Newsblog zu Flüchtlingen: Sigmar Gabriel kritisiert EU-Flüchtlingspolitik als "blamabel"
In München sind Hunderte Flüchtlinge per Zug angekommen. Im Bundestag gibt es am Mittwoch eine Sondersitzung des Innenausschusses. Und Sigmar Gabriel findet mal wieder deutliche Worte. Alle Entwicklungen im Newsblog.
- Christian Tretbar
- Matthias Schlegel
- Anke Myrrhe
- Thomas Loy
- Ingo Salmen
- Kai Portmann
- Torben Waleczek
Die Debatte um den richtigen Umgang mit den Flüchtlingen geht weiter. Der sächsische Landtag befasst sich in einer Sondersitzung mit der Flüchtlingspolitik, in München und Berlin kommen Züge aus Ungarn mit Flüchtlingen an. Die ungarische Polizei hatte sich am Montag zunächst vom größten Budapester Bahnhof zurückgezogen und so die Abreise von Flüchtlingen ermöglicht. Am Dienstag sperrte die Polizei den Bahnhof. Alle Entwicklungen hier im Newsblog:
Schleuser bringt Flüchtlinge in Lebensgefahr: Die Polizei in Niederbayern sucht nach einem Schleuser, der acht Flüchtlinge auf der Autobahn 3 in Lebensgefahr gebracht hat. Der Mann sei am Dienstag mit einem Wagen auf der Überholspur bei Passau gefahren, als er in eine Polizeikontrolle geriet. Daraufhin löste der Fahrer eine Vollbremsung aus und rannte über die Mittelleitplanke und die Gegenfahrbahn in einen Wald. Die acht Flüchtlinge ließ er im Wagen auf der Überholspur zurück. „Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn nachfolgende Verkehrsteilnehmer nicht rechtzeitig reagiert hätten“, teilte die Polizei mit.
Sigmar Gabriel kritisiert EU-Flüchtlingspolitik als "blamabel": Vize-Kanzler Sigmar Gabriel hat massive Kritik am Verhalten einiger EU-Partnerländer in der Flüchtlingskrise geübt. Es gehe nicht an, dass vor allem drei Länder, darunter Deutschland, den Großteil der Menschen aufnähmen, sagte der SPD-Politiker am Dienstag bei einer Diskussionsveranstaltung in Köln. Die Europäische Union gebe ein Bild ab, das "superpeinlich und blamabel" sei. Es sei problematisch, dass einige Länder bei Projekten in Europa mitmachten, wenn es Geld gebe, aber nicht, wenn es schwierig werde.
Innenausschuss befasst sich mit Flüchtlingskrise: Der Innenausschuss des Bundestages berät am Mittwoch in einer Sondersitzung über den Umgang mit der rasant wachsenden Zahl an Flüchtlingen in Deutschland. Erwartet wird dazu auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Der Bund rechnet in diesem Jahr mit insgesamt rund 800 000 Asylbewerbern in Deutschland. Das wären viermal so viele wie im vergangenen Jahr.
Modemesse Bread & Butter will helfen: Ende der Woche will der Berliner Senat entscheiden, ob Asylbewerber im alten Flughafen Tempelhof untergebracht werden können. Dort findet auch eine der international bekanntesten Messen der Stadt statt: Die Bread & Butter. Bei Zalando – die Modehändler hatten das Messe-Unternehmen kürzlich übernommen – bereitet man sich nun auf verschiedene Szenarien vor. „Angesichts der Herausforderungen soll die nächste Bread & Butter im Zeichen der Flüchtlingshilfe stehen“, sagte Zalando-Sprecher René Gribnitz. „Und zwar unabhängig davon, was genau der Senat zu Tempelhof entscheidet.“
Der lange Weg der Flüchtlinge: In Budapest wird der Bahnhof für sie gesperrt, in Wien wollen sie nicht bleiben. Die Menschen wollen nur zum Zug, der sie nach München bringt. Unsere Autoren waren an allen drei Orten - lesen Sie ihre Eindrücke in dieser Reportage.
