Entscheidungswoche im US-Kongress: Shutdown abgewendet – aber es droht Schlimmeres
Die Haushaltssperre in den USA ist verhindert. Doch Bidens Infrastrukturpaket wackelt weiter. Eine größere Katastrophe braut sich zusammen. Ein Kommentar.
Alles nochmal gut gegangen. Oder nicht? Ein Shutdown in Washington – mitten in der Pandemie – ist erstmal abgewendet. Der US-Senat verabschiedete mit 65 zu 35 Stimmen einen Gesetzesentwurf für einen Übergangshaushalt bis zum 3. Dezember, der den ab Mitternacht drohenden Verwaltungsstillstand noch einmal abwendete.
Nach dem Senat stimmte dann auch das Repräsentantenhaus für einen Übergangshaushalt. Ansonsten wären die USA nach Mitternacht in einen sogenannten Shutdown gerutscht, bei dem hunderttausende Bundesbedienstete in den unbezahlten Zwangsurlaub geschickt worden wären.
Nur: Gewonnen ist lediglich eine Atempause bis Anfang Dezember. Und im Hintergrund braut sich ohnehin eine viel größere Katastrophe zusammen. Denn wenn die Republikaner einer Anhebung der Schuldengrenze nicht zustimmen, droht ab Mitte Oktober der komplette Zahlungsausfall der Vereinigten Staaten – zum ersten Mal in ihrer Geschichte.
Ein Zahlungsausfall hätte weltweite Folgen
Das Finanzministerium könnte dann kein Kredite mehr aufnehmen, um die laufenden Ausgaben zu begleichen. Die Folgen nicht nur für die amerikanische, sondern für die gesamte Weltwirtschaft wären enorm.
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Konnte die Schuldengrenze bisher meist problemlos angehoben werden, blockieren die Republikaner nun unter Verweis auf die geplanten Konjunktur- und Sozialpakete von Präsident Joe Biden. Zwar hat das eine mit dem anderen wenig zu tun, da es um die Finanzierung von in der Vergangenheit beschlossenen Ausgaben geht – die Demokraten verweisen auf Donald Trumps Steuersenkungen für Unternehmen und Besserverdiener.
Aber die Republikaner wollen mit allen Mitteln einen Erfolg Bidens verhindern, der mit Milliardeninvestitionen das Leben der Amerikaner verbessern will.
Investitionen in Infrastruktur sind eigentlich beliebt
Das kommt in der Bevölkerung an: Vor allem Investitionen in die marode Infrastruktur sind überfällig. Doch zeigt sich hier nicht nur die Opposition widerspenstig. Auch die Flügel von Bidens Partei riskieren ein Scheitern seiner Agenda.
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Ultimaten, Drohungen und Last-Minute-Stunts beherrschen die Tagesordnung. Ein Kongress, der sich auf nichts mehr einigen kann, eine Regierung, der Stillstand auf allen Ebenen droht – nicht nur die „Washington Post“ fragt sich: Wie kann es sein, dass Washington so dysfunktional geworden ist?
Verantwortlich dafür ist die weiter zunehmende Polarisierung der Gesellschaft, die Kompromissbereitschaft schlicht nicht belohnt. Wenn Konservative vorwiegend in ländlichen Gebieten wohnen und Progressive sich vor allem in Städten zusammenfinden, werden sie sich schlicht fremd.
Da die Wahlkreise dann auch noch immer deutlicher nach diesen Mehrheitsverhältnissen zugeschnitten werden, verstärkt sich dieser Effekt. Dazu kommen die Fliehkräfte der sozialen Medien, die die extremen Ränder stärken.
Biden ist für das Versprechen gewählt worden, der wachsenden Spaltung entgegenzuwirken. Das Land, so hat er angekündigt, werde nach seiner Amtszeit besser dastehen – gerechter und für die Zukunft gerüstet.
Dafür braucht er einen Erfolg bei seinen politischen Großprojekten. Scheitert er, könnte alles noch schlimmer werden. Bereits im kommenden Jahr stimmen die Amerikaner darüber ab, ob seine Partei im Kongress weiter die Mehrheiten stellen soll. 2024 droht dann die Rückkehr von Donald Trump.