EU vertagt Entscheidung: Sondergipfel am 30. Juni soll Juncker-Nachfolge regeln
Weber? Timmermans? Vestager? Niemand hat eine Mehrheit für die Kommissionsführung. Vier weitere Spitzenposten gehören zum Paket. Nur ein Politiker ist amüsiert.
Es ist eine typische europäische Lösung: Sie zieht sich hin. Erst ging es bis spät in die Nacht, dann reichte nicht einmal die aus. Jetzt soll ein Sondergipfel die Entscheidung bringen. Bei ihrem Treffen in Brüssel konnten sich die EU-Staats- und Regierungschefs nämlich nicht auf einen Nachfolger für Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und die Vergabe weiterer Spitzenjobs einigen. Sie vertagten in der Nacht zum Freitag nach stundenlangen Beratungen ihre Entscheidung auf den 30. Juni.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sah bereits alle Spitzenkandidaten der großen Parteien einschließlich des Deutschen Manfred Weber (CSU) aus dem Rennen. Die Situation ist vertrackt – auch mit Blick auf das Europäische Parlament.
Es habe "keine Mehrheit für irgendeinen Kandidaten" gegeben, sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk. Bis zu dem Sondergipfel werde er nun seine Konsultationen mit dem Europaparlament fortsetzen. Dieses müsste bei der Juncker-Nachfolge einem Vorschlag der Staats- und Regierungschefs mit der Mehrheit seiner Abgeordneten zustimmen.
Der Großteil der Fraktionen im Europaparlament wollte das Prinzip durchsetzen, dass nur ein Spitzenkandidat bei der EU-Wahl Juncker-Nachfolger werden kann. Neben dem Konservativen Weber hatten sich der niederländische Sozialdemokrat Frans Timmermans und die dänische EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager von den Liberalen Hoffnungen auf den Posten des Kommissionschefs gemacht.
"Die Namen der drei Spitzenkandidaten wurden verworfen", sagte Macron, dessen Partei der liberalen Fraktion im EU-Parlament angehört. Der Prozess der Besetzung der Top-Jobs sei "blockiert". Der konservative EU-Ratspräsident Tusk wollte Weber dagegen nicht ausdrücklich ausschließen. Es sei "zu früh, Namen zu beurteilen".
Merkel: „Wollen keine Krise mit dem Parlament“
Tusks Befund fehlender Mehrheiten für irgendeinen Kandidaten stelle die EU "natürlich vor Herausforderungen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach den Beratungen. Im Parlament hätten die Fraktionsvorsitzenden von Liberalen und Sozialdemokraten klar gemacht, "sie könnten Manfred Weber nicht unterstützen". Für die Konservativen gelte dies umgekehrt mit Blick auf die anderen Kandidaten.
Darüber müsse nun bis zum nächsten Gipfeltreffen mit den jeweiligen Parteien beraten werden, sagte Merkel. "Wir wollen auf gar keinen Fall eine Krise mit dem Parlament. Das wäre nicht gut für die Arbeit der Europäischen Union in den nächsten fünf Jahren."
Spitzenkandidaten-Prinzip hat sich noch nicht durchgesetzt
Macron hatte das Spitzenkandidaten-Prinzip vor Gipfelbeginn erneut abgelehnt. Es ist aus seiner Sicht nur sinnvoll, wenn es bei der Europawahl länderübergreifende und nicht nationale Kandidatenlisten gibt. Merkel äußerte sich nun ähnlich: Bei dem Spitzenkandidaten-Prinzip stehe die EU "auf halben Wege", sagte sie. Nur mit transnationalen Listen werde es ein wirklich "transparentes Verfahren" geben. Allerdings gab sie das Modell für die aktuelle Entscheidung nicht auf. Die Bundesregierung hatte zuvor schon wiederholt erklärt, dass sie daran festhalten wolle.
Ziel sei es weiter, dass es bei der Postenvergabe "ein Paket" geben müsse, das die Vielfältigkeit der EU widerspiegele, sagte Tusk. Zu vergeben sind neben dem Posten des EU-Kommissionschefs auch die Ämter des EU-Ratspräsidenten, des Außenbeauftragten, des Parlamentspräsidenten und des Chefs der Europäischen Zentralbank (EZB).
Am 2. Juli tritt das neue Europaparlament zusammen
Merkel hatte schon zum Gipfel-Auftakt gesagt, es sei "nicht bedrohlich", wenn es "heute noch kein Ergebnis gibt". Ziel sei es nun "unbedingt", eine Entscheidung über ein Personalpaket zu treffen, bevor das neue Europaparlament am 2. Juli erstmals zusammenkomme, bekräftigte sie in der Nacht zum Freitag.
Denn dieses muss dann einen Parlamentspräsidenten wählen, um arbeitsfähig zu werden. Damit wäre bereits einer der Spitzenposten vergeben. Diejenige Partei, die den Parlamentspräsidenten stellt, müsste dann bei anderen Top-Jobs der politischen Konkurrenz das Feld überlassen.
EU-Kommissionspräsident Juncker kommentierte in der Nacht mit Humor das Scheitern der Suche nach einem Nachfolger: "Ich nehme mit viel Vergnügen zur Kenntnis, dass es sehr schwierig ist, mich zu ersetzen." (Tsp, AFP)