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Den Rechten den Stinkefinger - Sigmar Gabriel bei einer Wahlkampfveranstaltung in Salzgitter.
© Facebook
Update

Bei Wahlkampfveranstaltung in Salzgitter: Sigmar Gabriel zeigt Neonazis den Stinkefinger

Rechte "Demonstranten" haben einen Auftritt von Sigmar Gabriel gestört und mit Parolen auf dessen Vater verwiesen, der Nationalsozialist war. Eine linke Gruppierung lobt den SPD-Mann für den Stinkefinger.

Der ausgestreckte Mittelfinger hat bei der SPD ja schon fast Tradition und ist eigentlich als ein Markenzeichen von Peer Steinbrück bekannt. Nun hat sich der aktuelle Parteichef und Wirtschaftsminister dieses Mittels bedient. Während sich Steinbrück 2013 mit Stinkefinger auf dem Cover des „SZ-Magazins“ ablichten ließ, war es bei Gabriel eine spontane Reaktion. Der Vizekanzler hatte am Freitag im niedersächsischen Salzgitter einen Wahlkampfauftritt und sich soeben mit einem syrischen Flüchtling im Rosengarten unterhalten, als rund 20 Rechte die Veranstaltung störten. Sie waren mit Masken in Deutschlandfarben vermummt und beschimpften Gabriel unter anderem als „Volksverräter“.

Am Dienstag veröffentlichte die linke Gruppierung „Antifa Kampfausbildung e. V.“ ein Video des Vorfalls. Darauf ist zu sehen, wie Gabriel mit einem müden Lächeln auf die rechten Störer reagiert, erst abwinkt, ihnen dann den „Stinkefinger“ zeigt und sich schließlich abwendet. "Mensch, dein Vater hat sein Land geliebt. Und was machst du? Du zerstörst es“, hatten die Rechten zuvor gerufen. „Ihr Kommunisten, Kulturmarxisten!“, grölten sie weiter.

Das Video war zuvor auf der Facebook-Seite der „Jungen Nationaldemokraten Braunschweig“ - einer Gruppe der Jugendorganisation der rechtsextremen NPD - gestellt worden. Die "JN Braunschweig" hatte am 13. August geschrieben: "Der (fast-) Sonderschüler Sigmar Gabriel hat gestern in Salzgitter genervt. Grund genug den Experten mal besuchen zu gehen." Wenig später folgte das Video.

Die „Antifa Kampfausbildung e. V.“ nahm am Freitag noch einmal Stellung dazu, warum sie das Video von einer rechten Seite verwendet hat: "Zum einen wurden im Laufe der letzten Monate Videos immer wieder im Original gelöscht, was bei einigen Perlen der rechtsgerichteten Videokunst ein Jammer ist. Zum anderen erlaubt dies nichtrechten Seiten ein Teilen des Videos, ohne Rassist*innen Reichweite zu geben - bei gleichzeitiger Ausblendung von rechter Eigenwerbung." Das Video wurde leicht bearbeitet, so etwa der Mittelfinger wiederholt und rechtsextreme Symbole entfernt beziehungsweise ersetzt.

Gabriels Vater war ein überzeugter Nationalsozialist, der Sohn hatte den Kontakt abgebrochen. Ein Versuch der Aussprache war 2005 erfolglos geblieben, weil der Vater sich weigerte und an seinen ideologischen Überzeugungen festhielt. Aus jeder Zeit sei „ein fast unbändiger Zorn“ übrig geblieben, hatte Gabriel 2013 einmal „Der Zeit“ gesagt.

SPD-Kreise bestätigten den Vorfall in Salzgitter am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur und erklärten, Gabriel sei am Rande einer Wahlkampfveranstaltung von offensichtlich gewaltbereiten Neonazis angepöbelt worden. Auf der Facebook-Seite der „Antifa Kampfausbildung“ heißt es weiter, die Rechten hätten mit der Parole „Wer hat uns verraten? Die Sozialdemokraten!“ einen Slogan der Linken geklaut und verwendet. „Gabriel ist für eine ganze Menge zu kritisieren, wirklich. Waffenexporte, unsoziale Politik und so weiter. Aber: Hier ist er stabil und antwortet auf die einzig richtige Art und Weise“, heißt es als Statement zu dem Video. Das kommt nicht bei allen Linken gut an. Zwar sei es immer lobenswert, den Rechten Stirn zu bieten und den Stinkefinger zu zeigen. Jedoch gibt es auch Kommentare wie: „Ich bin entsetzt, wie die Antifa das ‚System‘ stützt.“

Die Polizei in Salzgitter konnte elf Personen aufgreifen und deren Identität feststellen. Man habe einen Platzverweis ausgesprochen und die Personen "kontrolliert aus der Stadt begleitet", die allesamt nicht aus Salzgitter stammen. Es läuft ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz.

Gabriel war in den vergangenen Monaten durch seine Positionierung in der Asyldebatte verstärkt ins Visier von Rechten geraten. Im vergangenen Sommer hatte der SPD-Chef etwa die Ausschreitungen in einer Flüchtlingsunterkunft im sächsischen Heidenau scharf verurteilt und die Verantwortlichen als „Pack“ bezeichnet. In der Folge gingen massenhaft rassistische Hassmails, beleidigende Anrufe und Drohungen in der SPD-Zentrale ein. (mit dpa)

Robert Klages

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