Keine neuen Schulden trotz Flüchtlingskrise: Die hohe Zahl an Flüchtlingen stellt Bund, Länder und Kommunen vor finanzielle Herausforderungen. Dennoch schließt die Union neue Schulden des Bundes aus. Eckhardt Rehberg, haushaltspolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag, sagte, im laufenden Jahr gebe es finanzielle Spielräume, mit denen ein Teil der notwendigen Kosten gestemmt werden könne. "Dabei muss klar sein, dass zusätzliche Bundesmittel auch bei den entsprechenden Kostenträgern ankommen." Zudem müsse den Bürgern signalisiert werden, dass trotz der Herausforderungen bei der Flüchtlingspolitik andere wichtige Projekte - etwa in der Verkehrs-, Umwelt- oder Bildungspolitik - nicht aufgegeben würden. Richtschnur der Haushaltspolitiker sei aber, dass der Bund keine neuen Schulden aufnehmen wolle. Die Beratungen des Bundestages über den Etat des Bundes für 2016 beginnen in der nächsten Woche mit der ersten Lesung.
Dramatische Lage in Griechenland: Nach vorläufigen Daten der EU-Grenzschutzagentur Frontex trafen in Griechenland allein vergangene Woche mehr als 23.000 Bootsflüchtlinge ein. Auf der Insel Lesbos harren seit Tagen mehr als 15.000 Flüchtlinge aus - und jeden Tag kommen Hunderte hinzu.
Hilfsbereitschaft in München groß: Die Polizei in München ist überwältigt von der Hilfsbereitschaft der Bürger für die Flüchtlinge.
Sachsens Regierungschef: Eine enthemmte Minderheit besudelt unser Land: Nach den Ausschreitungen gegen Flüchtlingsunterkünfte in Sachsen hat Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) einen "Aufstand aller" gegen Gewalt und Fremdenhass gefordert. "Eine enthemmte Minderheit besudelt und beschämt unser ganzes Land", sagte Tillich am Dienstag in einer Sondersitzung des Landtages in Dresden. Nicht nur die gewalttätigen Extremisten, sondern auch diejenigen, die "mitgelaufen" seien, "haben unsere Grundordnung verlassen und den gesellschaftlichen Frieden bedroht". Die Sondersitzung des Parlaments war nach den rechten Ausschreitungen in Heidenau von der Landesregierung sowie von den Fraktionen der Grünen und Linken beantragt worden. In der sächsischen Kleinstadt hatten vor anderthalb Wochen Rechtsextreme vor einer Flüchtlingsunterkunft randaliert. Mehr als 30 Polizisten wurden verletzt. Auf der anderen Seite demonstrierten viele Menschen ihre Solidarität mit den Asylbewerbern; sie veranstalteten vergangene Woche unter anderem ein Willkommensfest für die Flüchtlinge.
Flüchtlingsstrom in München ebbt ab: Nachdem in der Nacht zu Dienstag in Bayern Tausende Flüchtlinge in Zügen angekommen waren, ging die Zahl der eintreffenden Flüchtlinge am Münchner Hauptbahnhof zur Mittagszeit zurück. Den letzten beiden Zügen aus Salzburg und Budapest entstiegen je weniger als ein Dutzend Menschen, die von der Polizei zur Ersterfassung für Flüchtlinge gebracht wurden. In der österreichischen Hauptstadt Wien kontrollierte die Polizei am Westbahnhof die in Zügen aus Budapest ankommenden Flüchtlinge nicht. Eine Kontrolle sei auch künftig nicht vorgesehen, da der Polizei schlichtweg das Personal dafür fehle, sagt ein Polizeisprecher.
Ungarn will Konsultationen mit EU-Spitzen: Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hat ein Krisen-Treffen mit den EU-Spitzen angekündigt, um über das Thema Flüchtlinge zu beraten. Er werde am Donnerstag mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, EU-Ratspräsident Donald Tusk und dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, beraten, heißt es auf der Internetseite der Budapester Regierung. Die EU-Kommission bestätigte ein Treffen Junckers mit Orban am Donnerstag in Brüssel.
