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Bis heute ist fraglich, was sich am 7. Januar 2005 in der Polizeizelle abgespielt hat.
© dpa

Sachsen-Anhalt: Sonderermittler sollen Fall Oury Jalloh prüfen

Die Regierungskoalition in Sachsen-Anhalt lässt den mysteriösen Feuertod des Afrikaners Oury Jalloh in einer Polizeizelle in Dessau von einem Sonderermittler untersuchen.

Mehr als 13 Jahre ist es her, dass der Asylbewerber Oury Jalloh in einer Zelle der Polizei in Dessau verbrannte, doch aufgeklärt ist der Fall bis heute nicht. Nun gibt es zumindest eine Chance, die langwierigen und auch widersprüchlich erscheinenden Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft zu durchleuchten. Die in Sachsen-Anhalt regierende Koalition von CDU, SPD und Grünen hat sich am Dienstag darauf verständigt, zwei prominente Sonderermittler zu beauftragen. Einen Bericht der „Mitteldeutschen Zeitung“ dazu haben Regierungskreise am Freitag bestätigt.

In Magdeburg wurden die Namen Jerzy Montag und Herbert Landau genannt. Montag ist Rechtsanwalt, er war rechtspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen und nach seinem Abschied vom Parlament als Sonderermittler zu der mysteriösen Geschichte des V-Mannes „Corelli“ im NSU-Komplex tätig. Landau ist ehemaliger Richter des Bundesverfassungsgerichts und hat in Sachsen den spektakulären Fall des Terrorverdächtigen Jaber Albakr untersucht. Der Syrer hatte 2016 einen Anschlag auf den Flughafen in Berlin-Tegel geplant, nach seiner Festnahme in Leipzig erhängte er sich in der Gefängniszelle.

Am 4. Mai soll der Rechtsausschuss des Landtags von Sachsen-Anhalt über die Berufung von Montag und Landau entscheiden. Über den Umfang des Auftrags müssten sich die Abgeordneten noch verständigen, sagte am Freitag der rechts- und innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Sebastian Striegel. Es gehe um die „Aufarbeitung dessen, was in den Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft in den letzten 13 Jahren passiert ist“. Das politische Verfahren solle sich aber nicht mit dem anhängigen Ermittlungsverfahren der Generalstaatsanwaltschaft zum Fall Jalloh überschneiden, betonte Striegel.

Es ist weiterhin unklar, was sich in der Polizeizelle abgespielt hat

Bis heute ist fraglich, was sich am 7. Januar 2005 in der Polizeizelle in Dessau abgespielt hat – und warum es bislang nicht gelungen ist, den Fall aufzuklären. Polizeibeamte hatten den angetrunkenen Afrikaner in Gewahrsam genommen. Der gefesselte Mann lag in Zelle 5 des Polizeireviers auf einer feuerfesten Matratze, dennoch brach ein Feuer aus. Jalloh starb in den Flammen. Polizisten behaupteten, der Asylbewerber habe sich selbst mit einem Feuerzeug angezündet, das bei der Leibesvisitation übersehen worden sei. Den Verdacht, ein Beamter könnte Jalloh angezündet haben, hielt die ermittelnde Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau lange für abwegig. So wurde nach jahrelangen Verfahren, mit mutmaßlichen Falschaussagen von Polizisten, nur ein Ex-Dienstgruppenleiter des Reviers zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er den Feueralarm aus der Zelle zunächst ignoriert hatte.

Der Fall drehte sich jedoch, nachdem die „Initiative zum Gedenken an Oury Jalloh“ 2013 ein Brandgutachten bei einem Sachverständigen in Irland in Auftrag gegeben hatte. Er kam zum Schluss, der gefesselte Asylbewerber habe sich nicht selbst anzünden können. Die Staatsanwaltschaft Dessau bestellte dann ein Gutachten bei einem Schweizer Institut. Die Experten fanden 2016 bei einem „Brandversuch“ heraus, Jalloh könnte mit Feuerzeugbenzin bespritzt und angezündet worden sein. Im April 2017 schrieb der Leitende Oberstaatsanwalt von Desslau-Roßlau, Folker Bittmann, dazu einen brisanten Vermerk. Bittmann äußerte den Verdacht, Polizisten hätten den im Gesicht verletzten Jalloh getötet, um eine Untersuchung wegen des Verdachts auf Körperverletzung im Amt zu vermeiden.

Der Vermerk wurde im November 2017 bekannt, das öffentliche Echo war gewaltig. Zumal auch herauskam, dass die Generalstaatsanwaltschaft den Kollegen in Dessau das Verfahren entzogen und der Staatsanwaltschaft Halle übergeben hatte, die dann im Oktober 2017 die Ermittlungen einstellte. Angesichts der Empörung in Landtag und Medien wies Landesjustizministerin Anne-Marie Keding (CDU) im Dezember die Generalstaatsanwaltschaft an, das Verfahren zu übernehmen. Und nun werden noch zwei Sonderermittler tätig.

Frank Jansen

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