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Zukunft der CDU: "Schwarzer Peter" für das Vaterland

Gerade war er noch der junge Wilde der CDU. Jetzt ist Peter Tauber Generalsekretär. Weil er gern Wörter wie „Vaterland“ und „Patriotismus“ benutzt? Oder weil er trotzdem ein Mann für die Zukunft ist: Generation Twitter, Sympathisant von Schwarz-Grün?

Ist einer konservativ, wenn er darauf besteht, „Vaterland“ zu sagen? „Es gibt kein Problem mehr, sich zum Vaterland zu bekennen“, hat Angela Merkel etwas genervt an dem Tag festgestellt, als sie sich zum ersten Mal gesehen haben, 2006 beim Deutschlandtag der Jungen Union in Wiesbaden.

Peter Tauber hat das schon vergessen. Merkel vermutlich auch. Tauber war damals JU-Chef in Hessen, einer von den jungen wilden Kerlen, die der Parteivorsitzenden ungnädig die Meinung geigten über die Roten, mit denen sie da neuerdings in Berlin koalierte, und über die 68er, die an allem Übel schuld seien. Irgendwann wurde es Merkel zu bunt. „Die 68er sind schuld daran, dass es Sie gibt“, rüffelte sie ihre Jungkonservativen, „und das ist ja schon mal ’ne erfreuliche Tatsache.“ Da war die Junge Union überwiegend beleidigt. Ihre Eltern waren keine 68er!

Tauber muss neuerdings öfter wieder über diese Zeiten reden. Er hat damals gut reingepasst in eine Truppe, die Helmut Kohl zu ihrem Helden verklärte, gegen die straffreie Abtreibung agitierte und auch sonst sonderbar altbacken wirkte. Vaterland. Patriotismus. Leitkultur. Tauber benutzt solche Wörter manchmal heute noch. Ob ihn Angela Merkel deshalb zu ihrem Generalsekretär gemacht hat? Oder trotzdem?

Unverhofft kommt oft

Vermutlich das eine so wenig wie das andere. Peter Tauber, Träger einer nerdigen Hornbrille und einer trendigen Glatze, in letzter Zeit vor allem aufgefallen als engagierter Netz-Politiker und früher Freund schwarz-grüner Bündnisse, außerdem praktischerweise aus Hessen, einem wichtigen Landesverband, der bei der Postenverteilung nach der Bundestagswahl noch etwas guthatte – das sind so die Kriterien, die dazu führen, dass ein 39-jähriger Bundestagsabgeordneter bei einer Tasse Kaffee im Kanzleramt unerwartet einen Job angeboten bekommt.

Tauber selbst war komplett überrascht. Er hatte, als ihn Merkel zum Plausch bestellte, maximal mit irgendwas wie Internet-Staatssekretär gerechnet. Gezögert hat er nicht. Ihm ist sowieso erst hinterher aufgegangen, was er da für eine Aufgabe übernommen hat.

Der Generalsekretär sei in Regierungszeiten der amtierende Parteivorsitzende – die Definition stammt vom legendären Vorgänger Heiner Geißler. Das mag damals schon zu ambitioniert gewesen sein; in Zeiten von Handy und SMS sitzt die Vorsitzende der Partei ja sogar dann höchstselbst vor, wenn sie umständehalber das Bett hüten muss. „Kommunikationsfreudig“ hat Tauber seine Chefin nach dem ersten Wochenende im Dienst genannt. Es klang halb bewundernd und halb erschöpft, was bei einem aus der Generation Twitter ja einiges heißen will.

Mit kühlem Kopf ganz nach oben

Trotzdem bleibt für den General genug an Jobbeschreibung übrig: Blitzableiter, politische „Quick Reaction Force“ auf Attacken der Konkurrenz, Stimmungstester und Sprachregler in die eigene Partei hinein, dazu oberster Organisator und Wahlkampfleiter – wenn Tauber in seinem neuen Büro oben im Adenauer-Haus sitzt und durch die Fensterfront in den Himmel guckt, dann freut er sich jetzt schon darauf, dass er demnächst, nach der Europawahl, vielleicht ein bisschen mehr Zeit zum Nachdenken hat. Er ist offenbar ein gründlicher Mensch. Wer seinen Blog „Schwarzer Peter“ durchblättert, stößt auf sorgsam nach erstens, zweitens und drittens sortierte Thesenpapiere. Historiker eben, Doktor sogar – ein vollgültiger, man muss das dieser Tage ja hinzufügen in der Generalsekretärszunft.

Was sonst noch zum Geschäft eines Generals gehört, und zwar zu dem sehr ungemütlichen Teil des Geschäfts, das musste Tauber diese Woche erfahren. Da knallte nämlich in die Vorbereitung der Vorstandsklausur an diesem Wochenende in Erfurt – die Klausur war wegen Merkels Skiunfall verschoben worden – plötzlich die Geschichte von Helmut Linssen in Taubers Büro.

Kurz und knapp hatte der „Stern“ die Details über dubiose Briefkastenfirmen des CDU-Schatzmeisters auf den Bahamas und in Panama berichtet. Bahamas? Panama? Briefkasten? Tauber muss sehr schnell klar gewesen sein, was diese drei Worte im Zusammenhang mit dem Schatzmeister der CDU in den Köpfen der Leute auslösen würden: Korruption und neue schwarze Kassen nämlich.

Feuertaufe "Linssen" bestanden!

