Attacke gegen Angela Merkel: Sigmar Gabriel mit neuen Vorwürfen in BND-NSA-Affäre
Sigmar Gabriels Attacken auf Angela Merkel in der BND-Affäre verdunkeln die Stimmung in der großen Koalition. Doch offenen Streit will niemand - noch nicht.
Zum Wesen der Polit-Affäre gehört der gewundene Satz, die BND-NSA-Geschichte macht da keine Ausnahme. Umso mehr fällt es auf, wenn jemand plötzlich geradeaus redet. Ob es nicht einen eklatanten Vertrauensbruch bedeute, wenn der Vizekanzler und SPD-Vorsitzende aus vertraulichen Gesprächen mit der Kanzlerin berichte, wird Gerda Hasselfeldt am Dienstag gefragt. Die CSU-Landesgruppenchefin überlegt keine Sekunde: „Das ist eine Angelegenheit, die die beiden unter sich klären müssen.“ Mit anderen Worten: Den Teufel werd’ ich tun, da auch noch Öl ins Feuer zu gießen.
Tatsächlich sind sie in der Union schon ziemlich sauer über den Koalitionspartner. Dass ein approbierter Krawallmacher wie der SPD-Vize Ralf Stegner versucht, die Geheimdienst-Affäre der CDU und ihrer Kanzlerin anzuhängen, wäre noch als normales Geschäft durchgegangen. Als aber vor Kurzem der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil lospolterte („Stück aus dem Tollhaus“), wurden manche in CDU und CSU schon aufmerksam. Den Niedersachsen geht die Sache zuständigkeitshalber nichts an. Er gilt in Berlin aber als Sprachrohr seines Landsmanns Sigmar Gabriel.
Als der dann am Montag öffentlich machte, dass Angela Merkel ihm versichert habe, es habe keine Wirtschaftsspionage des US-Geheimdiensts mithilfe der deutschen Kollegen gegeben, rundete sich das Bild einer gezielten Kampagne. Sie passt zu dem ohnehin strapazierten Koalitionsklima nach dem gescheiterten Gipfel vor einer Woche, bei dem Unionsteilnehmer bereits den Eindruck hatten, die SPD habe etwa beim Mindestlohn gezielt auf Konflikt geschaltet.
Und Gabriel legte sogar nach: Es sei seine Aufgabe, in der BND-Affäre bei denen nachzufragen, die es wissen müssen. Die seien „seit zehn Jahren verantwortlich“, sagte Gabriel am Dienstagabend nach Teilnehmerangaben in der Fraktionssitzung mit Blick auf die Union und Merkels Kanzlerschaft. Er wolle verhindern, „dass die SPD in diesen Sumpf hineingezogen wird“, sagte Gabriel. Es gehe um eine Abgrenzung von der Union in dieser Sache. Das sei aber kein Strategiewechsel für das Agieren der Sozialdemokraten in der großen Koalition, habe er betont.
Trotzdem fielen die amtlichen Reaktionen der Union am Dienstag vergleichsweise moderat aus. Der Fraktionsgeschäftsführer der Union, Michael Grosse-Brömer, schimpft zwar ausgiebig über eine „hysterische“ Opposition, die gleich Rücktritte fordere und erst dann überlege, „ob es auch Gründe dafür geben könnte“. Aber die Attacken des Koalitionspartners stufen Grosse-Brömer und Hasselfeldt zu einer Art polit-psychologisch erklärbarer Übersprungshandlung herab.
„Der eine oder andere Sozialdemokrat, der stellt vielleicht fest, dass die Umfragewerte nicht steigen“, räsoniert Grosse-Brömer; er glaube aber nicht, dass sich das Thema eigne, daran etwas zu ändern. Und übrigens basiere die enge Zusammenarbeit zwischen US- und deutschem Geheimdienst bekanntlich auf einem Memorandum, das die Unterschrift des damaligen Kanzleramtschefs Frank- Walter Steinmeier trage – „ich sag’ mal, das Steinmeier-Papier“.
"Schlechter Stil", "peinliches Manöver"
„Das Ganze riecht schon sehr nach Nervosität“, merkt auch CSU-Frau Hasselfeldt an, will allerdings damit niemanden persönlich gemeint haben. Selbst CSU- Generalsekretär Andreas Scheuer bleibt für Münchner Verhältnisse moderat: „schlechten Stil“ wirft er Gabriel vor und „ein peinliches Manöver in der SPD-Umfragedepression“.
Das Motto heißt also erkennbar: Luft rauslassen. Dazu passt, dass die Koalition (auf Vorschlag der Union) für Mittwoch eine Aktuelle Stunde im Bundestag beantragt hat. „Linke und Grüne hätten die auch gerne beantragt, aber die brauchen wir nicht“, ätzt Grosse-Brömer, „das machen wir alles selbst.“
Seine Fraktion ist es schließlich auch langsam leid, sich von politischen Gegnern prügeln zu lassen für etwas, was sich womöglich am Ende als gar nicht so brisant entpuppt. Was zum Beispiel die Berge von Post angeht, in denen Gabriel zufolge die Wirtschaft sich beim Wirtschaftsminister über Wirtschaftsspionage sorgt, ist in der Unionsfraktion nichts dergleichen zu verzeichnen. „Ich weiß nicht, was sich bei ihm stapelt“, sagt Hasselfeldt, „bei mir stapeln sich die Beschwerden über den Mindestlohn.“
Auch die SPD machte am Tag nach Gabriels Vorstoß deutlich, dass sie den Streit mit dem Koalitionspartner nicht eskalieren lassen will. Statt über Differenzen zur Union redete Fraktionschef Thomas Oppermann über Gemeinsamkeiten. „Sie sehen doch an meinen Ausführungen, dass wir absolut unaufgeregt diese Sache angehen“, meinte er und fügte hinzu: „Ich bin mir ganz sicher, dass alle ein gemeinsames Interesse an der Aufklärung so schwerwiegender Vorwürfe haben.“