Protokolle eines Ausländers: So leiden die Christen in Ägypten
Schikane, Diskriminierung, Mord und Totschlag: Für Christen wird das Leben in Ägypten unter Präsident Fattah al-Sisi zunehmend gefährlich. Ein westlicher Unternehmer, der seit drei Jahren in Kairo lebt, schickte Protokolle. Eine Zusammenstellung.
Drei Tage lang hatte Ägypten, das größte und kulturell bestimmende Land der muslimischen Welt, offiziell die Wahl: 60 Millionen Ägypter über 18 Jahren waren bis Mittwochabend aufgerufen, einen neuen Präsidenten zu bestimmen. Es wird sicher der alte sein: Der ehemalige General Abdel Fattah al-Sisi war nach seinem Putsch gegen die Regierung der Muslimbrüder 2013 ein Jahr später mit angeblich 97 Prozent gewählt worden. Auch diesmal gab einen keinen Gegenkandidaten, der den Hauch einer Chance gehabt hätte. Man erwartet, dass viele Ägypter gar nicht erst zur Urne gegangen sind.
Zwar gab es 2014 wie auch dieser Tage massive Vorwürfe der Wahlfälschung und Einschüchterung, aber zumindest vor vier Jahren sollen auch viele Christen al-Sisi gewählt haben. Ihnen schien er offenbar als das kleine Übel, die weniger radikal-islamische Alternative zu den islamistischen Muslimbrüdern unter dem gestürzten Mohammed Mursi. Je nach Rechnung sollen sich zwischen vier und 15 Prozent der Ägypter zum christlichen Glauben bekennen, die meisten davon sind koptische Christen.
Das sind Anhänger einer urchristlichen Richtung, deren konservative Liturgie sehr umfassend ist, Gottesdienste dauern oft mehrere Stunden. Deren wichtigsten Riten und Gebete unterscheiden sich aber nur unwesentlich von der in römisch-katholischen oder evangelischen Kirchengemeinden. Diesmal aber dürften Christen, egal welcher Strömung sie folgen, kaum einen Grund gehabt haben, zu wählen, denn ihr Leben wird zunehmend gefährlich am Nil. Und Schuld daran trage auch der Präsident.
Das berichtet ein mitteleuropäischer Unternehmer, der seit etwa drei Jahren in Kairo lebt, dem Tagesspiegel. Der römisch-katholische Christ, dessen Name hier zu seinem Schutz nicht genannt werden soll, hat eine koptische Partnerin. Er kennt die muslimische Welt sehr gut, er lebte fast zwei Jahrzehnte lang in Ländern rund um den Persischen Golf, die nach allgemeinen Verständnis in Deutschland als noch konservativer gelten - Länder mit Kopftuchpflicht für Frauen etwa. Diese gibt es in Ägypten offiziell nicht.
Um so erschrockener war der Mann, als er selbst beobachtete und von Freunden erfuhr, wie rasend schnell sich einige muslimische Mitmenschen radikalisierten. „Es herrscht eine klare politische Zweiklassengesellschaft. Oben die privilegierten Muslime, unten die Christen und kleinere ethnisch-religiöse Minderheiten“, erklärt er. Der Unternehmer sammelte Fakten und Berichte, um seine Gedanken zu sortieren. Er möchte ein Buch darüber schreiben. Vorab schickte der dem Tagesspiegel erste Protokolle, da er möchte, dass man auch in Deutschland erfährt, welchem strategischem Partner die Bundesregierung unterstützt - im Kampf gegen den Terror und gegen Fluchthelfer.
Ein weiters Motiv: Auch Wohnung des Informanten, in einem eher liberalen Viertel der Riesenstadt Kairo gelegen, wurde von Unbekannten verwüstet. Er hat die Reinigungskraft im Verdacht. Sie soll Anstoß an einem christlichen Bild an der Wand genommen haben. Beweisen kann er ihre Verstrickung nicht. Und mit Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden könne er nicht rechnen.
Der Informant ist der Redaktion persönlich bekannt, sie schätzt ihn als absolut glaubwürdig ein. Für einzelne Details legte er Belege vor - zum Beispiel Fotos von einem Totenschein, ein Gespräch mit einer Überlebenden eines Anschlages, die kurz nach der Tat auch im Staatsfernsehen zu Wort kam, zeichnete er wenige Wochen später per Video auf. Gleichwohl hat die Tagesspiegel-Redaktion nicht sämtliche Angaben selbst nachprüfen können.
