Verdacht auf Kinderpornografie: Sebastian Edathy beantragt Absetzung der Staatsanwaltschaft Hannover
Der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy setzt seinen Streit mit den niedersächsischen Ermittlungsbehörden fort. Er wirft der Staatsanwaltschaft "unbestreitbaren Verfassungsbruch" vor, weil seine Immunität nicht berücksichtigt worden sei.
Bereits mehrfach hat der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy die Ermittlungsbehörden in Niedersachsen kritisiert. Vor wenigen Tagen legte er Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe ein. Nun geht der Streit in eine neue Runde. Denn Edathy, der unter dem Verdacht steht, kinderpornografisches Material besessen zu haben, hat über seinen Anwalt Christian Noll das Justizministerium in Niedersachsen aufgefordert, der Staatsanwaltschaft Hannover die Zuständigkeit für das Ermittlungsverfahren zu entziehen. Edathy wirft der Staatsanwaltschaft Verfassungsbruch vor.
Als Begründung führt Edathy an, dass die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen habe, als er noch Bundestagsabgeordneter gewesen sei und damit unter dem Schutz der Immunität gestanden habe. Edathy führt über seinen Anwalt aus, dass er am 7. Februar gegenüber Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) seinen Mandatsverzicht erklärt habe. Damit dieser Verzicht wirksam wird, müsse der Bundestagspräsident diesen bestätigen. Diese Bestätigung sei am 10. Februar 2014 erfolgt. Allerdings weist Edathys Anwalt nun darauf hin, dass Edathy noch bis zum Ablauf des 10. Februar 2014 Abgeordneter gewesen sei. Das gehe aus einer Anfrage Edathys an den Bundestag hervor, die er am Donnerstag erhalten habe. Die Staatsanwaltschaft Hannover habe aber bereits im Lauf des 10. Februar einen Antrag auf Durchsuchungen von Wohnungen und Büros gestellt. Diesem sei stattgegeben worden, so dass es am Nachmittag desselben Tages zu Durchsuchungsmaßnahmen gekommen sei. Die Staatsanwaltschaft habe sich nicht beim Bundestag erkundigt, ob das Mandat wirklich erloschen war.
Edathy-Anwalt Noll: "Unbestreitbarer Verfassungsbruch"
"Der Antrag der Staatsanwaltschaft sowie der daraufhin ergangene Beschluss des Amtsgerichts Hannover verstießen daher gegen das Grundgesetz. Damit waren die daraus resultierenden Durchsuchungen und Sicherstellungen rechtswidrig", erklärte Edathys Anwalt Christian Noll am Nachmittag. Edathy selbst schreibt auf seiner Facebook-Seite: „Offenkundig hat sich die Staatsanwaltschaft Hannover bei ihrem Handeln nicht an Recht und Gesetz orientiert. Sie hat es schlichtweg versäumt, zu klären, ob ich am 10. Februar 2014 noch Mitglied des Bundestages war. Ich war es.“ Er wirft der Justizbehörde in Hannover einen „unbestreitbaren Verfassungsbruch“ vor.
Edathy selbst war sich aber möglicherweise der Wirksamkeit seines Mandatsverzichtes nicht sicher. Denn am 8. Februar erklärte er in einer Pressemitteilung, die er auch auf seiner Facebook-Seite postete: "Der Mandatsverzicht ist damit wirksam geworden."
Anwalt wirft Staatsanwälten in Hannover wiederholten Verrat von Dienstgeheimnissen vor
Angesichts der erhobenen Vorwürfe forderte Edathys Anwalt Noll in einem Schreiben an das niedersächsische Justizministerium die Absetzung der Staatsanwaltschaft Hannover. In dem Schreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt, heißt es: „Eine Staatsanwaltschaft, die unter Missachtung der Rechte eines Bundestagsabgeordneten ein Ermittlungsverfahren betreibt, ist ersichtlich ungeeignet, dieses Verfahren noch länger fortzuführen.“ Noll bezeichnet den Sachbearbeiter der Staatsanwaltschaft Hannover, Thomas Klinge sowie den Behördenleiter, Jörg Fröhlich, als „Tatverdächtige“. Noll wirft ihnen wiederholten Verrat von Dienstgeheimnissen vor, da es mehrfach Indiskretionen während der Ermittlungen gegeben habe. Es sei seinem Mandanten nicht zumutbar, dass das gegen Edathy betriebene Ermittlungsverfahren in den Händen von Tatverdächtigen einer Straftat liege, „die im Übrigen weit schwerer bestraft wird als das meinem Mandanten vorgeworfene Delikt“, heißt es in den Schreiben weiter.
Sprecherin der Staatsanwaltschaft: "Wir prüfen die Vorwürfe, wenn uns das Schreiben vorliegt."
Ein Sprecher des Bundestages bestätigte gegenüber dem Tagesspiegel, dass Bundestagspräsident Norbert Lammert am 10. Februar den Mandatsverzicht Edathys bestätigt hatte. Nach Auffassung der Juristen im Bundestag wird die Mandatsniederlegung in der Tat erst mit Ablauf des 10. Februar rechtskräftig. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Hannover verwies darauf, dass der Behörde das Schreiben des Anwalts noch nicht vorliege. "Wir werden die Vorwürfe, wenn uns das Schreiben erreicht hat, prüfen", sagte die Sprecherin. Solange könne sie die Vorwürfe nicht kommentieren. Allerdings verwies sie darauf, dass Anwalt Noll vor Wochen selbst gegenüber der Staatsanwaltschaft erklärt habe, dass die Immunität Edathys keine Rolle mehr spiele.
Der Fall Edathy wird demnächst auch Gegenstand eines Untersuchungsausschusses im Deutschen Bundestag werden. Die Opposition zeigte sich Anfang der Woche optimistisch, dass sich das Gremium noch vor der Sommerpause konstituieren werde. Allerdings verweisen Linke und Grüne darauf, dass mögliche Pannen bei den Ermittlungsbehörden in Niedersachsen eher kein Gegenstand des Untersuchungsausschusses würden, weil dies Sache des Landes Niedersachsen sei.