Bayern eröffnet Aufnahmezentrum für Balkan-Flüchtlinge: Bayerns Sozialministerin Emilia Müller (CSU) hat am Dienstag das bundesweit erste Aufnahmezentrum speziell für Balkan-Flüchtlinge eröffnet. In einer ehemaligen Kaserne am Rande von Manching bei Ingolstadt sollen 500 Flüchtlinge aus Südosteuropa untergebracht werden, die zumeist keinerlei Chance auf ein Bleiberecht in Deutschland haben. Insgesamt sollen rund 1500 Balkan-Flüchtlinge im Raum Ingolstadt zusammengefasst werden, und zwar an drei Standorten. Alle zuständigen Behörden arbeiteten hier eng zusammen, um die Verfahren in maximal vier bis sechs Wochen abwickeln zu können, sagte Müller. Abgelehnte Asylbewerber sollen dann so schnell wie möglich wieder in ihre Heimat zurückgeschickt werden.
Deutschland hält an Dublin-Regeln fest: Die Bundesregierung hält weiter an den europäischen Asylregeln fest. "Deutschland hat Dublin nicht ausgesetzt", sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Dienstag in Berlin. Dies sei geltendes Recht in Europa. Asylbewerber müssten in dem Land registriert werden, in dem sie die Europäische Union betreten hätten. Wer also nach Ungarn komme, müsse sich vor Ort registrieren lassen und dort das Asylverfahren durchlaufen.
Bundesagentur für Aussetzung der Vorrangprüfung: Asylbewerber sollen nach einem Vorschlag der Bundesagentur für Arbeit (BA) künftig auch ohne die sogenannte Vorrangprüfung in Deutschland arbeiten dürfen. Die Regelung, die bisher Deutsche und EU-Bürger bei der Vergabe von Jobs gegenüber Asylsuchenden bevorzugt, solle für zwei Jahre ausgesetzt werden, schlug BA-Chef Frank-Jürgen Weise am Dienstag in Nürnberg vor. Einen entsprechenden Vorstoß habe er am Montag mit dem Bundesinnenministerium erörtert. „Ich erwarte, dass im Laufe des Septembers Rahmenbedingungen für die Beschäftigung von Asylbewerbern geschaffen werden“, sagte Weise. Er begründete seinen Vorschlag mit der guten Arbeitsmarktsituation und der Vielzahl offener Stellen. Bei der Vorrangprüfung wird ermittelt, ob sich nicht auch ein geeigneter Kandidat mit deutschem oder EU-Pass für eine Stelle findet, auf die sich ein Asylbewerber bewirbt. Erst nach 15 Monaten Aufenthalt in Deutschland fällt diese Prüfung weg.
Weitere Flüchtlinge eingetroffen: Am Münchner Hauptbahnhof treffen weiter Züge mit Flüchtlingen an Bord ein. Um kurz vor 11 Uhr kommen an die 200 Menschen von Budapest und Wien aus in der bayerischen Hauptstadt an. Dort werden sie von der Polizei vom Bahnsteig bis zur nahegelegenen Ersterfassungsstelle eskortiert. Danach werden sie mit Bussen in verschiedene Erstaufnahmeeinrichtungen gebracht. Für die Mittagszeit ist ein weiterer Zug mit 150 Flüchtlingen angekündigt.
"Deutschland, Deutschland"-Rufe: In Ungarn hoffen die Flüchtlinge auf deutsche Unterstützung - und auf Angela Merkel. Laut einem CNN-Reporter vor Ort rufen die aus dem Bahnhof gedrängten Flüchtlinge in Budapest: "Merkel, Merkel" und "Germany, Germany".
Überblick: Auf unserer Überblickseite zum Thema Flüchtlinge finden Sie Hintergründe, Analysen, Kommentare und Interviews. Hier gelangen Sie zur Sonderseite.