Lesen Sie hier Protokoll des Informanten in Auszügen. Einige Ereignisse hat er nach eignen Angaben selbst erlebt, andere hätten ihm Freunde und Bekannte berichtet. Zudem verfolgt der Unternehmer intensiv die sozialen Medien - und auch die offiziellen Staatssender. Selbst die würden die größten Angriffe auf Christen nicht verschweigen (können).
26. Mai 2017: Anschlag im Kloster Sankt Samuel
„Am frühen Morgen des 26. Mai 2017 haben sich jugendliche und erwachsene Christen in den Dörfern des Bezirks Al-Minya auf einen Freitagsausflug in das Kloster Sankt Samuel in Al-Minya Kalamon vorbereitet. Diese Ausflüge sind sehr beliebt, auch weil die Kinder hinter den Klostermauern angstfrei spielen, musizieren, singen und Theater spielen können. Solche Ausflüge machen die Kinder in Begleitung von Erwachsenen ein- bis zweimal im Jahr. Die Kinder reisten mit ihren Eltern und Familien in Bussen aus drei Dörfern an. Kurz vor dem Kloster wurden Sie von einer Gruppe vermummter Islamisten gestoppt.
Mariam Adel ist eines der Opfer, das schwerverletzt überlebte. Sie erlitt mehrere Schusswunden. Auch ihr 18 Monate alter Sohn überlebte das Massaker mit Schussverletzungen an der rechten Hand. Mariam schilderte das Horrorerlebnis im staatlichen Fernsehen und in einem privaten Interview wie folgt:
„Auf dem Weg zum Kloster Sankt Samuel wurden wir von drei Autos überrascht. Unser Bus wurde gestoppt. Sechs maskierte Islamisten stiegen aus den Autos und eröffneten das Feuer auf die Räder des Busses. Sie zerschossen auch die Fenster. Dann bestiegen die Islamisten den Bus und forderten unsere Männer auf, das islamische Glaubensbekenntnis El Shahada zu sprechen. Unsere Männer weigerten sich. Daraufhin schlachteten sie unsere Männer regelrecht ab. Etwas später kamen zwei der Islamisten nochmals in den Bus, um nachzuschauen, ob alle Männer tot sind. Einige lebten noch. Sie schossen wieder und töteten alle Männer und auch einige Kinder.
Anschliessend verlangten sie von uns Frauen, das islamische Glaubensbekenntnis aufzusagen. Auch wir weigerten uns. Daraufhin schossen sie auf unsere Beine. Dann warfen sie einen Koran in den Bus und versuchten, den Bus in Brand zu stecken. Mehrmals schossen sie in den Benzintank. Das hat glücklicherweise nicht funktioniert, der Bus geriet nicht in Brand. Anschliessend rannten sie weg und wollten in ihren Autos flüchten.
In der Zwischenzeit gelang es uns, die Polizei und das nahegelegene Kloster zu alarmieren. 16 Angestellte vom klostereigenen Landwirtschaftsbetrieb kamen mit einem Auto und wollten uns helfen. Als dies die Islamisten bemerkten, kehrten sie zurück, stoppten das Auto der Angestellten, fragten, ob sie Christen seien und verlangten von ihnen, El Shahada zu sprechen. Auch die Angestellten des Klosters weigerten sich. Daraufhin wurden alle hingerichtet. Anschliessend kamen sie wieder zu uns und sagten: "Gebt uns die Beute". Dann nahmen sie uns und den Toten Schmuck und Wertsachen ab. Zum Schluss beschossen sie nochmals heftig den Benzintank, wieder ohne Erfolg. Dann flohen sie.
Ich habe mein Mann, meine Mutter, meine Schwester, den Mann meiner einen Schwester, den Mann der anderen Schwester, die Brüder von ihm, meinen Onkel, den Mann meiner Tante, meinen Cousin, die Tochter meiner Cousine, die Tochter meiner Schwester und den Schwiegervater meiner Schwester verloren. Ich habe keine Verwandten mehr, nur mein Sohn und ich überlebten“, sagte die Überlebende im Fernsehen.
