Polizei gibt Warnschuss ab: Schwere Zusammenstöße in Hongkong bis tief in die Nacht
Am Samstag ist es in Hongkong trotz Demonstrationsverbot erneut zu Protesten gekommen. Polizei und Demonstranten lieferten sich Straßenschlachten.
In Hongkong haben Demonstranten versucht, das Parlament zu stürmen. Protestteilnehmer durchbrachen am Samstag Polizeisperren vor dem Parlamentsgebäude in der chinesischen Sonderverwaltungszone. Die Polizei drängte die Demonstranten mit Tränengas und blau gefärbtem Wasser aus einem Wasserwerfer zurück. Medienberichten zufolge soll die blaue Farbe die Identifizierung von Verdächtigen erleichtern.
Laut einem Bericht der in Hongkong erscheinenden Zeitung "South China Morning Post" hat die Polizei auch mindestens einen Warnschuss mit scharfer Munition abgegeben (die Situation zeigt das Video im Tweet oben). Das wäre laut der Zeitung erst das zweite Mal seit Beginn der Proteste im Juni, dass die Polizei mit scharfer Munition feuert.
Trotz des Verbots waren in Hongkong am Samstag erneut zehntausende Menschen auf die Straße gegangen, um mehr Demokratie zu fordern. Ein langer Protestzug verstopfte die Straßen im Hongkonger Finanzviertel. Viele Demonstranten trugen schwarze T-Shirts und hatten bunte Schirme dabei, um an den Beginn der Regenschirm-Proteste vor fünf Jahren zu erinnern.
Am Nachmittag kam es zu ersten Zusammenstößen, als Demonstranten Steine auf Polizisten warfen und sie mit Laserpointern blendeten. Bei Einbruch der Dunkelheit durchbrachen mit Steinen und Brandsätzen bewaffnete Demonstranten dann eine Absperrung vor dem Parlament.
Auf einer wichtigen Verkehrsstraße nahe dem Hongkonger Polizeihauptquartier setzten maskierte Demonstranten eine Barrikade in Brand. Das Feuer schlug hohe Flammen und konnte erst nach einer guten halben Stunde gelöscht werden. Die Polizei erklärte, "Radikale Demonstranten" hätten "Ätzende Stoffe und Brandsätze" geworfen und somit eine "ernsthafte Bedrohung" für alle Anwesenden dargestellt.
Möglicherweise als Warnung berichteten chinesische Staatsmedien, dass das Militär neue paramilitärische Kräfte nach Shenzhen an der Grenze zu Hongkong verlegt habe. In Videoaufnahmen, die von Bürgern aufgenommen worden sein sollen, waren Militärwagen zu sehen, die nach diesen Angaben am Samstagmorgen in der Grenzstadt einrollten. Details über Stärke und Zweck der Truppenverlegung wurden nicht genannt. Nach Angaben der „Gobal Times“ soll es sich um „Spezialkräfte“ und Personal der „Wujing“ genannten paramilitärischen Elitepolizei handeln.
Polizei hatte zuvor führende Aktivisten festgenommen
In Hongkong gibt es seit drei Monaten Massenproteste für mehr Demokratie und gegen eine wachsende Einflussnahme Pekings. Erst am vergangenen Wochenende war es zu Ausschreitungen gekommen, bei denen 48 Menschen verletzt wurden; es gab 65 Festnahmen. Für Samstag hatten die Organisatoren ursprünglich eine Großdemonstration angemeldet, um an den fünften Jahrestag der Regenschirm-Bewegung 2014 zu erinnern. Die Polizei hatte die Demonstration jedoch verboten.
Am Freitag gingen die Behörden zudem massiv gegen Demokratie-Aktivisten vor: Die Polizei nahm die Protestanführer Joshua Wong und Agnes Chow sowie mindestens drei weitere bekannte Aktivisten und drei der Demokratiebewegung nahestehende Abgeordnete fest.
Angesichts des Drucks sagten die Organisatoren die Großdemonstration ab, kündigten aber andere Aktionen an. Viele Hongkonger setzten sich am Samstag auch mit kreativen Aktionen über das Demonstrationsverbot hinweg: Sie widmeten den Protest in nicht verbotene "religiöse Versammlungen" um, trugen Kreuze oder Ikonen und sangen "Halleluja".
Peking hatte der ehemaligen britischen Kronkolonie bei der Rückgabe 1997 unter dem Prinzip "Ein Land, zwei Systeme" für mindestens 50 Jahre Grundrechte wie Meinungs- und Pressefreiheit zugesichert. Nach Ansicht der Demonstranten wird diese Zusicherung von Peking schrittweise ausgehöhlt. (AFP/dpa)