Bis zu 3,3 Milliarden Euro höhere Sozialkosten für Flüchtlinge: Zur Deckung der Sozialausgaben für Flüchtlinge und ihre Integration in den Arbeitsmarkt sind im kommenden Jahr laut Bundesregierung zusätzliche Mittel von 1,8 bis 3,3 Milliarden Euro nötig. Diese Kosten würden auf rund 7 Milliarden Euro im Jahr 2019 anwachsen, sagte Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) am Dienstag in Berlin. Zwischen 240.000 und 460.000 zusätzliche Leistungsberechtigte im Bereich des Sozialgesetzbuches II werde es 2016 geben, also vor allem in Deutschland anerkannte Menschen, die noch keine Arbeit gefunden haben. Von ihnen dürfen der Prognose zufolge 175.000 bis 335.000 erwerbsfähig sein. Für 2019 geht Nahles von einer Million Leistungsberechtigten aus. „Wir werden davon auch etwas haben“, betonte Nahles. „Denn wir sind auf Zuwanderung angewiesen.“ Schon heute sei in manchen Regionen ein Mangel an Fachkräften deutlich zu spüren.
Österreich kritisiert Ungarns Flüchtlingspolitik: Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hat die Flüchtlingszüge aus Ungarn nach Deutschland kritisiert. "Es ist unverantwortlich, Dublin nicht wahrzunehmen im Sinne, die Registrierung einfach auszusetzen", sagt er. Ob Ungarn Aussagen aus Deutschland missverstanden habe, wonach die Bundesrepublik Flüchtlinge aufnehme und nicht mehr wie im Dublin-Abkommen vorgesehen in ihr EU-Ankunftsland zurückschicke, sei unklar. "Ich weiß nicht, ob das ein Missverständnis war, oder Absicht." Nach vorübergehender Sperrung wurde am Dienstagmittag der Ostbahnhof in Budapest wieder für den Zugverkehr freigegeben. Die davor wartenden Migranten dürfen aber nicht in das Gebäude, meldete die Nachrichtenagentur MTI.
Hilfe für Ankommende: In München treffen Züge aus Budapest ein, in denen zahlreiche Flüchtlinge nach Deutschland einreisen. Am Hauptbahnhof finden sich auch Helfer ein, wie die Münchner Polizei twittert:
Flüchtlinge aus Libyen kommen in Berlin an: Am Berliner Hauptbahnhof sind Flüchtlinge von normalen Reisenden kaum zu unterscheiden. Eine sechsköpfige Familie - die Mutter mit Kopftuch, der Vater in Hemd und Anzughose, die Kinder weder übermüdet noch hungrig - wird trotzdem von der Bundespolizei kontrolliert. Ein Unterstützer von "Moabit hilft" kommt dazu und bietet der Polizei an, der Familie weiterzuhelfen. Die Beamten nehmen das Angebot an und ziehen ab. Der Familienvater, Hmdan, erzählt von der Flucht über das Mittelmeer, in einem überfüllten Boot. 6000 Euro habe er dafür bezahlt. Anschließend seien sie regulär mit dem Zug nach Berlin gefahren. Sie wollen weiter nach Riesa, zu einem Freund, und dort Asyl beantragen. Hmdan hat eine gute Arbeit als Tiefbauingenieur gehabt, aber Libyen sei zu gefährlich geworden. Der Zug nach Riesa fährt erst in zwei Stunden, Zeit für einen Imbiss. Das Geld reicht noch für Fahrkarten und Essen.
Deutschland-Rufe vor Ostbahnhof in Budapest: Nach der Sperrung des Ostbahnhofs in Budapest durch die ungarische Polizei harren die Flüchtlinge nun vor dem Gebäude aus. Rund tausend Asylsuchende haben sich auf dem Vorplatz versammelt. Einem Reuters-Reporter zufolge sind "Deutschland, Deutschland"-Rufe zu hören. Ungarn begründet die Schließung des Bahnhofs mit der Umsetzung von EU-Recht. Dieses verlange, dass jeder Bürger aus einem Drittstaat sich nur mit einem gültigen Pass und einem Schengen-Visum frei in der EU bewegen könne, sagte Regierungssprecher Zoltan Kovacs.