Die Polizei kam den Opfern nicht zu Hilfe. Sie überliess sie ihrem Schicksal. Nach über zwei Stunden trafen die Sanitäter am Tatort ein. Die Islamisten waren ja vermummt. Bei drei Männern verrutschte während des Massakers die Maskierung, sodass einige Opfer die Gesichter der Täter sehen konnten. Bei einer späteren Gegenüberstellung via Fotos wurden die Männer eindeutig als Einheimische aus Nachbardörfern identifiziert.“
Das geschilderte Massaker, bei dem insgesamt 29 Menschen gestorben sein sollen, sein kein Einzelfall, berichtet der Informant. Es sei ein typisches Beispiel dafür, mit welcher Brutalität gegen Christen vorgegangen werde. Die ägyptische Regierung habe für diesen Anschlag die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) verantwortlich gemacht. Als Vergeltung sei in der libyschen Hafenstadt Derna das Hauptquartier des Shura-Rats der Mujahedin bombardiert worden, was angeblich ein Ausbildungslager der IS gewesen sein soll. Dies sei aber ein Ablenkungsmanöver gewesen. Damit sollte dem Ausland demonstriert werden, dass man hart gegen Terroristen vorgeht. In Wirklichkeit kämen diese Islamisten aber nicht aus dem Ausland, sondern aus den gleichen Dörfern wie die Opfer.
Schikane: Diagnose „Schock“ auf dem Totenschein
„Die Toten von Sankt Samuel wurden dann in umliegende Spitäler gebracht. Den Hinterbliebenen übergab man einen Totenschein mit der Todesursache „Schock“. Weil das Töten von Christen im islamischen Recht kein Offizialdelikt darstellt und somit vom Staat nicht automatisch von Amtes wegen verfolgt wird, müssen die Hinterbliebenen bei der Polizei eine Anklage wegen „Tötung“ einreichen.
Für eine Anklage braucht es Beweise. Wenn im offiziellen Totenschein die Todesursache mit „Schock“ angegeben ist, gibt es keinen Beweis für ein Gewaltverbrechen. So haben die Hinterbliebenen keine Möglichkeit, eine Anklage zu erwirken. Als Folge davon gehen die Täter straffrei aus.“
Allein die falsche Todesursache auf dem Totenschein zeige, mit welcher Systematik die Christen auch im politischen System unterdrückt würden, schreibt der europäische Ausländer, denn diese Dokumente seien von den offiziellen Stellen in verschiedenen Spitälern ausgestellt worden.
Geheime Kirchen vom Amt geschlossen
"Im Dorf Saft El Kharsa im Bezirk Bani Suef leben 50 christliche Familien. Mehrere ihrer Verwandten starben beim Anschlag. Am 15. Juni 2017 wollten die Angehörigen für die Opfer eine Beerdigungsfeier abhalten (…). Sie reichten bei der Polizei ein Gesuch um eine Bewilligung zur Durchführung der Feier ein. Die Bewilligung wurde nicht erteilt.
Weil die Beerdigungsfeier verboten wurde, hielten die Angehörigen in einem Wirtschaftsgebäude bei befreundeten Familien des Nachbardorfs eine Andacht ab. In der darauf folgenden Nacht erschien um Mitternacht die Polizei. Sie räumte das Gebäude und beschlagnahmte es. Kultgegenstände wie Kreuze, Kelche, Bilder, Messbücher und Kleider warfen die Polizisten einfach auf die Straße.Seither hat die Polizei in dieser Gegend 13 weitere in Privatbesitz stehende Wirtschaftsgebäude geschlossen, in denen sich die Christen jeweils zum Beten versammelt hatten.“
Gedenktafel von Behörden zerstört
Kirchen, die noch in Betrieb sind, dürften nicht repariert oder unterhalten werden, schreibt der Informant. Wenn in einer der noch bestehenden Kirche eine defekte Wasser- oder Elektrizitätsleitung geflickt werden müsse, habe der zuvor eine Bewilligung einzuholen. Diese würden aber in der Regel nicht erteilt. Mit derartigen Schikanen will man christliche Gemeinschaften weiter zermürben und letztlich zerschlagen.
„Die Zufahrt zum Kloster Sankt Samuel, wo der Anschlag geschah, hat die Polizei danach abgeriegelt. Somit ist das Kloster von der Aussenwelt abgeschnitten und isoliert. Die Existenz der dortigen Mönche ist bedroht. Sie sind angewiesen auf den Verkauf ihrer selber produzierten Landwirtschaftsprodukte. Ohne Strassenverbindung funktioniert der Produktehandel nicht.
Das Land in der Wüste, auf dem der Anschlag auf den Bus geschah, gehört dem Kloster Sankt Samuel. Im Januar 2018 habe die Mönche für die ermordeten 29 Christen eine Gedenktafel mit einem Kreuz angebracht. Die Polizei kam wenige Tage später mit Bulldozern und hat alles zerstört und weggeräumt.“
Mob stürmt die Kirche St. George
Der Informant berichtet von den Ereignissen rund um die Kirche St. George im Dorf Sheik Alaa, rund 250 Kilometer südlich von Kairo: Bereits 2015 hätten Muslime sie beschädigt. Statt die Angreifer zur Rechenschaft zu ziehen, haben die Polizei damals das Gotteshaus geschlossen unter dem Vorwand, so die Christen zu schützen.
