Nach Merkels Verzicht: Seehofers Rücktritt ist unausweichlich
Angela Merkel verzichtet auf den Parteivorsitz. Warum Horst Seehofer es ihr gleichtun sollte. Ein Kommentar.
Die Hälfte aller Wähler bei der Landtagswahl in Hessen, wohlgemerkt: der Landtagswahl, wollten vor allem der Bundesregierung einen Denkzettel verpassen – und 20 Prozent haben dabei Horst Seehofer gemeint. Seehofer! Der CSU-Chef in Bayern und Innenminister im Bund ist. Aber wer tritt zurück, zumindest in Raten? Angela Merkel. Zunächst einmal als CDU-Parteivorsitzende. Kein Wunder, dass bei den Christdemokraten jetzt der Teufel los ist.
Der Chef der Landesgruppe Hessen der Union im Bundestag, Michael Brand, kann den Rücktritt von Seehofer schon kaum mehr erwarten – aber den von allen Ämtern, sofort. Und da weiß er sich geradezu großkoalitionär einig mit der Mehrzahl der jüngeren Christsozialen und den Sozialdemokraten. Alle zusammen wünschen Seehofer aufs Altenteil, das ja für den Endsechziger nach seinen vielen, vielen Jahren im Dienste des Staates auskömmlich sein wird.
Horst Seehofer vergrault seine letzten Anhänger
Tatsache ist, dass der Christsoziale mit der Zeit auch noch die Letzten in seiner Partei vergrault, die ihm immer einen Plan unterstellt haben, den er bisher nur nicht offenbart hat. Das mag sogar auch sein, bloß wird es zunehmend einerlei. Seehofer rettet sich damit nicht mehr.
Sein Ruf von einst, die Zeichen der Zeit früher als andere zu erkennen, wird mit jedem Tag, den er länger in seinen Ämtern aushält und ausharrt, stärker lädiert. Will er wirklich warten, bis die meisten CSU-Kreisverbände sich gegen ihn gestellt haben? Das wäre seiner Leistung insgesamt nicht würdig. Die Kanzlerin hat es da besser gemacht. Ihm vorgemacht.
Insofern klingt Seehofers Reaktion auf Merkels ersten Schritt doppelt ironisch. „Schade“ hat er ihn genannt, um dann die immer vertrauens- und respektvolle Zusammenarbeit mit der Kollegin im Parteivorsitz hervorzuheben. Also ein „Schade“ ist Merkels Rückzug in jedem Fall für ihn, das sagt schon dieses seltsam dürre Wort für das angekündigte Ende einer Ära.
Dass Merkel es an Respekt für ihn nicht hat mangeln lassen, stimmt; die umgekehrte Behauptung darf keiner einem christlichen Politiker wie Seehofer so einfach durchgehen lassen. In dieser Hinsicht hat er sich mehr als einmal versündigt. Wie die Reaktionen in Bayern und Hessen zeigen.
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Darüber hinaus ist es so: Je schwieriger sich der Abschied der CSU von Seehofer – und umgekehrt – gestaltet, desto mehr werden weitere aus der Führung der Partei in den Blick geraten. Das betrifft vor allem Seehofers Hintersassen Alexander Dobrindt und Andreas Scheuer. Denn die teilweise rabiate Abgrenzung vom moderateren Kurs der Merkel-CDU entspricht nicht dem Gesamtbild in der CSU. Da würde die inhaltliche Nähe manchen überraschen. Dobrindt als Chef der Landesgruppe im Bundestag müsste es besser wissen, Scheuer als ehemaliger Generalsekretär auch. Dennoch haben sie nichts zur Mäßigung beigetragen.
Wenn nun aber die Spitzen der beiden verschwisterten Parteien einander vernehmlich nicht vertrauen, wenn die einen der anderen öffentlich nicht zutrauen, die gesellschaftlichen Herausforderungen zu bewältigen – wer kann dann erwarten, dass es die Wähler trotzdem tun? Inzwischen sind es schon über Sympathisanten und Anhänger hinaus die Parteimitglieder, die Seehofer als Person und dem von ihm repräsentierten Kurs der CSU in der Union das Misstrauen aussprechen. Ihm bleibt nichts: Er muss zurücktreten.