„Sea-Watch 3“-Kapitänin Rackete: So geht es für die Flüchtlingshelferin weiter
Besonders ein Manöver beim Anlegen könnte der Kapitänin zum Problem werden. Die Staatsanwaltschaft wirft Rackete Widerstand gegen ein Militärschiff vor.
Sie steuerte ihr Schiff „Sea-Watch 3“ mit 40 Flüchtlingen an Bord nach Italien, obwohl ihr dort eine Haftstrafe droht. Am Fall der deutschen Kapitänin Carola Rackete kristallisiert sich der EU-weite Streit über den Umgang mit schiffsbrüchigen Mittelmeer-Flüchtlingen.
Besonders in Deutschland sehen viele Menschen in ihr eine Heldin. Eine Spendenaktion der Fernsehmoderatoren Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf hat bereits mehr als 700.000 Euro eingebracht. Auch in Italien gibt es viel Solidarität, dort wurden mehr als 400.000 Euro eingesammelt.
Doch wie geht es nun mit Rackete weiter? Sie stand nach ihrer Festnahme auf der italienischen Insel Lampedusa über das Wochenende unter Hausarrest, dort war sie „bei einer sehr netten Dame untergebracht, die sich rührend um sie kümmert“, sagte ihr Vater Ekkehart Rackete dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Inzwischen befinde sie sich auf einem Schiff der italienischen Finanzpolizei auf dem Weg von Lampedusa in die sizilianische Stadt Agrigent, sagte ein Sea-Watch-Sprecher. Montagnachmittag kam sie zur Vernehmung vor einen Ermittlungsrichter. Er sollte entscheiden, ob der Hausarrest aufrecht erhalten bleibt.
Der italienische Regierungschef Giuseppe Conte sagte am Montag in Brüssel, Bundeskanzlerin Angela Merkel habe ihn auf die 31-Jährige angesprochen. „Ich habe ihr gesagt, dass sich in Italien wie (...) auch bei ihr in Deutschland die exekutive Macht von der gerichtlichen Macht unterscheidet.“ Er könne als Regierungschef nicht eingreifen und den Richtern ein Verhalten nahelegen. Der Fall „liegt in den Händen des Gerichts“, sagte Conte.
Rackete wird vernommen: Problematisches Manöver beim Anlegen
Schon bevor die Kapitänin einen italienischen Hafen angesteuert hatte, drohte ihr der rechtspopulistische Innenminister Matteo Salvini, dass sie bestraft werden würde, wenn sie anlegt. Ihr droht nun eine Anklage wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung und Verletzung italienischer Hoheitsgewässer.
Zudem könnte Rackete ein Manöver während der Einfahrt in den Hafen von Lampedusa zum Problem werden. Ein Polizeiboot hatte versucht, sie daran zu hindern. Die Kapitänin hielt dennoch Kurs, das Boot der Behörden musste ausweichen. Auch widersetzte sie sich Anweisungen der italienischen Behörden.
Die Staatsanwaltschaft wirft Rackete nach Angaben ihres Anwalts Widerstand gegen ein Militärschiff und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vor. Ihr könnte auch eine Anklage wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung und im schlimmsten Fall Haft drohen.
Rackete selbst verteidigte ihr Vorgehen. Es sei „kein Akt der Gewalt, sondern nur des Ungehorsams“ in einer verzweifelten Situation gewesen, sagte sie der Zeitung „Corriere della Sera“. Sie habe das Polizeiboot sicher nicht rammen wollen. „Ich hatte nicht die Absicht, irgendjemanden in Gefahr zu bringen“, sagte sie und bat um Entschuldigung.
Sie habe sich kriminell verhalten, sagte dagegen Salvini zu dem Manöver. Wegen der Aktion könnte Rackete zusätzlich wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und Verletzung von internationalem Seerecht angeklagt werden. Ihr drohen laut italienischen Medien bis zu zehn Jahre Haft.
Wie es langfristig für Sea-Watch weitergeht, ist unklar. Vorerst verliert die Organisation ihr Rettungsschiff – nicht das erste Mal. Am Samstag wurde es aus dem Hafen von Lampedusa gefahren und sollte dem Innenminister zufolge in einen anderen Hafen gebracht werden.
Viel Unterstützung für Rackete aus Deutschland
Von der deutschen Politik bekam Rackete viel Beistand. Sowohl Außenminister Heiko Maas als auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier stellten sich am Wochenende auf ihre Seite und forderten von den italienischen Behörden eine schnelle Klärung. Auch von Seiten der Wirtschaft gab es Solidarität. Siemens-Chef Joe Käser twitterte: „Menschen, die Leben retten, sollten nicht festgenommen werden. Menschen, die töten, die Hass und Leid säen und fördern, sollten es.“
Von der AfD dagegen kam Kritik an der Kapitänin. Beatrix von Storch sprach mit Bezug auf Rackete von „Asylmissbrauch“. Sie ergänzte: „Der Unterschied zwischen dem nächstgelegenen afrikanischen Hafen und Lampedusa ist der Unterschied zwischen Seenotrettung und Schlepperei.“
Diese Schlussfolgerung ist allerdings sehr umstritten: Laut internationalem Seerecht muss man Schiffbrüchige in den nächsten sicheren Hafen bringen. Aus Sicht der Rettungsorganisationen und vieler Seerechtler ist das Bürgerkriegsland Libyen nicht sicher für Migranten, und darf deshalb nicht angesteuert werden. (mit dpa)