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Joe Bidens Wahlsieg ist offiziell bestätigt. Die Machtübergabe beginnt. Donald Trump kann ihm den Start aber weiter vermiesen.
© Angela Weiss, Mandel Ngan/AFP

Machtübergabe ja, aber mit Hindernissen: So macht Trump Wahlsieger Biden das Regieren schwer

Der abgewählte US-Präsident leitet die Transition ein, ohne seine Niederlage einzugestehen. Dahinter steckt ein Ziel, das Trump durchaus erreichen könnte. Eine Analyse.

In der Ära des Systemwettbewerbs zwischen dem kommunistischen Ostblock und dem Westen gab Walter Ulbricht die Parole aus, der Sozialismus könne die Marktwirtschaften "überholen, ohne einzuholen". Dafür wurde er auch in der DDR belächelt, denn die Realität stand in offensichtlichem Widerspruch zu der sonnigen Prognose.

Mit einem ähnlich krassen Paradox versucht nun Noch-Präsident Donald Trump die Diskrepanz zwischen seinem Wunschdenken und der amerikanischen Realität zu überbrücken. Er lässt einerseits den Einstieg in die Machtübergabe an den Demokraten Joe Biden zu, hält andererseits aber an der Behauptung fest, in Wahrheit habe Biden die Wahl gar nicht gewonnen. Auch hier steht die Wirklichkeit in offenkundigem Widerspruch zu den "alternativen Fakten".

In einem Tweet in der Nacht zu Dienstag betonte Trump erst noch einmal, dass er weiter kämpfen und am Ende siegen werde; dennoch "empfehle ich im besten Interesse des Landes, dass Emily und ihr Team tun, was getan werden muss", um das Protokoll in Gang zu setzen.

Die Stimmenauszählung lässt Trump keine Wahl

Worte wie Eingeständnis der Niederlage oder Machtübergabe vermeidet er. Aus dem Namen Emily Murphy und dem Kürzel GSA erschließt sich der Kurswechsel. Sie leitet die General Services Administration, die die Anweisung erteilt, dass das Team des Wahlsiegers Zugang zu vertraulichen Informationen der Regierung erhalten soll und die derzeit Verantwortlichen in den Fachressorts mit ihren designierten Nachfolgern kooperieren dürfen.

Man darf also ein bisschen aufatmen. Die USA gelangen mit Verspätung auf den gewohnten Weg, der die Kontinuität der Verantwortung für das Wohl und die Sicherheit der Gesellschaft auch in der elf Wochen langen Übergangszeit zwischen der Wahl Anfang November und der Vereidigung eines neuen Präsidenten am 20. Januar sicherstellen soll.

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Trump hatte sich in eine Sackgasse manövriert. Mehrere Bundesstaaten, in denen das Wahlergebnis knapp war und er sich eine Wende durch eine Neuauszählung der Stimmen erhoffte, haben Biden offiziell zum Wahlsieger erklärt. Der weitere Rechtsweg war so gut wie aussichtslos. Zahlen lügen nicht.

Noch-Präsident Donald Trump macht Wahlsieger Joe Biden weiterhin das Leben schwer.
Noch-Präsident Donald Trump macht Wahlsieger Joe Biden weiterhin das Leben schwer.
© AFP/MANDEL NGAN

Jeder Minister braucht die Zustimmung des Senats

Trump ist aber nicht bereit, die Niederlage einzugestehen. Er, seine Familie und die Loyalisten um ihn herum verbreiten weiter auf unzähligen Netzwerken die Behauptung, bei der Wahl habe es massenhafte Manipulationen gegeben und der Sieg sei Trump gestohlen worden. Das glaubt der Großteil der Gesellschaft zwar nicht. Aber ein Großteil der Parteibasis der Republikaner glaubt es. Und damit vergiftet Trump die öffentliche Stimmung und erschwert gezielt den Start der Regierung Biden.

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Das wird nicht folgenlos bleiben. Der künftige Präsident Biden stellt nun nach und nach das Team vor, mit dem er regieren möchte. Alle diese Persönlichkeiten müssen jedoch vom Senat bestätigt werden. Wer dort die Mehrheit haben wird, seine Demokraten oder Trumps Republikaner, ist noch nicht ausgemacht. Es hängt von zwei Stichwahlen in Georgia Anfang Januar ab. Wenn die Demokraten nicht beide Wahlen für sich entscheiden - in einem Südstaat, in dem traditionell die Republikaner dominieren -, haben die Konservativen ein Blockadeinstrument.

Die konservative Basis macht Druck, Biden zu blockieren

Und dabei kann die durch Trump vergiftete Stimmung Wirkung entfalten. Republikanische Senatoren werden, wenn sie über ein Ja oder Nein zu den von Biden vorgeschlagenen Ministern entscheiden, den Druck einer Basis spüren, die glaubt, dass Biden ein unrechtmäßiger Präsident sei.

Umso höher ist es den republikanischen Amtsträgern in Staaten wie Georgia oder Arizona anzurechnen, die auch den Druck der Basis gespürt haben, und dennoch den Wahlsieg Bidens in ihren Staaten als offizielles Ergebnis zertifiziert haben. Ihre Treue zur Verfassung, zu den Landesgesetzen, zum Amtseid ist größer als die Loyalität zur Partei, zu Trump, zu den Machtinteressen. Das stärkt das Vertrauen in die amerikanische Demokratie. Leider gibt es jedoch führende Republikaner, die dieses klare Bekenntnis zum demokratischen Prozess verweigern.

Gewiss doch, die republikanischen Senatoren werden auch den Gegendruck spüren, wenn sie versuchen sollten, moderate Personen aus Bidens Team herauszuschießen. Die Bürger werden ihnen das in Meinungsumfragen übelnehmen.

Die Lagerspaltung dürfte sich vertiefen

Den Graben zwischen den Lagern aber wird eine solche Dynamik vertiefen. Zum Beispiel, wenn Biden einen Vertreter des linken Parteiflügels, den er einbinden muss, als Arbeitsminister nominiert - zum Beispiel Bernie Sanders. Und die Republikaner ihm im Senat die Bestätigung verweigern. Die dann erwartbare Empörung der Demokraten würde es Biden erschweren, auf die Republikaner zuzugehen und Kompromisse zu suchen.

Und das spielt dann wieder Trump in die Hände. Er und sein Lager setzen auf Spaltung und Polarisierung, auch mit Blick auf die Präsidentschaftswahl 2024. Das tun auch jüngere Republikaner, die selbst 2024 antreten wollen und Trumps Erfolgsrezept kopieren.

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