zum Hauptinhalt
Sachsen, Dresden: Michael Kretschmer, Ministerpräsident von Sachsen im Interview mit dem ZDF bei der Landtagswahl in Sachsen.
© Jan Woitas/dpa

Landtagswahl in Sachsen: So hält man die AfD auf Abstand

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hat eine Aufholjagd hingelegt, die Vorbild sein kann. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Werner van Bebber

Genauso geht Politik: Hingehen, zuhören, mit den Leuten diskutieren, auch wenn einem deren Sprüche nicht passen. Und dann handeln. Michael Kretschmer hat geschafft, wovon CDU-Parteifreunde in anderen Ländern träumen: Er hat die AfD auf Abstand gehalten. Er hat für seine Partei und für den Staat Vertrauen zurückgewonnen. Er hat gezeigt, wozu ein überzeugter Demokrat in der Lage ist.

Michael Kretschmers Vorteil: Er war seit Chemnitz im Wahlkampfmodus

Kretschmer, dieser jungenhaft wirkende Mann, hatte in diesem Wahlkampf vielleicht einen Vorteil: Der sächsische Ministerpräsident war im Grunde seit einem Jahr im Wahlkampfmodus, nämlich seit „Chemnitz“, eine Stadt, die zur Chiffre geworden ist. Eine Stadt, die im Sommer 2018 nach dem Mord an einem jungen Mann ein paar Wochenenden lang im Ausnahmezustand war, als grölende Rechtsradikale sich mit Polizisten prügelten.

Kretschmer verstand da, worum es ihm gehen musste. Nämlich darum, die Menschen für sein Verständnis von Politik zu gewinnen. Damals nahm er sich zweierlei vor: zu zeigen, dass der Staat und seine Institutionen von der Polizei bis zu den Gerichten handeln würden. Und: niemanden auszugrenzen, der sich nicht selbst ausgegrenzt hatte. Kretschmer sagte deutlich, dass er gewaltbereite Rechtsextreme für „die größte Gefahr“ für die Demokratie hält.

Und er sagte, dass mit Begriffen wie „Mob“ und „Pack“ jedes Gespräch endet. Er aber wolle herauskommen aus der Sprachlosigkeit. Das hat er geschafft – die CDU liegt in Sachsen laut der ersten Hochrechnung fünf Prozentpunkte vor der AfD.

In Sachsen steht eine schwierige Regierungsbildung bevor

Nun steht dem CDU-Mann mit dem selbstbewusst-sperrigen Staatsvolk eine schwierige Regierungsbildung vor. Denn 27,5 Prozent für die AfD bedeuten auch, dass ein kräftiges Viertel der Wählerschaft Kretschmers Angebot, die Sprachlosigkeit zu überwinden, nicht interessiert hat.

Und auch, wenn in den vergangenen Wochen (und in Sachsen vielleicht schon länger) viel über die Demokratie-Skepsis gesprochen worden ist, die unter Ostdeutschen umgeht, ist der AfD und zumal deren einflussreichen Rechtsaußen-Spielern mit etwas mehr Verständnis für ostdeutsche Empfindlichkeiten nicht beizukommen.

Auch das hat Kretschmer früh verstanden (und mit ihm auch ein Ingo Senftleben in Brandenburg): Es geht längst nicht mehr bloß darum, die Meinungsfreiheit hochzuhalten und auch denen zuzubilligen, deren Meinung linksliberale Bürger (und Medien) unappetitlich und engstirnig finden.

Der Staat, hat Kretschmer mal gesagt, müsse wieder „den Vorwärtsgang“ einlegen. Das beginnt damit, gesellschaftliche Gruppen oder ganze Landstriche nicht einfach aufzugeben nach dem Motto: zu wenig Wählerstimmen, zu wenig Relevanz. Deutschland hat inzwischen wirklich große Infrastruktur-Defizite.

[Lesen Sie mehr zu den Landtagswahlen in unserem aktuellen Newsblog.]

Davon wissen Landespolitiker oft mehr als die Bundesminister. Es wird höchste Zeit, dass Politik – etwa bei der digitalen Infrastruktur – nicht mehr länger Fünf-Jahres-Plänen schmiedet, sondern dass von einem auf das nächste Jahr erkennbar wird: Hier tut sich was. Michael Kretschmer hat gezeigt, wie das funktioniert: erstmal hingehen und zuhören.

Zur Startseite