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Ein Tempolimit ist in Deutschland umstritten.
© Soeren Stache/dpa
Exklusiv

„Eingefahrene Dogmen“ über Bord werfen: Sofortiges Tempolimit – SPD und Grüne machen Druck

SPD und Grüne verlangen von der FDP, ihr Veto gegen ein Tempolimit aufzugeben. FDP-Fraktionschef Dürr fordert ein Ende der Debatte.

Spitzenpolitiker von SPD und Grünen haben von der FDP erneut verlangt, ihr Veto gegen ein Tempolimit aufzugeben. „In dieser Krise sollten wir das sofort machen, es spart unmittelbar Energie ein“, sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann dem Tagesspiegel. Der Grünen-Politiker forderte, „eingefahrene Dogmen“ über Bord zu werfen.

Ein Tempolimit sei das harmloseste Mittel, um während des Ukraine-Kriegs Energie zu sparen. „In einer Krise muss man der Krise gerecht werden“, sagte Kretschmann.

Auch Monika Heinold, stellvertretende Ministerpräsidentin und Finanzministerin in Schleswig-Holstein, forderte die FDP auf, „ideologische Scheuklappen“ abzulegen. „Das Tempolimit ist mehr als überfällig", sagte sie dem Tagesspiegel. Dabei sieht die Grünen-Politikerin nicht nur die Liberalen in der Pflicht. „Ich erwarte außerdem, dass Kanzler Scholz das Tempolimit 130 zur Chefsache macht“, sagte Heinold.

Auch die SPD-Landesvorsitzenden von Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, Thomas Kutschaty und Thomas Losse-Müller, schlossen sich dem Appell an. „Ich kann dem normalen Pendler nicht erklären, warum er den Sprit von denen subventionieren soll, die unbedingt mit 220 km/h unterwegs sein wollen und damit mehr verbrauchen“, sagte Kutschaty, der am 15. Mai als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in NRW antritt. „Ein rein egoistisches Freiheitsgefühl geht so auf Kosten der Allgemeinheit“, sagte Kutschaty dem Tagesspiegel in Richtung FDP.

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Thomas Losse-Müller, der am 8. Mai bei der Wahl in Schleswig-Holstein antritt, sprach sich ebenfalls klar für ein Tempolimit aus. „Mit dieser Maßnahme werden wir schneller unabhängig von russischen Energieimporten. Und gleichzeitig löst das Tempo-Limit keine wirtschaftlichen Verwerfungen in Deutschland aus.“ Die FDP müsse endlich den Weg frei machen für ein Tempolimit.

FDP: Kretschmann betreibt mit Tempolimit "Symbolpolitik"

Doch die Liberalen scheinen sich weiter vehement gegen die beiden Koalitionspartner zu stemmen. „Die Debatte um ein Tempolimit muss sofort beendet werden, denn sie lenkt von dem ab, was jetzt wirklich zu tun ist", sagte der Fraktionschef der FDP im Bundestag, Christian Dürr. Er stellte den Nutzen eines Tempolimits grundsätzlich in Frage. "Die Auswirkungen einer solchen Maßnahme auf unsere Energiereserven wären gleich null", sagte er dem Tagesspiegel.

Winfried Kretschmann sieht in einem Tempolimit ein harmloses Mittel, um Energie zu sparen.
Winfried Kretschmann sieht in einem Tempolimit ein harmloses Mittel, um Energie zu sparen.
© Marijan Murat/dpa

Dürr warf Kretschmann vor, er betreibe Symbolpolitik. "Herr Kretschmann führt eine absurde Debatte fort, die rein gar nichts zur Lösung der Probleme beiträgt, die wir im Zusammenhang mit dem fürchterlichen Krieg in der Ukraine bewältigen müssen", sagte Dürr und forderte den Grünen-Politiker auf, konstruktive Vorschläge in die Debatte einzubringen.

Union sieht in befristetem Tempolimit "kein Tabu"

Die FDP blockiert seit Langem ein Tempolimit und lehnt auch temporäre Geschwindigkeitsbeschränkungen ab. Zuletzt hatte bereits Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) einem temporären Tempolimit eine Absage erteilt, weil dafür die Schilder fehlen würden.

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Der klimapolitische Sprecher der Union, Andreas Jung, findet dagegen, ein befristetes Tempolimit dürfe "kein Tabu" sein. "Wir erwarten von der Bundesregierung aber endlich, von der Diskussion einzelner Maßnahmen zu einer überzeugenden Strategie zu kommen", sagte der CDU-Politiker.

Die Bundesregierung müsse prüfen, wie groß die Versorgungslücke im kommenden Winter sein wird und müsse entsprechende Maßnahmen treffen. "Auf ein Tempolimit zu dringen und gleichzeitig kategorisch ohne wirklich ergebnisoffene Prüfung am Abschalten der letzten drei Kernkraftwerke mitten im nächsten Winter festzuhalten ist deshalb wenig glaubwürdig", kritisierte Jung. Die Ampel-Parteien dürften nicht weiter Veto-Politik betreiben, ansonsten sei der "kleinste gemeinsame Nenner" das Ergebnis.

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