zum Hauptinhalt
Zu Beginn des EU-Gipfels sind die Meinungsunterschiede zwischen Angela Merkel und Emmanuel Macron zu spüren.
© REUTERS/Pool

Wer leitet künftig die EU-Kommission?: Rat gegen Parlament, Merkel gegen Macron

Beim EU-Gipfel sollte eigentlich über die Juncker-Nachfolge entschieden werden. Ob das gelingt, ist unsicher. Das liegt auch an Merkel und Macron.

Schon bevor der Gipfel losgeht, gibt es Hinweise, dass er nicht den Durchbruch bei der Frage bringen wird, die fast vier Wochen nach der Europawahl am meisten interessiert: Wer wird die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker antreten und damit den wichtigsten Job in Europa übernehmen?

Donald Tusk, der im Parlament und bei den Regierungen in den 28 Hauptstädten sondiert hat, hatte in seinem Einladungsschreiben noch optimistisch geschrieben: „Ich hoffe, wir schaffen es am Donnerstag.“ Doch Angela Merkel, die als Erste kommt, um sich mit Tusk und dem französischen Staatspräsidenten zu treffen, sieht noch Hürden. Der Bericht von Tusk, den der Ratspräsident beim Abendessen zu seinen Sondierungen vorlegen werde, werde „doch noch eine Reihe von Schwierigkeiten aufzeigen“, prophezeit sie.

Merkels Gegenspieler ist in diesem Fall Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Er ist dagegen, den Spitzenkandidaten, der das beste Ergebnis errungen hat, also Manfred Weber (CSU), an die Spitze der Kommission rücken zu lassen. Der Franzose, der sich mit seiner Bewegung den Liberalen im Europaparlament angeschlossen hat, will den Anspruch der Christdemokraten auf den Topjob brechen. Außerdem hat er selbst und stärker noch seine Vertrauten deutlich gemacht, dass er von Weber als Person wenig halte.

Für seine Verhältnisse tritt Macron diesmal in dieser Frage bescheiden auf, als er das Ratsgebäude betritt: Ihm gehe es nur darum, die schlagkräftigste Führungsmannschaft für Europa zu bekommen. Er räumt erstmals ein, dass das Parlament sogar ein gewisses Recht zur Mitbestimmung habe. Womöglich dämmert Macron, dass er es mit seinen Spitzen gegen den Spitzenkandidatenprozess übertrieben hat. Allenfalls die Bemerkung, der Kandidat müsse „die stärkste Persönlichkeit“ sein, kann als Affront gegen Weber verstanden werden. Dass es Streit mit Merkel über die Personalie gebe, nennt Macron im Übrigen einen „Irrtum“.

Natürlich hat es zwischen den beiden bei diesem Thema gekracht. Natürlich ist ihr Verhältnis heute deutlich schlechter als zu Macrons Amtsantritt, als sie bei Gipfeln gemeinsam Pressekonferenzen gaben, als vom neuen europäischen Führungsduo „Mercron“ die Rede war. Da ist zum einen die Enttäuschung bei dem von sich selbst sehr begeisterten Franzosen, dass seine europapolitische Reformagenda in Berlin keine Euphorie auslöste. Doch es ist nicht einfach nur eine Retourkutsche, wenn Macron nun unter den Staats- und Regierungschefs gegen den Deutschen Weber Stimmung macht. Macron hat seine Agenda. Nur bislang hat er sie nicht offengelegt.

Merkel will keinen Kandidaten gegen den Willen des Parlaments durchdrücken

Bei Merkel ist das anders. Sie hat sich für Weber ausgesprochen. Sie will keinen Kandidaten gegen den Willen des Parlaments durchdrücken. „Wir brauchen eine gemeinsame Lösung“, sagt sie im Hinblick auf das Parlament, in dem Christdemokraten, Grüne und Sozialdemokraten darauf bestehen, dass nur der Politiker Kommissionspräsident wird, der zuvor auch als Spitzenkandidat im Rennen war. Und Merkel legt sich fest: Falls es nicht jetzt gelingt, so müsse das Personalpaket bis Anfang Juli geschnürt sein, wenn das Parlament erstmals zusammentritt. Europa müsse arbeitsfähig sein, drängt sie.

Dass sie sich zeitlich festlegt, deutet darauf hin, dass eine Lösung in greifbarer Nähe ist. Im Rat haben die Staats- und Parteichefs der christdemokratischen Parteienfamilien zwar eine Sperrminorität, doch gegen eine zweistellige Zahl von anderen Ländern bekommt auch Merkel ihren Wunschkandidaten nicht durch. Auch aus deutschen Regierungskreisen heißt es, man strebe eine einvernehmliche Lösung im Rat an. Merkel kämpft für Weber. Das muss sie auch, schon allein aus innenpolitischen Gründen. Die Schwesterpartei CSU würde es ihr nicht nachsehen, wenn sie Weber in Brüssel opfern würde. Dann wäre der mühsam wiederhergestellte Frieden zwischen CSU und CDU wieder dahin.

Sollte im Rat abgestimmt werden, hätte Merkel ein Problem: Ihr zweiter Koalitionspartner, die Sozialdemokraten, hat sich nicht für Weber ausgesprochen. Die SPD hält am Spitzenkandidaten der europäischen Sozialisten, Frans Timmermans, fest. Und wenn sich die Koalitionäre nicht einig sind, muss Deutschland sich enthalten. Daher setzt Merkel darauf, dass ein Personalpaket geschnürt wird, bei dem auch die Sozialdemokraten nicht zu kurz kommen. Es geht ja auch noch um die Jobs an der Spitze des Parlamentes, des Rates, der Europäischen Zentralbank sowie um den künftigen Außenbeauftragten der EU. Bis es so weit ist und das Paket steht, könnte allerdings noch ein weiterer Gipfel nötig werden. Er ist bereits für das letzte Juni-Wochenende im Gespräch.

Zur Startseite