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Will die SPD regieren oder opponieren? Sigmar Gabriel schwankt hin und her.
© iamgo

Koalition streitet über BND-Affäre: Sigmar Gabriel auf Krawallkurs

Der Vizekanzler bläst zum Angriff. Sigmar Gabriel rückt seine Chefin ins Zentrum der BND-Affäre. In der Hand hat er wenig gegen sie. Womöglich reitet ihn schlicht nur mal wieder das kleine Oppositionsteufelchen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Man muss den „Spiegel“ lesen können, heiße Luft von Dampfplauderei unterscheiden und wissen, dass die SPD nie mutiger ist, als es der Zeitgeist von den Dächern pfeift. Also: Die Titelgeschichte der neuesten Ausgabe des Hamburger Magazins lautet „Der Verrat“. Auf dem Bild dazu ist ganz vorne Angela Merkel zu sehen. In der achtseitigen, dichten Geschichte dazu wird der jüngste Dreh in der BND-Affäre als möglicher „Wendepunkt ihrer Kanzlerschaft“ prognostiziert. Und warum? „Wer einer fremden Macht den Zugriff auf deutsche Daten und Geheimnisse gestattet oder auch nur durch stille Demut erleichtert; und wer deutsche Firmen zur Verhandlungsmasse in einem nach eigener Ansicht größeren Spiel erklärt: Der verrät deutsche Interessen.“

Das klang nach „Rumms! Wir haben da ein ganz dickes Ding“. Insinuiert wird in Aufmachung und Präsentation dies: Der BND half der NSA, in Deutschland Wirtschaftsspionage zu betreiben. Doch nach diesem Satz sucht der Leser vergeblich. Denn es gibt ihn nicht. Lauter Konjunktive und Mutmaßungen durchziehen das Elaborat. Beweise für seine Verdächtigungen liefert der „Spiegel“ nicht.

Nun belegt er die alte Weisheit, dass man aus Schaden auch dümmer werden kann

Das freilich muss Vizekanzler, Wirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel entgangen sein. Schon im Wahlkampf hatte er sich sehr weit herausgelehnt, während sein Kanzlerkandidat, Peer Steinbrück, der Kanzlerin sogar vorwarf, ihren Amtseid gebrochen zu haben, was sich dann ebenfalls als propagandistischer Blödsinn entpuppte. Doch nun belegt Gabriel die alte Weisheit, dass man als Politiker aus Schaden auch dümmer werden kann – und legt mit großer Schippe nach. Die Affäre sei ein „Geheimdienstskandal, der geeignet ist, eine sehr schwere Erschütterung hervorzurufen“, sagt er und plaudert aus vertraulichen Gesprächen (!) mit Merkel, in denen diese ihm versichert habe, keine Hinweise auf Wirtschaftsspionage der NSA mithilfe des Bundesnachrichtendienstes zu haben. Der Vizekanzler rückt seine Chefin ins Zentrum der Affäre: Das nennt man gemeinhin einen frontalen Angriff.

Der zentrale Begriff ist der der „Wirtschaftsspionage“. Die liegt dann vor, wenn ein Geheimdienst im Ausland gesammelte Überwachungsergebnisse an einheimische Unternehmen weiterleitet, damit diese dadurch einen kommerziellen Wettbewerbsvorteil erhalten. Allein das Ausspionieren von Firmen ist also noch keine Wirtschaftsspionage. Dabei kann es auch darum gehen, Handels- oder Sanktionsverstöße nachzuweisen. Vom Iran über Russland bis Nordkorea sind viele Länder von Sanktionen betroffen. Ein Geheimdienst muss wissen, ob Unternehmen dagegen verstoßen.

Barack Obama hat der NSA die Wirtschaftsspionage mit elektronischen Mitteln explizit untersagt („Presidential Policy Directive 28“). Das sollte einem deutschen Wirtschaftsminister nicht entgangen sein. Die Frage des Tages lautet: Hat Gabriel den „Spiegel“ nicht verstanden, verfügt er über exklusive Informationen oder reitet ihn schlicht nur mal wieder das kleine Oppositionsteufelchen?

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