize-Landeschefin Heike Taubert hingegen zeigt sich „überzeugt, dass die Vertreter der Linken, die in Thüringen Landespolitik maßgeblich mitbestimmen und uns in den Koalitionsverhandlungen gegenübersitzen, die vom Bundespräsidenten angesprochene gefestigte demokratische Haltung haben“. Landesgeschäftsführer René Lindenberg sagt, die SPD-Mitglieder seien es gewohnt, mit anderen Meinungen fair umzugehen. Insofern, fasst er die Debatte zusammen, „ist ein Großteil zwar leicht verwundert, dass sich der Bundespräsident zu einer Koalitionsbildung auf Länderebene äußert“. Diesen „Debattenbeitrag“ müsse man aber „mit Gelassenheit“ sehen.

Mit weniger Gelassenheit beurteilte am Montag der DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer Gaucks Einlassungen. Er halte es für falsch, dass die Regierungsbildung von höchster Stelle angegriffen werde, sagte Schorlemmer im Deutschlandfunk. Den Eindruck zu erwecken, in der Linken gebe es Leute, die die Unterdrückung leugnen oder sogar wieder einführen wollten, halte er für absurd. „Man müsste nur noch sagen: Der Russe kommt wieder“, sagte der Theologe. Er kenne Bodo Ramelow, der in den letzten Jahrzehnten gezeigt habe, dass er ein linker Demokrat sei: „Ihm traue ich Kompromissbereitschaft, Konzeptionsfähigkeit und Führungsstärke zu und auch eine klare Distanzierung vom Unrecht in der DDR.“

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