„Im September 2017 eröffnete Priester Moussa Thabet die reparierte Kirche wieder. Angestachelt von dem örtlichen Imam zogen am 22. Oktober rund 60 Muslime nach dem Abendgebet in einer nahegelegenen Moschee zur Kirche Sie skandierten: „Islam, Islam, Islam … nieder mit den Christen … Wir werden sie vernichten und das Dorf von Ungläubigen reinigen.“
Die Polizei sah tatenlos zu und ordnete erneut die Schließung an. Erst am 7. Januar 2018 durfte die Kirche wieder öffnen. Eine entsprechende Bewilligung erteilte die Regierung aus Anlass des koptischen Weihnachtsfestes auch anderen bislang geschlossenen Kirchen.“
Der Schritt dürfte ein taktisches Manöver des Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi sein, spekulierte der Informant. Es wird erwartet, dass sich der Staatschef am 28. März um eine weitere Amtszeit bewirbt. Die Bewilligungen bringen ihm Stimmen unter den Christen ein. Es ist wahrscheinlich, dass die Kirchen nach der Wahl wieder geschlossen werden.
Die Ungleichbehandlung der Christen betreffe in dem Land viele Lebensbereiche. Ihre Kinder bekämen an öffentlichen Schulen mitunter schlechtere Noten als die muslimischen. Mädchen würden gezwungen, Kopftücher zu tragen. Universitäten hielten Prüfungen manchmal an hohen christlichen Feiertagen ab – etwa Heiligabend oder Ostern. Vereinzelt ließen Richter Christen in Gerichtssälen nicht als Zeugen zu. Stattdessen dürften sie dann nur schriftliche Dokumente einreichen – weil sie als „Ungläubige“ gelten und ihre Aussage dem islamischen Recht – der Scharia – widersprechen würde.
„Es schockiert mich, dass koptische Eltern Gottesdienste aus Sicherheitsgründen getrennt besuchen – damit sich im Fall eines Attentats wenigstens ein Elternteil um die Kinder kümmern kann. Einheimische, die Christen umbringen, haben nur wenig zu befürchten. Werden solche Fälle bekannt, tut die Regierung das etwa damit ab, dass der Täter geisteskrank sei.“
So sei es geschehen etwa nach dem Mord vom 3. Januar 2017 in Alexandria. Ein Muslim hätte damals einem christlichen Kleinhändler die Kehle durchgeschnitten. Er sei von der Polizei verhört, als geisteskrank eingestuft und wieder frei gelassen worden.
Christinnen werden entführt und zwangsislamisiert
„Mir sind Fälle bekannt, in denen junge Christinnen von Islamisten entführt, mit Gewalt zur Konvertierung gezwungen und gegen ihren Willen verheiratet wurden. Reichten die Familien bei der Polizei eine Vermisstenmeldung ein, dann suchte sie manchmal nicht die Verschleppten, sondern überwachte stattdessen die Familie als Problemmacher – so geschehen im März 2017 in Luxor, wo die junge Christin Amira Gerges Khalil entführt wurde und in Quena wo eine Gruppe Muslime vor den Augen der Polizei die 16-jährige Marina Nashaat aus ihrem Elternhaus gezerrt und entführt hat.
Salafistische Organisationen handeln regelrecht mit christlichen Mädchen und bezahlen jedem eine Prämie, der eine junge Frau islamisiert und heiratet. Oft tauchen diese Mädchen nie wieder auf, denn sie werden zu Hause von den muslimischen Großfamilien als Sexsklaven gehalten oder nach Saudi-Arabien an einen Harem verkauft.“
In Deutschland geben sich die obersten Muslime anders
„Der oberste Leiter der weltweit größten Koranschule – der Al-Azhar Universität in Kairo –, Ahmed Mohammad Al-Tayyeb, tritt im Westen – etwa 2017 auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Berlin – als Religionsvermittler auf und präsentiert dort einen humanen Islam. In Wirklichkeit ist die Al-Azhar Universität jedoch die Brutstädte der Muslimbrüder und die Denkschmiede eines konservativen, gewaltverherrlichenden Islams. Sie hat viele führende Köpfe von Terrororganisationen hervorgebracht.
