zum Hauptinhalt
Einer der beiden SPD-Bundesvorsitzenden: Norbert Walter-Borjans.
© Kay Nietfeld/dpa
Update

Heftiger Streit wegen Maskenaffäre: SPD-Chef wirft Union Hang zur Vetternwirtschaft vor

Die Koalitionspartner schlagen im Zuge der Maskenaffäre sehr scharfe Töne an. Nach der Union macht nun die SPD weitere Vorschläge für mehr Transparenz.

Inmitten der Versuche, zu neuen Transparenzregeln für Bundestagsabgeordnete zu kommen, eskaliert in der Regierungskoalition der Streit wegen der Maskenaffäre in der Union. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans warf dem Koalitionspartner einen Hang zur Vetternwirtschaft vor: „In Teilen von CDU und CSU ist das Prinzip, dass eine Hand die andere wäscht, immer wieder zum Vorschein gekommen. Das Waschmittel dabei ist Geld – und dem stehen in diesen Parteien einige besonders nah“, sagte Walter-Borjans der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS).

„Dazu passt, dass CDU und CSU regelmäßig jeden Vorstoß für mehr Transparenz und schärfere Sanktionen gegen Missetäter blockieren. Und dann ist man völlig überrascht, wenn jemand die Hand aufgehalten hat. Die Parteivorsitzenden Armin Laschet und Markus Söder müssen jetzt klarmachen, dass sie strukturell wirklich etwas verändern wollen“, sagte Walter-Borjans. Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Carsten Schneider, griff die Union an. „Offenbar haben einige bei der Union ihren moralischen Kompass verloren“, sagte er dem Blatt.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Die Union steht wegen der Maskenaffäre und weiterer Fälle von umstrittenem Lobbyismus stark unter Druck. Dies hatte dazu geführt, dass in den vergangenen Tagen drei Abgeordnete die Fraktion verließen. Die bisherigen Unionsabgeordneten Georg Nüßlein (CSU) und Nikolaus Löbel (CDU) sollen sechsstellige Beträge für die Vermittlung von Schutzmaskenlieferungen kassiert haben.

Bouffier sieht kein strukturelles Problem in der Union

Die Union widersprach den Vorwürfen des Koalitionspartners, sie habe ein strukturelles Problem, scharf. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende und hessische Ministerpräsident Volker Bouffier sagte: „Das kann ich derzeit nicht sehen. Die CDU und die CSU haben schnell, richtig und konsequent gehandelt. Wichtig war auch der Ehrenkodex, den jetzt die Abgeordneten unterschreiben müssen“, sagte er der „FAS“. Er wundere sich, „dass bei der SPD-Fraktion ein Ehrenkodex wie jetzt bei der CDU/CSU nicht abgegeben wird“.

Alle Abgeordneten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hatten bis Freitagabend die von der Fraktionsführung geforderte Ehrenerklärung unterzeichnet. Jeder einzelne Abgeordnete musste schriftlich erklären, keine finanziellen Vorteile aus pandemiebezogenen Geschäften erhalten zu haben.

Ziemiak: Scholz' Kandidatur „ein beispielloser Rohrkrepierer“

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sagte dem Blatt., die Kandidatur des SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz sei „bisher ein beispielloser Rohrkrepierer“ gewesen. Die SPD missbrauche seit Monaten die Coronakrise zum Wahlkampf gegen die Union. „Jetzt geht sie einen Schritt weiter, um in einer ziemlich dreisten Art Tausende CDU-Mitglieder verächtlich zu machen. Dass engagierte CDU-Politiker pauschal von Norbert Walter-Borjans unter Verdacht gestellt werden, ist nicht nur billig, sondern auch der ehemaligen Volkspartei SPD unwürdig.“

Die Koalition sucht nach neuen Transparenzregeln für Bundestagsabgeordnete.
Die Koalition sucht nach neuen Transparenzregeln für Bundestagsabgeordnete.
© Imago Images/Christian Spicker

CSU-Generalsekretär Markus Blume warf der SPD eigene Verfehlungen vor. „Anders als die scheinheilige SPD hat die Union auf das unentschuldbare Verhalten ihrer ehemaligen Mitglieder schnell und äußerst konsequent reagiert. Während die Union reinen Tisch macht, will die SPD vor der eigenen Haustür vertuschen, verschleiern und ablenken“, sagte er der Zeitung.