Merkel spricht mit spanischem Amtskollegen über Flüchtlingsthema: Europa müsse eine einheitliche Asylpolitik durchsetzen. Das forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf einer Pressekonferenz im Anschluss an Gespräche mit dem spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy. Sie forderte, dass EU-weit sichere Herkunftsländer ausgewiesen werden müssten. Für jene Flüchtlinge, die eine nachvollziehbaren Verfolgungsgrund hätten, sollte es eine faire Verteilung in Europa geben. Rajoy sagte, was derzeit an den Grenzen geschehe, sei die größte Herausforderung für Europa in den kommenden Jahren. Es müsse zwischen Asyl und Migration aus wirtschaftlichen Gründen unterschieden werden. Auch er forderte, dass die EU-Kommission die sicheren Herkunftsländer identifizieren müsse.
Bündnisgrüne Beck fordert EU-Beitrittsperspektive für Balkanstaaten: Die osteuropapolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Marieluise Beck, hat angesichts der hohen Flüchtlingszahlen aus dem Westbalkan eine echte Beitrittsperspektive zur EU für diese Staaten gefordert. Wenn es nur bei Absichtsbekundungen bleibe, seien demokratische Rückschritte wie etwa in Mazedonien zu befürchten, sagte Beck dem Bremer „Weserkurier“. „Die EU kann kein Interesse daran haben, dass die Entwicklung weiter ins Stocken gerät und immer mehr Menschen ihre Heimat verlassen.“ Bei der Bevölkerung müsse wieder der Glaube an das eigene Land entstehen, sagte die Bremer Bundestagsabgeordnete. Die EU müsse die Staaten dabei unterstützen, eine Teilung der Macht zwischen Opposition und Regierenden zu erreichen sowie eine funktionierende Justiz, freie Presse und bürgerliches Engagement auszubauen.
Österreichs Innenministerin kritisiert Deutschland: Eine Klarstellung, dass das Dublin-Abkommen weiterhin in Kraft sei, hat die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner von der deutschen Bundesregierung gefordert. Medienberichte, wonach Deutschland Flüchtlinge aufnehme und nicht wie in dem Abkommen vorgesehen in das erste Ankunftsland in der EU zurückschiebe, hätten große Hoffnungen bei den Flüchtlingen geweckt. "Deutschland muss hier klarstellen, dass Dublin wieder in Kraft ist", sagte Mikl-Leitner. Österreich werde weiterhin stichprobenartig im Grenzbereich kontrollieren. Flächendeckende Kontrollen seien jedoch nicht möglich.
Keleti-Bahnhof in Budapest geräumt: Angesichts des Flüchtlingsandrangs auf Züge in Richtung Österreich und Deutschland hat die ungarische Polizei am Dienstag den wichtigsten Bahnhof der Hauptstadt Budapest geräumt. Bis auf weiteres würden keine Züge mehr im Keleti-Bahnhof ankommen oder abfahren, hieß es in einer Lautsprecherdurchsage. Alle Passagiere wurden zum Verlassen des Bahnhofsgebäudes aufgefordert, während hunderte Polizisten die Menschen nach draußen führten. In Wien trafen allein am Montag nach Polizeiangaben 3650 Flüchtlinge per Zug aus Ungarn ein. Dies sei ein neuer Tagesrekord in diesem Jahr, sagte der österreichische Polizeisprecher Patrick Maierhofer am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP. Es werde noch geprüft, wie viele davon tatsächlich Asylbewerber seien. Laut der deutschen Bundespolizei trafen auch in Deutschland in den vergangenen 24 bis 30 Stunden bis zu 2200 Flüchtlinge aus Ungarn ein. Das waren deutlich mehr als sonst üblich.
Keine Flüchtlinge in Zug aus Ungarn: Im Nachtzug aus Budapest, der um kurz nach 9 Uhr in Berlin eintraf, waren keine oder nur wenige Flüchtlinge aus Ungarn. Einige Beamte der Bundespolizei waren zur Ankunft des Zuges am Gleis eingetroffen, doch die Lage blieb ruhig. Anders als in München, wo am Montagabend rund 800 Flüchtlinge in mehreren Zügen aus Ungarn eingetroffen waren, haben es Flüchtlinge offenbar nicht bis nach Berlin geschafft. Unser Reporter vor Ort, Thomas Loy, berichtet von Normalbetrieb am Hauptbahnhof. Es seien nicht mehr Polizisten am Bahnhof als sonst. Auch in einem Nachtzug aus München, der heute Morgen ankam waren nicht auffällig viele Flüchtlinge unter den Reisenden.
