Amerikas Evangelikale: So beeinflussen christliche Zionisten Trumps Außenpolitik
Ob Verlegung der US-Botschaft, Akzeptanz der Siedlungen oder Konfrontation mit dem Iran: Konservative Christen prägen die US-Nahostpolitik.
Alle Juden sollen nach Israel kommen, in das von Gott verheißene Land. Sie sollen es besiedeln. Der Staat soll stark und mächtig sein. Das satanische Regime in Iran, das Israel vernichten will, muss gestürzt werden. Wenn all das geschieht, erfüllen sich die Prophezeiungen, und der Messias wird wieder auf die Erde kommen, nach Jerusalem. Alle Christen haben die Pflicht, an dieser zweiten Ankunft mitzuwirken. Denn die Wiederkehr des Erlösers läutet die Endzeit ein, den tausendjährigen Frieden.
Das ist der Kern des Glaubens christlicher Zionisten. Rund 30 Millionen gibt es in den USA. Einige sind auch davon überzeugt, dass die Juden zum Christentum konvertieren müssen, bevor der Messias zurückkommt.
In den USA wurde im Jahr 2006 von konservativen Evangelikalen die „Christians United for Israel“ (CUFI) gegründet. Inzwischen hat die Organisation sieben Millionen Mitglieder, das entspricht ungefähr der Zahl der amerikanischen Juden. Vizepräsident Mike Pence und Außenminister Mike Pompeo sind die prominentesten Evangelikalen in der US-Administration. Sie sind enge Verbündete der CUFI.
Pence und Pompeo hatten auf Präsident Donald Trump eingewirkt, aus dem Atomabkommen mit dem Iran auszusteigen, die amerikanische Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, Israels Siedlungen anzuerkennen und den iranischen Topgeneral Soleimani töten zu lassen. Wer Trumps Nahostpolitik verstehen will, muss sich mit dem Phänomen des christlichen Zionismus beschäftigen.
Sie verehren Trump wie einen Heiligen
Evangelikale Christen, die eine wörtliche Auslegung der Bibel propagieren, sind die größte und einflussreichste Religionsgemeinschaft in den USA. Viele von ihnen verehren Trump wie einen Heiligen, sie sind seine treuesten Wähler.
Im Gegenzug ernennt er streng konservative Verfassungsrichter und hält als erster US-Präsident die Rede bei einer Großdemonstration von Abtreibungsgegnern. Trumps Charakterdefizite nehmen die Evangelikalen in Kauf. Keiner seiner Vorgänger stand ihnen und ihren Anliegen näher.
Paula Michelle White-Cain ist Trumps persönliche Pastorin. Er kontaktierte die charismatische Tele-Evangelistin im Jahre 2003, seitdem sind sie befreundet. Im November machte er sie zur Religionsbeauftragten im Weißen Haus, außerdem gehört sie dem Kreis seiner geistlichen Berater an.
Trumps Gegner, sagt White-Cain, gehörten zu einem „dämonischen Netzwerk, das im Namen Jesu zerschlagen werden“ müsse. Der Präsident selbst sei dagegen von Gott geschickt worden. „Ich erkläre, dass es der Wille Jesu Christi war, dass Trump im Amt ist und 2020 erneut gewinnen wird.“
"Eine zynische Form gegenseitiger Ausbeutung“
Auch Robert Jeffress ist ein rechter, zionistischer Evangelikaler. Bei einem privaten Gottesdienst am Tag der Amtseinführung Trumps hielt er die Predigt, bei der Eröffnung der amerikanischen Botschaft in Jerusalem sprach er ein Gebet.
In Bezug auf Israel „steht Trump fest an deiner rechten Seite, Gott“, sagte er. Allerdings vertritt der Pastor aus Texas auch die Überzeugung, dass Juden nur erlöst werden können, wenn sie zum Christentum übertreten. Von John C. Hagee, dem Gründer der CUFI, ist gar der Satz überliefert, Hitler sei ein Teil von Gottes Plan gewesen, die Juden nach Israel zurückzuführen.
Trump und die Evangelikalen: Viele Jugendliche stößt dieses Bündnis ab. Kulturell unterstützen sie mehrheitlich die Ehe für alle, die Sterbehilfe, das Recht auf Abtreibung, eine multikulturelle Gesellschaft, und sie demonstrieren für eine Einschränkung des Rechts auf Waffenbesitz.
Folglich wenden sie sich von den konservativen Klerikern ab. Diese wiederum werten den Mitgliederschwund als weiteren Beweis für die Macht eines Werterelativismus, der sämtliche Traditionen zerstören will.
Vom liberalen Zeitgeist bedroht?
Trump und die christlichen Zionisten: Kritiker sprechen von einer „zynischen Form gegenseitiger Ausbeutung“: Der Staat Israel werde durch die Erlösungssehnsucht radikal rechter Christen instrumentalisiert, von denen einige nicht frei von antisemitischen Einstellungen sind; das wiederum lässt sich die israelische Regierung gefallen, weil sie hofft, dadurch Einfluss im Weißen Haus zu haben, und weil Amerikas Evangelikale die größte Touristengruppe in ihrem Land sind.
Amerikas Evangelikale lieben Trump. Er gibt ihnen eine ideologische Stärke zurück, die sie vom liberalen Zeitgeist bedroht sehen. Das Verhältnis zu Israel betrachten sie als spirituellen Teil ihres Kampfes. Ob diese Fixierung am Ende zum Wohle Trumps, der Christen und des Staates Israel ist – daran lässt sich zweifeln.