Der Leiter von Boko Haram (Westliche Bildung ist Sünde), Abubakar Shekau, der mit seinen Schergen im April 2014 in Nigeria 276 christliche Schulmädchen entführte, zwangskonvertierte und mit Muslimen verheiratete, hat dort ebenso studiert und als Dozent gearbeitet wie Omar Abdel-Rahman (1938–2017) – bekannt als „blinder Scheich“. Er war verantwortlich für das Massaker von Luxor und hat mit seiner radikalen Ideologie Tausende von Imamen geprägt.
Der IS-Führer Abu Osama al-Masri, der in vielen Anschläge Hunderte Menschen tötete und den Absturz eines russischen Passagierflugzeuges im Sinai im Jahr 2015 anordnete, ist dort genauso ausgebildet worden wie Mohammed Abd al-Salam und Abdullah Yusuf Azzam von der Terrororganisation Al-Qaida – um nur einige Beispiele zu nennen.“
Da sei es nur folgerichtig, dass Al-Tayyeb im staatlichen ägyptischen Fernsehen gesagt habe, die IS-Kämpfer seien keine Terroristen, sondern führten den Auftrag des Propheten Mohammed aus. Gleichzeitig bemühten sich die ägyptischen Behörden sehr um ein gutes, weltoffenes Image im Ausland, damit die wirtschaftlichen Investitionen nicht stocken und die Gäste kommen, berichtet der Unternehmer. Touristen aus aller Welt – insbesondere auch ausländische Christen – seien in Ägypten immer willkommen. Das sei aber ein krasser Gegensatz zu dem, was er im Alltag erlebe.
Sein Fazit: Was können man tun?
„Papst Franziskus bezichtigt uns Christen im Abendland der Mittäterschaft durch Schweigen und Wegschauen. Es braucht Mut, diese himmelschreiende Problematik öffentlich anzusprechen und möglichst sachlich, ohne Hass und Wut, zu thematisieren. Der erste Schritt zur Besserung ist bekanntlich die Erkenntnis.
In Ägypten wäre es durchaus möglich, den Christen und anderen verfolgten Minderheiten zu helfen, denn: Ägypten ist auf den Tourismus und auf internationale Geldgeber für die Entwicklung des Landes angewiesen. Dafür benötigt die ägyptische Regierung ein gutes Image im Ausland. Gleichzeitig setzt sie alles daran, Massaker wie in Al-Minya unter dem Deckel zu halten. Anschläge werden systematisch totgeschwiegen. Sickert doch etwas durch, sucht und findet man einen Sündenbock, der in die politische Agenda passt.
Wir alle können für die leidenden Christen einen Beitrag zur Besserung der Lebensumstände leisten, indem wir offen die himmelschreienden Ungerechtigkeiten anprangern und so politischen Druck aus dem Ausland erzeugen. Nur weltweite Aufklärung und Proteste veranlassen die ägyptische Regierung zu einem Kurswechsel.“
Hintergrund: Geschichte der Christen in Ägypten
Historiker gehen davon, dass der Apostel Petrus als Wegbegleiter Jesu nach Rom ging und das Christentum auf dem europäischen Kontinent verbreitete, der Apostel Markus, einer der vier wichtigen Evangelisten des Neuen Testaments, reiste nach Alexandria. Er gründete offenbar im Jahre 61 n. Chr. die erste christliche Gemeinschaft in Nordafrika, die heutige koptische Kirche. Das Christentum breitete sich in Nordafrika rasch aus. Viele pharaonische Tempel wurden zu Kirchen umfunktioniert. In den ersten knapp 700 Jahren unserer Zeitrechnung war Ägypten ein ausschliesslich christliches Land. Heute sind in Ägypten noch rund 2200 Kirchen und 55 Klöster vorhanden.
Nach dem Einfall der ersten Araber im siebten Jahrhundert begann in Ägypten die Unterdrückung und Verfolgung der Christen. Muslime zwangen Christen mit Gewalt zur Konvertierung zum Islam. Wer sich weigerte, musste mit üblen Konsequenzen rechnen: Beschlagnahmung von Hab und Gut, Sklaventum oder Tod. Erfolglos versuchten die Kreuzritter, den Christen beizustehen - und verbreiteten Ihrerseits Tod und Schrecken in der Region. Bis heute prägen die Kreuzzüge das Bild vieler Muslime von Christen.
„Die vollständige Islamisierung von Ägypten ist noch nicht abgeschlossen und geht bis auf den heutigen Tag blutig weiter“, schreibt der Unternehmer aus Kairo.