Auch CSU-Generalsekretär geht Scholz an

Scholz habe „immer noch nicht Stellung genommen zu seiner dubiosen Rolle bei Wirecard und den krummen Cum-Ex-Geschäften in Hamburg. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Marcus Held steht wegen Veruntreuung, Betrug und Bestechlichkeit vor Gericht. Altkanzler Gerhard Schröder lobbyiert als russischer Söldner ungeniert für ein autokratisches Regime. Aber niemand in der SPD zieht irgendwelche Konsequenzen. Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken sollten dringend mal anfangen, in ihrem eigenen Laden aufzuräumen“, sagte Blume.

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.]

Andere Unionspolitiker betonten allerdings auch den Schaden durch die Affären für die Union. Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ), der Schaden für die Union durch die Maskenaffäre sei „immens“. Hans kritisierte, es als „absolut inakzeptabel und unmoralisch“, wenn „manche unserer Parlamentarier“ den Kampf gegen die Pandemie für ihre persönliche Bereicherung nutzten. Aus seiner Sicht handle es sich aber um Einzelfälle und nicht um ein strukturelles Problem seiner Partei. Die Maskenaffäre sei „nicht vergleichbar mit der Spendenaffäre vor vielen Jahren, die damals strukturelle Probleme in der Union aufgezeigt hat“.

Connemann sieht in Ehrenerklärung nur ersten Schritt

Fraktionsvize Thorsten Frei (CDU) nannte die Maskenaffäre in der Sendung „Bild Live“ eine der schwersten Krisen der Union der vergangenen 20 Jahre. Er glaube aber nicht an weitere Korruptionsverdachtsfälle in der Fraktion. „Mir fehlt das Vorstellungsvermögen, dass es weitere solcher Fälle gibt.“ Auch er sagte, die Union müsse den „Vertrauensschaden ganz grundlegend beheben“. Das werde nicht innerhalb von wenigen Tagen passieren, „sondern wird uns nur dann gelingen, wenn wir glaubwürdig die Dinge auf den Tisch legen“.

Stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion: Gitta Connemann (CDU).
Stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion: Gitta Connemann (CDU).
© Kay Nietfeld/dpa

Für die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Gitta Connemann (CDU) ist die Unterzeichnung der Ehrenerklärung durch alle Abgeordneten der Unionsfraktion noch nicht das Ende der Aufarbeitung in der Maskenaffäre. Die Erklärung sei erst der „Auftakt unserer Transparenzoffensive“, sagte sie der NOZ. Die Unterzeichnung der Erklärung durch alle Abgeordneten sei „ein starkes Fundament für die nächsten Schritte“. Sie fügte hinzu: „Wir stehen am Anfang. Vertrauen wurde gebrochen. Wir müssen es zurückgewinnen.“

Am Freitag war bereits ein Zehn-Punkte-Plan bekannt geworden, mit dem die Unionsfraktion mehr Transparenz erreichen möchte. Ziel sei es, „die bislang geltenden Transparenzvorschriften im Abgeordnetengesetz deutlich zu verschärfen“, heißt es in einem vom Geschäftsführenden Vorstand der Unionsfraktion formulierten Papier. Angestrebt sei, diese „Transparenzoffensive“ umgehend gesetzlich umzusetzen“.

Connemann sagte am Samstag im Sender RBB, die Unionsfraktion wolle mit dem Entwurf für den Zehn-Punkte-Plan auf die SPD zugehen. „Das ist ein ganz großer Katalog mit auch zum Teil sehr schwerwiegenden Maßnahmen. Aber dafür brauchen wir dann auch die Zustimmung unseres Koalitionspartners.“

„Einkünfte ausschließlich vom Steuerzahler“

In dem Entwurf der „Zehn-Punkte-Transparenzoffensive“ heißt es der Nachrichtenagentur AFP zufolge, die „entgeltliche Tätigkeit als Interessenvertreter für einen Dritten gegenüber der Bundesregierung oder im Bundestag" solle gesetzlich verboten und Verstöße mit einem Ordnungsgeld belegt werden. Aus solchen Tätigkeiten erworbene Einnahmen sollen Abgeordnete künftig „an den Bundestag abführen“ müssen.

