Klimaschutzgipfel mit Minimal-Kompromiss: So schwammig sind die Ergebnisse von Madrid
Begrenzung der Erderwärmung, Unterstützung für ärmere Länder – die Klimaschutzziele für 2030 sollen schärfer werden, doch vieles erst später entschieden werden.
Die Weltklimakonferenz in Madrid hat sich am Sonntag nach einer 40-stündigen Verlängerung auf eine gemeinsame Abschlusserklärung geeinigt. Nach zweiwöchigen Verhandlungen erinnerte das Plenum darin alle rund 200 Staaten an ihre Zusage, im nächsten Jahr ihre Klimaschutzziele für 2030 möglichst zu verschärfen.
Folgende Punkte sind nun in der Erklärung festgehalten:
- Die Lücke zwischen dem Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen und dem, was die Staatengemeinschaft eingereicht hat, nämlich viel zu wenig, wird "anerkannt".
- Dringend will die Staatengemeinschaft diese Klimalücke schließen.
- Im Abschlussbericht wird außerdem ausdrücklich auf das 1,5 Grad-Ziel hingewiesen.
- Die Staaten sind "eingeladen", im nächsten Jahr ihre höheren Klimaziele vorzulegen.
- Zudem wird in der Erklärung auf Geschlechtergerechtigkeit hingewiesen sowie auf die Rechte der Indigenen.
- Ein grundsätzlicher Appell zur Wahrung der Menschenrechte ist aber nicht enthalten.
Das eigentliche Anliegen der Klimakonferenz, Regeln für den Artikel sechs des Pariser Klimaabkommens aufzustellen, konnten die Staaten nicht lösen. Es sollten Regeln dafür aufgestellt werden, wie die Staaten untereinander die Minderung von CO2-Emissionen verrechnen können. Fraglich ist beispielsweise, welcher Staat die Emissionen gutgeschrieben bekommt, wenn ein Industrieland in einem Entwicklungsland ein nachhaltiges Projekt umsetzt.
Brasilien fordert, dass die Minderungen aufs Konto beider Staaten gehen. Die Europäische Union lehnt das klar ab. Im Abschlussplenum zeigten sich die Staaten enttäuscht, dass der Artikel sechs nicht ausgestaltet wurde. Sowohl die Industriestaaten wie die Entwicklungsländer haben eigentlich ein Interesse an diesem Artikel. Nur müssen die Regeln stark sein, sonst kann mit solchen Emissionsverrechnungen schnell Schindluder getrieben werden. Der Artikel sechs soll aber weiterverhandelt werden, möglicherweise schon auf der nächsten Klimakonferenz in Glasgow.
„Es ist trotzdem nicht genug“
„Die Ergebnisse zu Thema Klimaehrgeiz sind jetzt deutlich besser als das, was gestern Abend noch auf dem Tisch lag. Aber wir alle wissen: Es ist trotzdem nicht genug“, kommentierte Christoph Bals, politischer Geschäftsführer der Organisation Germanwatch, live aus dem Abschlussplenum. "Die Klimakonferenz ist nicht gescheitert, weil Artikel sechs nicht abgeschlossen wurde", sagte Bals. "Im Gegenteil: Wir müssen es als Erfolg feiern, dass ein schwacher Artikel sechs mit vielen Schlupflöchern vermieden wurde."
„Was für ein Fehlstart ins Klimaschutzjahr 2020. Aus Madrid kommt der Aufbruch nicht, den wir jetzt brauchen, aber aus Europa wird er kommen müssen, Ursula von der Leyens European Green Deal ist ein guter Anfang", sagte Michael Schäfer, Leiter Klimapolitik beim WWF dem Tagesspiegel live im Abschlussplenum. „Da ist jetzt vor allem die Bundesregierung gefragt, die sich hier in Madrid als Vorreiter präsentiert, zu Hause beim Klimaschutz aber noch immer ein lahmer Gaul ist.“
Technische Problem verzögern Abschluss
Die Präsidentin der 25. Weltklimakonferenz, die chilenische Umweltministerin Carolina Schmidt, musste das Abschlussplenum, das um kurz vor 10 Uhr am Sonntagmorgen startete, immer wieder unterbrechen. Es lag nicht nur daran, dass Staaten immer wieder Statements abgegeben haben, sondern auch an technischen Problemen. Teilweise konnten die Delegierten die Abschlussdokumente auf der Homepage des Klimasekretariats UNFCCC nicht finden. Sie waren nicht hochgestellt.
Ziel des Pariser Abkommens ist, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. Dafür muss der Ausstoß von Treibhausgasen vor allem aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas in den kommenden Jahren drastisch sinken, bisher steigt er aber immer weiter.
Streit um Anrechnungen und Finanzfragen
Vorgesehen ist, dass 2020 die Staaten ihre nationalen Pläne für den Klimaschutz nachbessern – das sollte der Gipfel in Madrid vorbereiten. Heftig umstritten war, wie nachdrücklich die Länder in der Abschlusserklärung ermahnt werden sollen, ihre Zusagen einzuhalten. Der nächste UN-Klimagipfel findet im November 2020 in Glasgow statt.
Vertreter aus 196 Staaten und der EU hatten in Madrid zwei Wochen lang verhandelt. Im Vorjahr hatten sie in Polen ein Regelwerk für den internationalen Klimaschutz vereinbart, dabei aber einen Teil offen gelassen. Es geht dabei um den Handel mit Klimaschutz-Gutschriften.
Wenn ein Land seine Ziele beim Einsparen von Treibhausgasen übererfüllt, kann es solche Gutschriften verkaufen. Streit gab es vor allem mit Brasilien um die Art der Anrechnung – fast allen anderen Ländern war wichtig, dass nichts doppelt gezählt wird. Auch der Umgang mit Zertifikaten aus der Zeit vor dem Pariser Klimaabkommen war ein Knackpunkt.
Strittig waren zudem Fragen rund um Finanzhilfen der reicheren Länder für die ärmeren. Besonders umstritten ist die Ausgestaltung von Artikel 6. Er sieht vor, auch Marktmechanismen zur Steigerung und Umsetzung der nationalen Klimaschutzbeiträge, der sogenannten NDCs, zu nutzen. So könnte ein Industrieland ein Solarkraftwerk in einem afrikanischen Land finanzieren, um dort die Nutzung fossiler Energieträger zu verringern, und sich diese Emissionseinsparung auf sein NDC anrechnen lassen. (mit dpa, AFP)