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In den USA läuft die Impfkampagne auf Hochtouren. Aber es gibt Probleme bei der Nachfrage.
© imago images/ZUMA Wire

Setzen sie den Erfolg aufs Spiel?: So groß ist die Macht der Impfskeptiker in den USA

Die USA haben inzwischen mehr als genug Corona-Impfstoff. Aber es gibt viele Amerikaner, die den Schutz ablehnen. Und rechte Gruppen, die die Skepsis anfeuern.

Es sind widersprüchliche Meldungen, mit denen die Amerikaner in diesen Tagen konfrontiert werden. Einerseits weckt US-Präsident Joe Biden große Hoffnungen, wenn er, wie am Montag geschehen, verspricht, dass bis zum 19. April ganze 90 Prozent der Erwachsenen für eine Corona-Impfung infrage kommen werden.

Ähnlich ist es bei New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo der Fall, der ankündigte, dass sich alle Bürger ab 30 Jahren mit einem der drei zur Verfügung stehenden Mittel impfen lassen können. Eine Woche später seien sogar alle New Yorker ab 16 Jahren dran – das ist das derzeitige Mindestalter.

Die Kapazitäten sind also da, das Angebot stimmt. Doch mit der Nachfrage hakt es. Große Teile der Bevölkerung weigern sich bisher, sich impfen zu lassen. Bereits vor zwei Wochen brachte Biden sein Unverständnis darüber klar zum Ausdruck. „Ich verstehe diese Art von Macho-Verhalten einfach nicht, zu sagen: ,Ich werde den Impfstoff nicht nehmen, ich habe ein Recht als Amerikaner, die Freiheit, das nicht zu tun’“, sagte er im Sender ABC News.

Alle lebenden ehemaligen US-Präsidenten mit Ausnahme von Donald Trump warben Mitte März gemeinsam in einem Video für Impfungen.

Angesichts wieder steigender Infektionszahlen – am Montag wurden nach Zahlen der Johns-Hopkins-Universität in den USA binnen eines Tages 68.648 Neuinfektionen registriert, rund 17.000 mehr als am gleichen Tag in der Vorwoche – warnte die Chefin der Gesundheitsbehörde CDC, Rochelle Walensky, sie werde das Gefühl nicht los, dass Unheil nahe. Es gebe so viel, auf das man sich freuen könnte und so viel Grund zur Hoffnung. „Aber im Moment habe ich Angst.“

Mehrere Bundesstaaten heben Beschränkungen auf

Sorgen macht der Regierung, dass einige republikanisch regierte Bundesstaate die Maskenpflicht aufgehoben haben oder aufheben wollen und andere Öffnungsschritte eingeleitet haben. Auf den letzten, entscheidenden Metern der Pandemie könnte nun alles wieder aufs Spiel gesetzt werden, wird befürchtet.

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Sorgen bereitet der Regierung auch die hohe Zahl jener Menschen, die ein Impfangebot bisher nicht wahrnehmen wollen. Das Magazin „The Atlantic“ schrieb vor einer Woche: „Amerika ist nun in der Hand von Impfskeptikern.“ Zwar würden sich in Umfragen rund 60 Prozent der Amerikaner impfwillig zeigen. Aber unter den restlichen 40 Prozent seien neben Unentschlossenen viele Verweigerer. Die verorten sich politisch mehrheitlich bei der Republikanischen Partei.

Wann genau eine Herdenimmunität erreicht wird, ist nicht eindeutig geklärt. Aber es gibt Annäherungen: Für eine Rückkehr zur Normalität müssten 70 bis 85 Prozent der Bevölkerung geimpft sein, sagt Amerikas oberster Virologe Anthony Fauci. Damit haben die Impfskeptiker große Macht in der Frage, wie schnell die Vereinigten Staaten die Pandemie hinter sich lassen können.

Rechtsextreme verbreiten gezielt Falschinformationen

Gefährlich ist, dass die Impfgegner aus bestimmten Kreisen in ihrer Skepsis noch bestärkt werden. Nach einer Recherche der „New York Times“ streuen Rechtsextreme bewusst „apokalyptische“ Falschinformationen über die Gefährlichkeit der Impfstoffe.

Auf sozialen Plattformen wie Telegram verbreiteten sie Artikel und Videos, in denen die Impfstoffe als „Massenvernichtungswaffen“ bezeichnet würden, die die Menschheit „ausradieren“ könnten. Ärzte und Krankenschwestern, die Impfungen vornähmen, würden als „Kriegsverbrecher“ angeklagt werden.

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Auffällige Schnittmengen bei diesen Verschwörungstheoretikern gibt es dabei mit jenen Trump-Anhängern, die wochenlang den angeblichen Wahlbetrug propagierten und in den Angriff auf das Kapitol am 6. Januar verwickelt waren. Die Proud Boys sind ebenso dabei wie die Boogaloo-Bewegung und andere paramilitärische Gruppierungen. Auch Anhänger von QAnon, die bis zum 4. März behauptet hatten, Trump werde erneut die Macht übernehmen und seine Gegner würden ins Gefängnis wandern, verbreiten solche Thesen.

Das Ziel ist demnach das Gleiche: der aktuellen Regierung und dem Ansehen von Biden zu schaden. Kann die Herdenimmunität in absehbarer Zeit nicht erreicht werden und müssen Einschränkungen des öffentlichen Lebens aufrechterhalten werden, dann schwinde das Vertrauen in die Institutionen weiter, so das Kalkül.

Trump hatte sich selbst noch heimlich impfen lassen

Trump selbst immerhin hat sich vor zwei Wochen öffentlich positiv über das Impfen geäußert – nachdem er sich und seine Frau Melania noch heimlich hatte impfen lassen, bevor sie das Weiße Haus am 20. Januar verlassen mussten. Die Impfstoffe seien sicher und würden wirken, sagte er im Sender Fox News. Er würde diese vielen Menschen empfehlen, die es noch ablehnten, sich impfen zu lassen, worunter, wie er selbst zugab, viele seiner Anhänger seien.

Hoffnungen macht eine neue Umfrage, über die das „Wall Street Journal“ am Dienstag berichtete. Demnach zeigt die Werbekampagne der Regierung Wirkung. Die Zahl der Skeptiker sei selbst in konservativen Südstaaten wie Alabama, Louisiana, North und South Carolina deutlich zurückgegangen.

Besonders wichtig: Auch unter Afroamerikanern, die besonders hart von der Virus-Ausbreitung betroffen sind, aus historischen Gründen aber Massenimpfungen skeptisch gegenüberstehen, nimmt die Zahl jener zu, die sich impfen lassen wollen.

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