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Hessen, Oberursel: Thorsten Schäfer-Gümbel, der stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD, spricht auf einer SPD-Regionalkonferenz.
© Andreas Arnold/dpa

„Verkürzt Politik in grotesker Weise“: SPD-Chef greift Grüne hart an – die kontern

Den Grünen sei die soziale Frage „schnurzegal“ und der Klimawandel sei nicht das einzige Problem – SPD-Chef Schäfer-Gümbel provoziert die Öko-Partei.

Der kommissarische SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel hat die Grünen scharf angegriffen und ihnen wie der AfD eine Verkürzung von Politik vorgeworfen. „Die Grünen versuchen im Moment, alles Elend dieser Welt zu reduzieren auf die Frage des Klimawandels“, sagte Schäfer-Gümbel in einem Interview mit dem Tagesspiegel. Das sei genauso falsch wie die Politik der AfD, die die Migrationsfrage zum Übel der Welt erklärt habe. „Beides verkürzt Politik in grotesker Weise.“

Den in Umfragen enteilten Grünen warf Schäfer-Gümbel vor, die soziale Frage in Deutschland sei ihnen „schnurzegal“. „Es gelingt ihnen, im Moment gar keine Position mehr zu vertreten und sich so zum Objekt politischer Heilserwartungen zu stilisieren“, kritisierte der SPD-Übergangschef. Er prophezeite ihnen eine schmerhafte Landung: „Das wird spätestens dann klar werden, wenn die Grünen im Bund in politische Verantwortung kommen. Dann müssen sie konkret werden – und darauf sind sie nicht vorbereitet.“ Sie redeten etwa beim Kohleausstieg nur über Jahreszahlen. „Aber sie liefern gar nichts – nicht beim Netzausbau, nicht bei der Technologieentwicklung, nicht in der Industriepolitik.“ 

Der bisherige SPD-Vizechef führt die Partei nach dem Rücktritt von Andrea Nahles bis zur Wahl einer neuen Spitze mit den Ministerpräsidentinnen Malu Dreyer und Manuela Schwesig. Der sozialpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Sven Lehmann, wies die Fundamentalkritik am sozialen Profil der Grünen zurück. „Anstatt sich an den Grünen abzuarbeiten, sollte die SPD sich besser fragen, warum ihr eigenes soziales Profil so verblasst ist“, sagte Lehmann dem Tagesspiegel.

„Im Gegensatz zur SPD wollen wir Hartz IV überwinden und eine würdevolle Garantiesicherung schaffen. Die SPD hingegen hält an Sanktionen und einer niedrigen Grundsicherung fest“, erklärte er. Der Angriff der SPD laufe ins Leere, sagte der Grünen-Sozialexperte. Er wirkt „umso merkwürdiger“ am Tag, nachdem die Grünen als erste Partei ein konkretes und umfassendes Konzept gegen Kinderarmut vorgestellt hätten. Seit vielen Jahren arbeiteten die Grünen „für einen gerechten Arbeitsmarkt, gegen Armut, für Sicherheit bei Pflege, Gesundheit und Rente“.

Schäfer-Gümbel stellte via Twitter klar: Die Grünen seien „eine Stütze unserer Demokratie. Sie bereichern unseren Staat durch gute Vorschläge. Die AfD ist das absolute Gegenteil.“ Was er zum Ausdruck habe bringen wollen. „Wir können nicht nur über den Klimawandel diskutieren, wenngleich die Rettung des Klimas unsere zentrale Aufgabe sein muss. Genauso wenig wie es klug war, in den vergangenen Jahren nur über Migration zu diskutieren.“ Es gehe nicht darum, „dass die SPD auch mal wieder mit einem Thema dran ist.“ Sondern er sei der Überzeugung, „dass die Komplexität unserer Zeit durch Verkürzungen auf ein Thema nicht gelöst wird“.

Auch bei der Union wird den Grünen immer wieder vorgeworfen, zu wenig eigene, realitätstaugliche Konzepte zu liefern - gerade in der Klimapolitik ringt die große Koalition um faire Lösungen, die vor allem nicht dazu führen, dass einkommensschwache Pendler auf dem Land, die in schlecht gedämmten Wohnungen leben, durch eine stärkere Bepreisung der entstehenden CO2-Emissionen stärker zur Kasse gebeten werden. In Umfragen hatten die Grünen zuletzt mit 26 bis 27 Prozent sogar die Union überflügelt, während die SPD auf bis zu 13 Prozent abgestürzt war.

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