Flüchtlinge in Deutschland: SPD-Chef Gabriel wirft Union Hilflosigkeit vor
CDU und CSU treiben nach Ansicht von SPD-Chef Sigmar Gabriel in der Flüchtlingskrise ein doppeltes Spiel. Der Kanzlerin versichert er aber die Loyalität der SPD.
SPD-Chef Sigmar Gabriel hat der Union in der Flüchtlingskrise „Hilflosigkeit“ vorgeworfen und vor einer Spaltung der Gesellschaft gewarnt. CDU und CSU trieben ein doppeltes Spiel, kritisierte Gabriel am Sonntag bei einem SPD-Strategiekongress in Mainz. Die Antworten der Union auf Fragen und Ängste der Bürger seien das Gegenteil dessen, was Kanzlerin Angela Merkel (CDU) fordere.
Die Union pendele zwischen Merkels bedingungslosem Credo „Wir schaffen das“ und dem „Grenzen zu“ von CSU-Chef Horst Seehofer. „Die Wahrheit ist, beide Antworten sind eigentlich Ausdruck von Hilflosigkeit“, sagte Gabriel. Anders als die Bundesregierung erwartet der SPD-Chef in diesem Jahr mehr als Million Flüchtlinge in Deutschland.
Seine eigene Partei müsse eigene Antworten liefern, wie die Integration der vielen Zuwanderer zu schaffen sei. „Dazu schweigt die Union. Und deshalb müssen wir sprechen“, rief Gabriel die über 800 SPD-Anhänger in seiner knapp einstündigen Rede auf.
Die SPD sei die Integrationskraft des Landes und wolle das Asylrecht verteidigen. Man müsse den Bürgern die Wahrheit sagen und gut zuhören, was sie an Ängsten bei der Zuwanderung bewege. Es dürfe „kein Ausspielen“ von Flüchtlingen und Einheimischen geben: „Wir brauchen keine Spalter.“ Gebot der Stunde sei ein starker und solidarischer Staat, um die Krise zu bewältigen. Das passe der Union nicht in den Kram, deren „konservatives Weltbild“ ins Wanken gerate.
Gabriel unterstrich zugleich die Loyalität der SPD in der Regierung. So sagte er an Merkel gerichtet: „Ihre härtesten Gegner sitzen nicht bei uns, sondern wie so oft in der CDU und CSU.“ Dennoch wisse jeder, dass Deutschland „nicht bedingungslos und auf Dauer“ jährlich mehr als eine Million Menschen aufnehmen könne. „Auch Angela Merkel weiß das, aber sie spricht es nicht aus“, sagte Gabriel.
Die Kanzlerin habe aber Recht damit, dass man nicht einfach die Grenzen dicht machen könne. Die Flüchtlingsursachen im Nahen Osten müssten gelöst werden: „Kein Schlagbaum und keine noch so hohe Mauer werden die Menschen davon abhalten, ihr Leben und das ihrer Kinder in Sicherheit zu bringen“, sagte der SPD-Chef. Man könne an die Landesgrenzen keine Soldaten mit „aufgepflanztem Bajonett“ stellen: „Aber soweit geht Gott sei Dank noch nicht einmal die CSU.“ Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) kritisierte die angedrohte Verfassungsklage Bayerns. Das sei „fahrlässig und gefährlich“.
SPD weiter bei 25 Prozent
In Mainz beriet die Parteispitze mit der Basis über Strategien für die Bundestagswahl 2017 und darüber hinaus. Von sinkenden Umfragewerten der Union in der Flüchtlingsdebatte kann die SPD bislang nicht profitieren; sie verharrt bei 25 Prozent. Gabriel betonte, die Politik der SPD müsse sich an der „arbeitenden Mitte“ orientieren. Er wundere sich, dass das in der Partei immer noch alte Agenda-2010-Reflexe auslöse.
Die SPD müsse die Mitte der Gesellschaft weiter fassen, nicht nur Nichtwähler und Geringverdiener umwerben, sondern gut verdienende Arbeitnehmer, Selbstständige und Handwerker. „Mir ist wichtig, dass wir die Menschen wieder erreichen, dass wir uns als Partei öffnen und dass wir dabei ein paar alte Gräben überwinden“, meinte Gabriel. (dpa)