Krankenkassen-Überschüsse: Spahn drängt auf niedrigere Zusatzbeiträge
21 Milliarden Euro haben die Krankenkassen auf der hohen Kante. So geht das nicht, meint Gesundheitsminister Spahn - und verlangt Beitragssenkungen.
Bei seinem Pressetermin wechselte der Gesundheitsminister wieder in eine mildere Tonlage. Es gebe „Spielraum für Beitragssenkungen“, sagte Jens Spahn am Mittwoch morgen. Und dass er die gesetzlichen Versicherer „nur ermuntern“ könne, diesen jetzt auch mal zu nutzen. Doch der CDU-Politiker kann auch anders. „Die Krankenkassen horten weiter das Geld der Beitragszahler“, hatte er Stunden vorher via „Bild“-Zeitung gedonnert. „Sie haben inzwischen das Vierfache der Mindestreserven auf der hohen Kante. Das ist einfach zu viel.“
Überschuss hat sich seit der Jahresmitte mehr als verdoppelt
Der Anlass für Spahns Drängen ist ein ein doppelter. In Kürze legen die Kassen ihre Zusatzbeiträge fürs nächste Jahr fest. Und seit dem Mittwoch weiß man, dass ihre ohnehin üppigen Rücklagen weiter gestiegen sind. Dank guter Arbeitsmarktentwicklung lagen ihre Einnahmen in den ersten drei Quartalen wieder um 1,86 Milliarden Euro über den Ausgaben. Der Überschuss hat sich seit der Jahresmitte mehr als verdoppelt. Was dazu führt, dass die die gesetzlichen Kassen nun auf einem Polster von sage und schreibe 21 Milliarden Euro sitzen.
Das höchste Plus fuhren die Allgemeinen Ortskrankenkassen mit 920 Millionen Euro ein. Die Ersatzkassen schafften 534 Millionen, die Betriebskrankenkassen 190 Millionen. Kein Wunder: Bei der Versichertenzahl schafften es die gesetzlichen Kassen, um 0,8 Prozent zuzulegen.
Für Krankenhäuser stiegen die Ausgaben weniger stark als üblich
Das prächtige Ergebnis liegt aber nicht nur an gestiegenen Einnahmen. Beim mit Abstand größten Ausgabeposten – der Klinikbehandlung – belief sich der Zuwachs diesmal nur auf 2,9 Prozent. Der Kostenanstieg für niedergelassene Ärzte lag mit 2,7 Prozent sogar noch darunter. Lediglich die Arzneiausgaben legten um 3,5 Prozent zu. Bei den kleineren Posten sticht ein Kostenanstieg für Hochschulambulanzen um 20 Prozent und für Psychotherapie um 10,8 Prozent ins Auge. Insgesamt erhöhten sich die Einnahmen um 4,2 Prozent, die Leistungsausgaben um 3,7 und die Verwaltungskosten um 5,2 Prozent.
Dass sich die Versicherer in solch guten Zeiten nicht als „Sparkassen“ zu gebärden hätten, hat der Minister schon mehrmals klargestellt. Von den Rekordüberschüssen sollten gefälligst, so sein wiederkehrender Appell, auch die Beitragszahler profitieren. Dabei beließ es Spahn nicht bei Worten. Sein Versichertenentlastungsgesetz sieht ab 2019 nicht bloß die Rückkehr zu gleichen Kassenbeträgen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern vor – was die 50 Millionen Beschäftigten und Rentner um rund 6,9 Milliarden Euro im Jahr entlastet. Es enthält auch den Passus, dass die Finanzreserven der Kassen künftig eine Monatsausgabe nicht mehr überschreiten dürfen. Und dass die gesetzlichen Versicherer ab 2020 überschüssige Beitragseinnahmen binnen drei Jahren abzubauen haben.
Bei der Barmer sieht es nicht nach Beitragssenkungen aus
Derzeit verfügen einzelne Kassen über Rücklagen vom Zwei- bis Dreifachen ihrer Monatsausgaben. Spahn forderte sie auf, ihre Zusatzbeiträge zu senken, bevor sie dazu verpflichtet seien. Doch bislang sieht es, zumindest auf breiter Front, nicht danach aus. Beim zweitgrößten Anbieter, der Barmer, will der Vorstand dem Verwaltungsrat nach Tagesspiegel-Informationen jedenfalls vorschlagen, alles beim Alten zu lassen. Für die 9,2 Millionen Barmer-Kunden bliebe es dann bei einem Zusatzbeitrag von 1,1 Prozent.
Die DAK, die ihren 5,8 Millionen Versicherten bislang stolze 1,5 Prozent zusätzlich zum gesetzlichen Beitrag von 14,6 Prozent abknöpft, lässt sich noch nicht in die Karten schauen. Nur bei der Techniker Krankenkasse wird das Ziel ausgegeben, weiterhin unter dem durchschnittlichen Zusatzbeitrag zu bleiben. Da dieser gesetzlich vorgegebene Wert nächstes Jahr von 1,0 auf 0,9 Prozent sinkt, müsste die TK für ihre 10,2 Millionen Versicherten folglich nochmal um 0,1 Punkte heruntergehen – auf 0,8 Prozent. Ob sie es tut, entscheidet ihr Verwaltungsrat Ende nächster Woche.
Der Beitrag für die gesetzliche Krankenversicherung ist für alle Kassen verbindlich, er liegt derzeit bei 14,6 Prozent. Die Höhe ihres Zusatzbeitrags legen die Kassen aber selbst fest. Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung hob hervor, dass in diesem Jahr schon Kassen mit insgesamt 21,9 Millionen Versicherten ihren Zusatzbeitrag gesenkt hätten. Grundsätzlich sei es ein wichtiges Signal, dass die Solidargemeinschaft der 72 Millionen Versicherten auf einem soliden finanziellen Fundament stehe.