zum Hauptinhalt
Neue Probleme für Theresa May. Hinter ihr sitzt Damian Green, ihr Vize, dem sexuelle Belästigung vorgeworfen wird.
© REUTERS

Sexueller Missbrauch: Schwerwiegende Vorwürfe gegen hochrangige britische Politiker

Vize-Premier Damian Green ist der höchste Politiker, dem Belästigung vorgeworfen wird. Die schwersten Vorwürfe betreffen aber einen Labour-Politiker.

Gegen britische Politiker werden immer neue Vorwürfe der sexuellen Belästigung und Übergriffe bekannt. Den bisher schwerwiegendsten Vorwurf erhebt eine frühere Labour-Mitarbeiterin: Bex Bailey beschuldigte einen ranghohen Parteipolitiker, sie als 19-Jährige vergewaltigt zu haben. Weitere Vorwürfe betreffen einen Abgeordneten sowie den amtierenden konservativen Vize-Regierungschef Damian Green. Dieser wies die Anschuldigungen am Mittwoch zurück. Premierministerin Theresa May ordnete eine Untersuchung an.

Bailey sagte am Dienstag im BBC-Radio, sie sei bei einer Parteiveranstaltung im Jahr 2011 vergewaltigt worden. Aus Scham und Furcht habe sie jedoch zunächst keine Anzeige erstattet. Als sie sich zwei Jahre später doch noch einem Vorgesetzten anvertraute, habe der ihr nahegelegt, nicht mehr darüber zu reden. Das könne ihrer Karriere "schaden". Namen nannte Bailey nicht, bezeichnete ihren mutmaßlichen Vergewaltiger aber als ranghohes Parteimitglied.

Eine weitere Frau warf einem ebenfalls ungenannten Abgeordneten vor, sie während einer Auslandsreise sexuell bedrängt zu haben. Zunächst habe er sie genötigt, sich aufs Bett zu setzen, sie dann "auf das Bett gestoßen", ihre Schulter festgehalten und versucht, sie zu küssen, sagte die Frau dem Sender ITV.

May und Corbyn kündigen Untersuchungen an

Obwohl sie nach dem Vorfall zur Polizei gegangen sei und auch der Parlamentsverwaltung davon berichtet habe, sei nichts passiert. Die Polizei befragte laut ITV den Politiker, der alles abgestritten habe. Weil der mutmaßliche Übergriff zudem im Ausland stattgefunden habe, habe sie nichts weiter unternommen.

Als bisher ranghöchster Politiker sieht sich Mays Vize und Studienfreund Green ebenfalls Belästigungsvorwürfen ausgesetzt. In einem Beitrag für die Londoner Zeitung "The Times" beschrieb die Journalistin Kate Maltby, wie ihr der rund 30 Jahre ältere Abgeordnete 2015 seine Hand auf das Knie legte. Sie habe sofort den Kontakt abgebrochen, doch ein Jahr später habe Green ihr zu einem Foto von ihr in einem Magazin-Artikel eine anzügliche SMS geschickt.

Wahrscheinlich sei sich Green nicht einmal bewusst, wie schlecht sie sich damals gefühlt habe, wahrscheinlich habe er sich nicht einmal etwas dabei gedacht, schrieb Maltby weiter. Doch sei genau das "das Problem".

Green wies die Vorwürfe als "völlig unwahr" zurück. Er sei schockiert und verletzt, zumal er seine Anklägerin bisher als "persönliche Freundin" angesehen habe, erklärte der 61-Jährige am Mittwoch. Nach Angaben eines Regierungssprechers wies May ihren Kabinettssekretär Jeremy Heywood an, die Fakten zu ermitteln und ihr umgehend Bericht zu erstatten.

Gesetz des Schweigens

Labour-Parteichef Jeremy Corbyn nannte unterdessen Baileys Einlassungen mutig und kündigte eine unabhängige Untersuchung der Vorwürfe durch die Partei an. "In der Labour-Partei wird es keine Toleranz für Sexismus, Belästigung oder Missbrauch geben", schrieb Corbyn bei Facebook. Nach Veröffentlichungen über mutmaßliche sexuelle Belästigungen durch mehrere Abgeordnete hatte der britische Parlamentspräsident John Bercow bereits am Montag "Null Toleranz" für derartiges Verhalten gefordert.

Offenbar hatte jedoch über Jahrzehnte im Westminister und auch in den Parteien eine Art Gesetz des Schweigens geherrscht. Laut Medienberichten soll im Parlament eine Liste mit den Namen von rund 40 konservativen Abgeordneten kursieren, denen sexuelle Belästigung nachgesagt wird. Unter ihnen sollen auch sechs Minister sein. Die Liste stammt demnach von ehemaligen Mitarbeitern. Ins Rollen kam die Debatte um sexuelle Übergriffe, nachdem Außenhandels-Staatssekretär Mark Garnier eingeräumt hatte, seiner Sekretärin den Kauf von Vibratoren aufgetragen zu haben. (AFP)

Zur Startseite