Bundesanwaltschaft: Sieben mutmaßliche Rechtsterroristen aus Chemnitz festgenommen
In Sachsen soll eine neue rechte Terrorgruppe gegründet worden sein. Sie firmierte als "Bürgerwehr". Ihr Ziel waren Angriffe auf Ausländer und Politiker.
Die Bundesanwaltschaft hat gegen Rechtsextreme aus dem Raum Chemnitz Ermittlungen wegen der Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung eingeleitet. Das teilte die Behörde am Montag mit. Sechs Männer im Alter von 20 bis 30 Jahren wurden festgenommen. Ein weiterer sitzt bereits in Haft. Montagabend wurde dann noch ein Mann festgenommen, sagte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft. Alle sind deutsche Staatsangehörige.
Die Beschuldigten gehören den Angaben zufolge der Hooligan-, Skinhead- und Neonazi-Szene im Raum Chemnitz an. Sie sollen sich als führende Personen in der rechtsextremistischen Szene Sachsens verstanden haben. Nach der "Oldschool Society" und der "Gruppe Freital" ist es die dritte rechtsterroristische Zelle in Sachsen - nach der Aufdeckung des NSU.
Spätestens am 11. September 2018 haben sich die Beschuldigten den Ermittlern zufolge zu der Gruppierung "Revolution Chemnitz" zusammengeschlossen. Der bereits Inhaftierte Christian K. soll dabei eine zentrale Führungsposition übernommen haben.
Die Beschuldigten verfolgten auf der Grundlage ihrer rechtsextremistischen Gesinnung ein "revolutionäres", auf die Überwindung des demokratischen Rechtsstaates gerichtetes Ziel, hieß es weiter. Dazu sollen sie gewalttätige Angriffe und bewaffnete Anschläge auf Ausländer und politisch Andersdenkende beabsichtigt haben. Zu den politisch Andersdenkenden zählen die Beschuldigten den Erkenntnissen zufolge auch Politiker und Angehörige des gesellschaftlichen Establishments.
Beschuldigte traten als "Bürgerwehr" auf
Die Verdächtigen hätten bereits versucht, sich halbautomatische Schusswaffen zu besorgen. Bereits am 14. September sollen fünf der Beschuldigten bewaffnet mit Glasflaschen, Quarzhandschuhen und einem Elektroimpulsgerät gemeinsam mit weiteren gewaltbereiten Anhängern anderer rechtsextremer Gruppen auf der Schlossteichinsel in Chemnitz mehrere ausländische Mitbürger angegriffen und verletzt haben.
Wie der Twitter-Account "Straßengezwitscher", der seit Jahren über rechte und fremdenfeindliche Geschehnisse in Sachsen informiert, damals berichtete, handelte handelte es sich laut einem Augenzeugen "ganz klar" um Neonazis, die damals "formiert und zielgerichtet" eine Gruppe Jugendlicher angegriffen hatten. Die Angreifer hätten sich selbst als "Bürgerwehr" bezeichnet.
Teilnehmer kamen offenbar von "Pro Chemnitz"-Aufmarsch
Unter den Angegriffenen hätten sich Deutsche, Iraner und Pakistaner befunden. Laut Augenzeugenbericht hatten sich die Angreifer im Halbdunkel formiert, seien auf die Jugendlichen zugerannt und hätten sie angegriffen. Eine Person wurde verletzt - sie erlitt eine Schnittwunde am Hals. Augenzeugenberichten zufolge sei versucht worden "alles was linksalternativ aussah, zu jagen und zu schlagen". "Straßengezwitscher" meldete weiter: "Die Staatsanwaltschaft Chemnitz geht aktuell davon aus, dass die Angreifer vorher an der Demonstration von ,Pro Chemnitz' teilgenommen haben." "Pro Chemnitz" hat seit Ende August nach der Tötung des 35-jährigen Deutsch-Kubaners Daniel H. zahlreiche rechte Demonstrationen in Chemnitz organisiert.
Pläne für Aktion am Tag der Deutschen Einheit
Der Übergriff am 14. September sollte den Ermittlungen zufolge ein "Probelauf" für ein von den Beschuldigten am Tag der Deutschen Einheit, 3. Oktober, geplantes, in seinen Einzelheiten aber noch nicht näher aufgeklärtes Geschehen sein, hieß es weiter in der Mitteilung der Bundesanwaltschaft. Der Hooligan-Experte Robert Claus hatte Ende August im Tagesspiegel-Interview über ein "hochgefährliches braunes Netzwerk" in Chemnitz berichtet, das sich teilweise schon seit den 90er und Nuller-Jahren zusammengefunden habe. Es habe teilweise sogar Verbindungen zum NSU-Unterstützerumfeld gegeben.
Wöller: "Rechtsterroristische Strukturen früh erkennen"
Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) wertete die Festnahmen und Durchsuchungen als Beleg dafür, dass in Sachsen rechtsterroristische Strukturen frühzeitig erkannt und zerschlagen würden. Er sagte: "Im engen Schulterschluss mit der Bundesanwaltschaft ist der sächsischen Polizei heute ein entscheidender Schlag gegen den Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus gelungen. Wer aus niederen Motiven Anschläge auf Ausländer, Amtsträger, Politiker oder andere Menschen plant, dem begegnet das Gesetz zu Recht mit ganzer Härte."
Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus seien besondere Gefahren. "Diese Gefahren nehmen wir sehr ernst", sagte Wöller. Es sei eine schnelle Eingreiftruppe innerhalb des polizeilichen Terrorismus-, und Extremismus-Abwehrzentrums des LKA Sachsen eingerichtet worden, um schneller gegen extreme und terroristische Gewaltdelikte vorzugehen, wie Wöller auf einer Pressekonferenz am Montag mitteilte. Die Task Force Gewaltdelikte soll eine zeitnahe Übernahme der Verfahren vorbereiten. "Die Task Force wird rund um die Uhr einsatzbereit sein", sagte Wöller weiter.
Bundesinnenminister Horst Seehofer begrüßte die Festnahmen. "Das ist die Realisierung unseres Grundsatzes 'Null Toleranz gegenüber Rechtsradikalen und Rechtsextremisten'", sagte er am Rande einer Parteivorstandssitzung in München. "Und deshalb ist es richtig, dass die Justiz und die Polizei hier ganz konsequent durchgreifen." Zu möglichen Anschlagsplänen der Männer, möglicherweise am 3. Oktober, wollte sich Seehofer nicht äußern. Auf eine entsprechende Frage sagte er lediglich: "Ich möchte über die Gefährdungslage im Detail nicht öffentlich sprechen. Aber ich halte es für richtig, dass hier sehr konsequent gehandelt wurde."