In Tschechien Flüchtlinge aus dem Zug geholt: In Tschechien sind in der Nacht zum Dienstag und am frühen Morgen mehr als 200 Flüchtlinge aufgegriffen worden, die in Zügen aus Österreich und Ungarn nach Deutschland gelangen wollten. Darunter seien auch 61 Kinder gewesen, sagte eine Polizeisprecherin. Die Migranten seien vorübergehend in Turnhallen der Städte Breclav und Hodonin untergekommen, bevor sie in Erstaufnahmelager gebracht werden können. Die weit überwiegende Zahl der Flüchtlinge stammte aus Syrien.
Die Fremdenpolizei hatte in der Nacht am tschechisch-slowakischen Grenzbahnhof Breclav auf die Züge gewartet, nachdem die ungarische Polizei sich vom größten Budapester Bahnhof zurückgezogen und so die Abreise der Flüchtlinge ermöglicht hatte. „Wir halten uns an die Gesetze, unabhängig davon, wie sich andere Länder verhalten“, sagte die tschechische Polizeisprecherin Katerina Rendlova. Die Flüchtlinge seien an der Weiterreise gehindert worden, weil ihnen die erforderlichen Reisepapiere gefehlt hätten.
In Bayern treffen immer mehr Flüchtlinge ein: Nach der Aufhebung polizeilicher Kontrollen am Budapester Ostbahnhof kamen viele Flüchtlinge aus Ungarn in Österreich und Deutschland an. Bis zu 2000 Menschen reisten allein am Dienstagmorgen vom Salzburger Hauptbahnhof aus mit Zügen nach Bayern. Die meisten von ihnen hätten die Nacht auf dem Bahnhof verbracht, um auf Anschlussverbindungen zu warten, teilte eine Polizei-Sprecherin der österreichischen Nachrichtenagentur APA mit. Die Menschen - unter ihnen viele Familien mit Kindern - waren aus Ungarn über Wien nach Salzburg gekommen, von wo es am späten Montagabend keine Zugverbindungen mehr nach München gab. Sie wurden auf dem Bahnhof vom Roten Kreuz und anderen Hilfsorganisationen betreut. Lediglich drei der Flüchtlinge haben in Salzburg laut Behördenangaben um Asyl nachgesucht, während alle anderen nach Deutschland wollten.
Bereits am Montagabend waren rund 800 Flüchtlinge in mehreren Zügen aus Ungarn in München eingetroffen. Auch in Rosenheim kamen laut Bundespolizei 190 Flüchtlinge aus Budapest an.
Malu Dreyer widerspricht Angela Merkel: Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) ist in Sachen Einwanderungsgesetz für Flüchtlinge anderer Meinung als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): „Es ist meine Befürchtung, dass sich CDU und CSU nicht schnell über das Einwanderungsgesetz einigen können. Aber natürlich ist das ein vordringliches Thema“, sagte Dreyer der Nachrichtenagentur dpa in Mainz. Merkel hatte dagegen am Montag gesagt, sie sehe das von der SPD geforderte Gesetz derzeit nicht als „vordringlichste Aufgabe“ an. Sie rate dazu, erst einmal zu schauen, wie sich die hohen Flüchtlings- und Asylzahlen künftig auf den Arbeitsmarkt auswirkten.
Extremismusexperte kritisiert sächsischen Verfassungsschutz: Der Berliner Politikwissenschaftler Hajo Funke wirft dem sächsischen Verfassungsschutz nach den Ausschreitungen in Heidenau Versagen vor. „Die Geheimdienste und der Verfassungsschutz haben die Dimension der rechtsextremistischen Gefahr in Sachsen noch immer nicht erkannt“, sagte Funke den „Ruhr Nachrichten“. „Nach der NSU-Mordserie versagen die Verfassungsschützer hier erneut.“ Der Verfassungsschutzpräsident des Freistaates mache sich „auf dem rechten Auge blind“, kritisierte der Professor von der Freien Universität Berlin. Im Osten gebe es „einen überproportionalen Anteil an der rechtsextremen Gewalt“. (mit dpa, AFP,epd)