Hamburg nach der Wahl: Sigmar Gabriel muss Olaf Scholz nicht fürchten
Olaf Scholz galt als langweilig, als Scholzomat. Jetzt wird er für dieselben Eigenschaften gefeiert. Das ist ein Problem für den SPD-Chef. Aber kein ganz großes. Ein Kommentar.
Es ist ein Spiel, das Sigmar Gabriel schon lange kennen müsste: Kaum hat eine Sozialdemokratin oder ein Sozialdemokrat in einem Bundesland Erfolg, schon wird sie oder er in den Medien als die nächste Kanzlerkandidatin oder der nächste Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten gehandelt – ein Job, auf den traditionell der Parteivorsitzende das erste Zugriffsrecht hat. Es ist noch nicht lange her, dass die nordrhein-westfälische Regierungschefin Hannelore Kraft als die aussichtsreichste Herausforderin von Angela Merkel gefeiert wurde. Und nun ist Olaf Scholz an der Reihe, der zwar die absolute Mehrheit in Hamburg knapp verfehlt hat, mit seinen fast 50 Prozent aber im Norden Stimmenanteile geholt hat, von denen seine Partei bundesweit nur träumen kann.
Dabei muss Gabriel den Hanseaten Scholz machtpolitisch gar nicht fürchten – zumindest nicht bei der nächsten Bundestagswahl im Jahr 2017. Denn seine Partei hält eine große Emotionale Distanz zu dem Hamburger – ein Drittel der Delegierten verweigerte ihm vor eineinhalb Jahren auf dem Parteitag in Leipzig ihre Stimmen bei der Wiederwahl zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden.
Früher galt Olaf Scholz als langweilig, heute wird er für dieselben Eigenschaften gefeiert
Dazu kommt, dass Scholz zu intelligent ist, um sich schon in zwei Jahren in einem aus heutiger Sicht aussichtslosen Rennen gegen die Dauer- und Krisenkanzlerin verheizen zu lassen – diese Aufgabe überlässt er gerne Sigmar Gabriel. Der leidet trotzdem unter den Gedankenspielen und dem Vergleich mit dem Triumphator aus der Hansestadt. Denn dessen Erfolg hängt stark zusammen mit der Ruhe, Stetigkeit und Verlässlichkeit, mit der er Politik betreibt. Früher galt das bei Scholz als langweilig – Stichwort „Scholzomat“ -, inzwischen werden dieselben Eigenschaften als Garanten seines Sieges gefeiert.
Das ist schmerzlich für den Vizekanzler und Parteichef, dessen emotionale, sprunghafte und manchmal unberechenbare Art Politik zu betreiben in jüngster Zeit – Stichwort Pegida – in den eigenen Reihen wieder für großen Unmut sorgte. Bei dem Versuch, erst seine eigene Partei und dann auch die Deutschen davon zu überzeugen, dass man ihm vertrauen kann, ist Gabriel dadurch um mehr als ein Jahr zurückgeworfen worden auf die Zeit vor der Bundestagswahl. Für den SPD-Chef lautet die Losung: Gehe zurück auf Los und ziehe keine 4000 Euro ein.