Die Zukunft von Horst Seehofer: Seine Gesundheit ist politisch
Wie CSU-Chef Horst Seehofer seinen Abgang plant – und dabei unter Beobachtung steht.
Horst Seehofer steht unter Beobachtung, und er weiß es. Vielleicht hat er deshalb darauf bestanden, dass der Rettungswagen nicht mit Blaulicht und Sirene losbrauste, der ihn am Samstag in Bayreuth am Festspielhaus abholte und auf die Intensivstation brachte. Es haben dann aber doch welche von der Presse rausgekriegt, und so sieht sich Seehofer zur Klarstellung veranlasst. "Ich übe mein Amt als Ministerpräsident mit großer Gewissenhaftigkeit aus – und alles andere würde ich der Bevölkerung mitteilen, wenn es von Belang wäre", versichert der CSU-Chef. "Es gibt aber nichts von Belang. Punkt!"
Das ist ein klarer Satz. Nur das "Punkt!" ist ein bisschen verdächtig. Seehofer neigt dazu, kritische Fragen mittels sprachlicher Ausrufezeichen niederzukartätschen, besonders wenn die Sache grade nicht in seinem Sinne läuft. "Bestens!" lautete zum Beispiel die Auskunft, als das Verfassungsgericht den CSU-Wahlkampfschlager Betreuungsgeld kippte und jemand wissen wollte, wie es denn um die Durchschlagskraft der CSU noch bestellt sei. Da lagen die letzte Pleiten – etwa das Nein der EU-Kommission zum Wahlkampfschlager Ausländer-Maut – nicht weit zurück. Von "Bestens!" konnte keine Rede sein. Aber man kann es ja versuchen.
Die Nacht im Bayreuther Krankenhaus ist durchaus erklärlich
Nun ist die Nacht im Bayreuther Krankenhaus durchaus erklärlich. Seehofer hat gemeinsam mit seiner Frau und unweit der Kanzlerin "Tristan und Isolde“verfolgt. Das Singspiel dauert vier Stunden und kennt keine Pausen. Das Festspielhaus ist ein alter, stickiger Kasten mit unbequemen Holzsitzen. Es ist dort schon Jüngeren blümerant geworden. Außerdem ist der 66-Jährige sehr vorsichtig mit sich selbst und seinem Herzen, seit ihn 2002 eine verschleppte Grippe fast das Leben kostete. Alles erklärlich also – nur, blöd ist es doch.
Denn Seehofers Gesundheit ist ein Politikum. Spätestens seit der "Spiegel" im Februar aufgeschrieben hat, wie dem CSU-Chef neuerdings öfter die Puste ausgeht und welche Termine er absagt, führen Seehofer-Beobachter gedankliche Strichlisten. Es kommt da inzwischen einiges an Absagen beisammen, kleine Termine und größere. Am auffälligsten war sein Fehlen beim 70. Geburtstag der CDU. Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt gratulierte namens "der gesamten CSU", was im Publikum ein höhnisches "Aha!" auslöste. Der Fall war um so kurioser, als Seehofer für den Energiegipfel bei Angela Merkel am gleichen Tag nach Berlin kam. Da es dort aber bis tief in die Nacht ging, war die Absage an den CDU-Geburtstag wohl doch bloß politisch motiviert.
In der CSU wird genau registriert, welche Termine er absagt
An den Strichlisten ändert das nichts. Auch in der CSU führen sie die, bildlich gesprochen jedenfalls. Dort wurde auch aufmerksam registriert, dass Seehofer am vergangenen Wochenende einen Fahrplan für seinen Abschied aus der Politik mit dem Vorbehalt verknüpfte: "Wenn mir der Herrgott die Gesundheit schenkt ..." Der Fahrplan sieht übrigens vor, dass Seehofer bis 2018 Ministerpräsident bleibt und zumindest bis 2017 Parteichef, Verlängerung nicht ausgeschlossen. In normales Deutsch übersetzt heißt dieser Fahrplan: Ich will meinen Abgang bis zuletzt in der Hand behalten und potenzielle Nachfolger auch.
Mit schwächelnden bayerischen Löwen übt die CSU nicht lange Nachsicht
Dass der potenzielle Nachfolger Markus Söder das am liebsten anders sähe, ist kein Geheimnis. Der forsche Finanzminister ist im Moment klarer Favorit, zumal seine Konkurrentin Ilse Aigner bisher wenig mehr getan hat als indirekt einen Anspruch anzumelden. Aigner ist Chefin des mächtigen Bezirks Oberbayern. Müsste die CSU die Nachfolgefrage aus dem Stand klären, wäre Söder trotz losen Mundwerks und fränkischer Herkunft gleichwohl nur schwer zu stoppen. Seehofer weiß das genau. Am Dienstag hat er vorsorglich auch seinem Kabinett versichert, dass er sich völlig fit fühle und keiner sich Sorgen zu machen brauche. Dabei ist – neben der Ilse – der einzige, der sich Sorgen machen müsste, der Landesvater selbst. Mit schwächelnden bayerischen Löwen übt die CSU erfahrungsgemäß nicht lange Nachsicht.
Robert Birnbaum