CSU-Chef sondiert bei der CDU: Seehofer sieht "Chance einer Gemeinsamkeit"
Aus seiner Partei erreichen CSU-Chef Horst Seehofer die ersten Rücktrittsforderungen. In Berlin müht er sich nun, die Schwesterpartei für Koalitionsverhandlungen auf Linie zu bringen.
Der Kronprinz taktiert noch im Hintergrund. Nachdem mit Alexander König der erste Landtagsabgeordneter der CSU eine Ablösung von Parteichef Horst Seehofer verlangt hatte, warnte der als Nachfolger Empfohlene am Dienstag vor vorschnellen Konsequenzen. Eine „Hauruckentscheidung“ bringe nichts, sagte Bayerns Finanzminister Markus Söder im ZDF. Gleichzeitig äußerte er aber Verständnis dafür, „dass die Basis rumort und dass die Leute verunsichert sind“. Das Wahlergebnis der CSU mit einem Minus von mehr als zehn Prozentpunkten sei schließlich ein „Debakel“ gewesen. Und da könne es nun – diese Spitze muss sein – auch „nicht um persönliche Interessen eines Einzelnen“ gehen.
Gewaltig unter Druck
Der Gemeinte versichert derweil, dass es im Parteivorstand „nicht den Hauch einer Personaldebatte“ gegeben habe. Doch Seehofer steht gewaltig unter Druck. Am Dienstag war er in Berlin, um mit der Schwesterpartei eine „gemeinsame Plattform“ für die schwierige Koalitionssondierung mit FDP und Grünen zu suchen. Das ist seine Bedingung für alles weitere. Denn aus der Sicht der Bayern braucht man gar nicht erst mit den heiklen Jamaika-Verhandlungen zu beginnen, wenn sich die CDU zuvor nicht in der Flüchtlingspolitik merklich auf die CSU zubewegt.
Obergrenze für Zuwanderung, Beschränkung des Flüchtlingsnachzugs – es waren die alten Konfliktthemen, die Seehofer im Gepäck hatte und der Kanzlerin ein weiteres Mal auftischte.
Über Ergebnisse hüllte sich der CSU-Chef nach dem Treffen erst mal in Schweigen. Die „Chance einer Gemeinsamkeit“ sei da, versicherte er nur. Berichtete von einem „unverändert guten Verhältnis“, einer „vernünftigen Atmosphäre ohne Vorwürfe“. Und betonte, dass er „die ganz große Zuversicht im Herzen“ trage, mit geschlossener Unionshaltung in die Sondierungsgespräche gehen zu können. Schließlich wisse jeder, dass für die Begrenzung von Flüchtlingen „ein in sich geschlossenes Regelwerk“ nötig sei und von der Bevölkerung auch erwartet werde.
Dobrindt ist neuer Landesgruppenchef
Mit seiner Landesgruppe konnte Seehofer ebenfalls zufrieden sein. Die von 56 auf 46 Abgeordnete zusammengeschrumpfte Truppe verhielt sich bei der Wahlanalyse dem Vernehmen nach weitgehend friedlich. Sie folgte auch Seehofers Personalvorschlag und wählte den zuletzt politisch heftig im Feuer stehenden Verkehrsminister Alexander Dobrindt zu ihrem neuen Vorsitzenden.
Der 47-Jährige gilt als Seehofer-Vertrauter, als Generalsekretär hatte er die letzten, für die CSU weit erfolgreicheren Wahlen im Jahr 2013 gemanagt. Dobrindt kam mit 41-Ja-Stimmen erwartungsgemäß auf eine satte Mehrheit. Er löst Gerda Hasselfeldt ab, die aus Altersgründen nicht mehr für den Bundestag kandidiert hatte, will seinen Ministerposten aber vorerst auch noch behalten.
Dobrindt stellte als erstes klar, dass CSU und Landesgruppe „kein 16. Landesverband der CDU“ seien, sondern „eine eigenständige politische Kraft“, die sich in Berlin auch so verhalten werde. Man werde „klar, direkt und konservativ formulieren“, kündigte er an. Ziel sei es, „das gesamte Spektrum von der Mitte bis zur demokratischen Rechten“ abzubilden. Und bei alledem gehe es nun verstärkt darum, die an die Rechtspopulisten verlorenen Wähler zurückzugewinnen. Diese Aufgabe hätten im übrigen auch alle anderen demokratischen Parteien – CDU inklusive.
"Keine schrägen Kompromisse"
„Wir müssen der Öffentlichkeit deutlich machen: Wir haben verstanden“, sagte Seehofer. Einfach weiterzumachen wie bisher, gehe nicht. Als zu klärende Themen nannte der Parteichef neben Zuwanderung, Sicherheit und Europa das „gesamte soziale Spektrum“ mit Rente, Pflege, Familienpolitik. Man werde mit Grünen und FDP „keine schrägen Kompromisse machen, das können wir uns nicht erlauben in Bayern“, versicherte Seehofer mit Blick auf die in einem Jahr anstehenden Landtagswahlen. Selbst eine Mitgliederbefragung zu eventuellen Ergebnissen von Koalitionsverhandlungen schloss der CSU-Chef nicht aus.
Ob er die Partei damit befrieden kann? An diesem Mittwoch stellt sich Seehofer der Landtagsfraktion, dort wird es heftiger zur Sache gehen als in Vorstand und Landesgruppe. Und unter dem Titel „Der ist fällig“ listete die „Süddeutsche Zeitung“ bereits etliche Rücktrittsforderungen kleinerer Parteifunktionäre auf - von Kreisvorsitzenden bis zu Dorfbürgermeistern.
Seehofer kritisiert Debatte über seine Person
Solche Debatten gehörten zur Demokratie, sagte der CSU-Chef dazu. Sie seien aber gefälligst „mit Stil und am richtigen Ort“ zu führen – dem anstehenden Wahlparteitag im November. Alles andere sei „schädlich für unsere Position in der Öffentlichkeit“ - und auch bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin.
Seehofer hatte bereits am Sonntag nach der Wahlschlappe erklärt, dass er am Parteivorsitzender bleiben wolle. Im übrigen würde auch jeder andere CSU-Chef vor der immens schwierigen Aufgabe stehen, das Wahlprogramm der Partei im Koalitionsvertrag durchzusetzen. "Mit etwas anderem", so Seehofer, "kann kein Parteivorsitzender aus Berlin zurückkehren".
Rainer Woratschka