Debatte um Erinnerungskultur: Sollten muslimische Schüler ein KZ besuchen?
Ein bayerischer CSU-Politiker meint: Muslimische Schüler haben keinen Zugang zu unserer Vergangenheit - und müssen deswegen auch kein KZ besuchen. Jüdische Organisationen und israelische Medien sind schockiert.
Sollten muslimische Schüler ein Konzentrationslager besuchen? Oder nicht? Der CSU-Politiker Klaus Steiner hatte kürzlich im bayerischen Landtag gesagt, dass viele Kinder aus muslimischen Familien „keinen Zugang zu unserer Vergangenheit” hätten - und deswegen bräuchten sie während ihrer Schulzeit auch keine KZ-Gedenkstätte besuchen. Darauf hat nun das Simon Wiesenthal Center mit einem Offenen Brief an Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) reagiert - eine jüdische, politisch tätige Nichtregierungsorganisation mit Hauptsitz in Los Angeles.
Hintergrund der Aussage von Klaus Steiner war ein Antrag im bayerischen Landtag, den „Besuch einer Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus/eines NS-Dokumentationszentrums in allen bayerischen Schularten fest zu verankern“. Der CSU-Politiker war in diesem Kontext der Meinung, Förder- oder Mittelschulen sollten davon ausgenommen werden. Zum einen, weil manche der Schüler dort „kognitiv und emotional nicht in der Lage“ seien, ein KZ zu besuchen. Zum anderen, weil es gerade an Mittelschulen viele Flüchtlingskinder und Migranten gebe, "die noch lange brauchen würden, bis sie sich mit unserer Vergangenheit identifizieren können". An diesen Schulformen solle der Besuch lediglich eine Empfehlung sein. Keine Pflicht.
Thema in israelischen Medien
Bislang ist ein solcher Besuch nur für Gymnasiasten verpflichtend. Die Idee einer Ausweitung der Verpflichtung auf alle Schularten stammt von Josef Schuster, dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland. Der Zentralratspräsident fordert eine frühe Aufklärung - gerade - in der Schule. Dort könnten junge Menschen gegen Judenhass immunisiert werden. Die Debatte im bayerischen Landtag wurde bereits in der israelischen Tageszeitung " The Jerusalem Post" aufgegriffen."
Eine "Verleugnung des Holocaust"
Shimon Samuels, der internationale Direktor des Simon-Wiesenthal-Centers, beklagt nun, die Argumentation käme einer "Verleugnung des Holocaust" gleich - und stünde im Kontrast dazu, dass das Bildungsministerium die Zentren für Islamische Theologie in Frankfurt (mit Gießen), Münster/Osnabrück, Erlangen- Nürnberg und Tübingen momentan mit rund 20 Millionen Euro fördere.
Diese beiden gegensätzlichen Bemühungen seien in Zeiten eines zunehmenden Antisemitismus ein "Rezept für Dschihadismus, IS-Rekrutierungen und eine Anstiftung zu Judenhass". Das Simon Wiesenthal Center fordert in dem Offenen Brief, dass Ministerin Wanka die Steiner-Initiative eindeutig zurückweist und gewährleistet, dass es in Islam-Studiengängen ein Modul über den Holocaust gebe. Der Tagesspiegel hat das Bildungsministerium am Dienstagvormittag um eine Stellungnahme zu dem Thema gebeten. Dem Bundesbildungsministerium liege der Offene Brief des Simon-Wiesenthal-Centers nicht vor, sagte ein Sprecher am Nachmittag.
Antisemitismus unter Muslimen
Als Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) vor zwei Wochen aktuelle Zahlen zu antisemitischer Kriminalität vorstellte, betonte er den radikal-islamischen Antisemitismus. Er bedrohe alle Länder im Schengen-Raum gleichermaßen, wie die Anschläge auf Juden in Kopenhagen und in Paris gezeigt hätten. Im vergangenen Jahr wurden 1.596 antisemitische Straftaten registriert. Das waren 321 oder 25 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Der größte Anteil der Straftaten sei politisch rechts motiviert, sagte de Maiziere, aber es gebe auch politisch links motivierten und vermehrt radikal-islamischen Antisemitismus. Auf letztere Form müsse mit besonderer Wachsamkeit geachtet werden.