Einkünfte aus Unternehmensbeteiligungen ab 25 Prozent sollen Abgeordnete künftig anzeigen, ebenso Nebeneinkünfte ab 100.000 Euro. Der Missbrauch des Mandats zu geschäftlichen Zwecken soll gesetzlich verboten sein und mit einem Ordnungsgeld bestraft werden. Eine Geldstrafe soll es künftig auch bei einer verbotenen Nebentätigkeit geben. Abgeordnetenbestechung will die Unionsfraktionsführung zu einem Verbrechen hochstufen – bislang ist dies ein Vergehen.

Connemann sagte dem RBB, in dem Plan werde festgelegt, „dass bestimmte Handlungen, die legal, aber aus unserer Sicht nicht legitim sind, zukünftig von unseren Kolleginnen und Kollegen nicht mehr ausgeübt werden“. Bezahlte Vorträge, Honorare für Reden – das sei heute alles möglich. „Aus unserer Sicht sollte ein Abgeordneter aber nicht doppelt bezahlt werden, sondern er sollte seine Einkünfte ausschließlich vom Steuerzahler erhalten.“

SPD: Mehr Transparenz in Politik und Verwaltung

Am Samstag wurden auch Vorschläge der SPD-Spitze für mehr Transparenz in Politik und Verwaltung bekannt. So sollen Bürgerinnen und Bürger künftig leichter an Daten der öffentlichen Verwaltung kommen, wie es in einem Entwurf für den SPD-Parteivorstand heißt, der am Montag beschlossen werden soll und der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt.

Das Informationsfreiheitsrecht solle fortentwickelt, offene Daten sollten kostenfrei bereitgestellt werden. Die Informationsfreiheitsgesetze des Bundes und der Ländern regeln die Bereitstellung von Daten zwar bereits seit Jahren. Antragsteller kritisieren aber immer, dass sie an Grenzen stoßen.

Verhandlungen bisher ohne Ergebnis

Die SPD will zudem darauf dringen, dass Wahlkampfhilfe etwa durch kostspielige Anzeigen wie Parteispenden behandelt werden. Sie sollen in den Rechenschaftsberichten der Parteien aufgeführt werden.

Zudem enthält der Entwurf Forderungen, die die SPD-Fraktion bereits am Dienstag aufgestellt hatte. Dazu zählen eine Hochstufung von Käuflichkeit von Abgeordneten zum Verbrechen mit einer Mindeststrafe von einem Jahr, ein Verbot bezahlter Lobbytätigkeiten, eine Pflicht zur kompletten Nennung von Einkommen aus Nebentätigkeiten, ein Annahmeverbot für Spenden sowie eine jährliche Höchstgrenze von 100.000 Euro für Parteispenden.

Die Fraktionen von Union und SPD hatten Verhandlungen über Verschärfungen der Regeln am Freitag zunächst ohne Ergebnis abgebrochen. Sie wollen in der neuen Woche weiterverhandeln, hatte es danach aus den Fraktionen geheißen. Nach Angaben des SPD-Abgeordneten Dirk Wiese ist die Unionsfraktion bisher dagegen, dass Nebeneinkünfte künftig komplett und dass Unternehmensbeteiligungen bereits ab fünf Prozent der Stimmrechte statt bei 25 Prozent veröffentlicht werden.

In ihrem neuen Entwurf fordert die SPD-Spitze nun auch, dass der Bundestagspräsident als zuständige Kontrollinstanz besser ausgestattet wird, so das die Regeln auch durchgesetzt werden können. In manchen Fraktionen scheine es „ein systematisches Versilbern“ des Mandats zu geben.

Zur Startseite