Was in der Zeit von Dienstag bis Donnerstagabend zwischen Tauber und dem 71 Jahre alten Linssen am Telefon besprochen wurde, weiß man natürlich nicht. Nur so viel: Tauber hat mehrere Anläufe unternehmen müssen, um Linssen zum Rückzug zu bewegen. Die Diskrepanz zwischen der eigenen Schuld-Wahrnehmung („makellos“) von Linssen und der öffentlichen Wahrnehmung des Falles muss größer gewesen sein, als man denkt. Donnerstag dann war es endlich vollbracht, Tauber lobte Linssens Verdienste um die Partei erst per Twitter, dann gab der seinen Rückzug bekannt, und Tauber lobte schließlich die Verdienste noch einmal per Pressemitteilung.

„Sauber abgeräumt, das Ding“, würden Politikstrategen dazu sagen und Tauber anerkennend auf die Schulter klopfen. Feuertaufe bestanden!

Jetzt kommt die Generation Jedi-Ritter

Also – wie war das jetzt mit dem Konservativen? Tauber hat sich inzwischen so seine Antworten zurechtgelegt. Dass er, was den Schutz des ungeborenen Lebens angeht, ganz sicher eine konservative Haltung hat. Dass er andererseits den Optionszwang für Ausländerkinder zwischen dem deutschen und dem Pass der Eltern für falsch hält, weil der sein Ziel verfehlt habe. Denn es sei ein Irrtum zu glauben, ein junger Mensch werde sich in die deutsche Gesellschaft integrieren, bloß weil er auf dem Papier ein Pass-Deutscher geworden ist.

Man muss an dieser Stelle daran erinnern, dass in Taubers Wahlkreis Gelnhausen einst ein Manfred Kanther der König war und in seiner Heimat Hessen einst ein Roland Koch mit einer Kampagne gegen den „Doppelpass“ eine Wahl gewonnen hat. Die Nachfolger ticken anders. Tauber ist es lieber, einer hat zwei Pässe, versteht aber, weshalb in seiner neuen Heimat der Tag der Befreiung von Auschwitz ein wichtiger Gedenktag ist oder warum an Karfreitag Tanzveranstaltungen verboten sind – als dass er nur den einen Pass hat und trotzdem nichts kapiert.

Für einen knorrigen 68er ist das mit dem Tanzverbot wahrscheinlich immer noch finsteres Mittelalter. Aber seit der Papst in Rom Armut predigt, wird ja selbst diese Front unscharf.

Vielleicht muss man ohnehin die Frage stellen, ob Wörter wie Vaterland und Patriotismus für jemanden vom Jahrgang 1974 die gleiche Bedeutung haben wie in den bitteren Kulturkämpfen seiner Eltern. Wer sich nach Taubers politischen Weggefährten umsieht, kommt da jedenfalls schon mal ins Grübeln. Jens Spahn, der Organisator der neuen schwarz-grünen Pizza-Connection, gehört genauso zu seinen Duzfreunden wie der Hessen-Obergrüne Tarik Al Wasir. Für Schwarz-Grün hat er schon geworben, als das in der Hessen-CDU noch nicht flächendeckend taktisch angesagt war.

Ansonsten lernt Tauber gerade sehr schnell dazu in Sachen parteipolitischer Korrektheit. Als er noch nicht wusste, was aus ihm werden soll, hat er das Manifest „CDU 2017“ unterschrieben. Das war der Mini-Aufstand der Jungen gegen die Renten-Beschlüsse der schwarz-roten Koalition, gegen Mütterrente und Frührente mit 63 – alles wünschenswerte Ideen, die nur leider die nächste Generation wird bezahlen müssen.

Mit Nerd-Brille und Raumschiff

Neulich hat ihn einer darauf angesprochen. Da hatte das Kabinett gerade das Rentenpaket verabschiedet, und der CDU-General hatte das auf seinem Twitter-Kanal mit der Parteizentralenparole bejubelt: „Wir machen Politik für Jung und Alt.“ Einer twitterte zurück: „Finden Sie das nicht ein bisschen zynisch gegenüber der jüngeren Generation?“ Die Antwort kam prompt – der General twittert noch selbst: „Nein! Bafög und Infrastruktur für die Jugend. Und die Jungen finden, ihre Mütter haben die Mütterrente verdient.“ Ein anderer hat aber weiter widersprochen. „Ich glaube, ich muss mal mit Ihrer Mutter reden“, kam es aus dem Adenauer-Haus zurück.

CDU 2014 beherrscht er also schon. Muss er ja auch. Die beliebte Frage an seinen Berufsstand, ob er mehr General sei oder mehr Sekretär, ist nicht mehr als ein Wortspiel. Faktisch ist sie seit Jahrzehnten beantwortet: Generalsekretäre sind Instrumente ihrer jeweiligen Herrn. Weshalb die interessanteste Frage an diesen Peter Tauber gar nicht lautet, was er für einer ist, sondern was die CDU-Chefin Angela Merkel sich von ihm erwartet.

Da kommt wieder die Nerd-Brille ins Spiel und der Geburtsjahrgang. Merkels letzte Generale kamen allesamt aus dem kleinen Kreis ihrer Weggefährten – Volker Kauder, Ronald Pofalla, Hermann Gröhe. Aber erstens ist dieser Pool erschöpft. Und zweitens kamen sie allesamt aus alten Zeiten.

Merkel und die Jedis

Telefonapparate, nur zur Erinnerung, hatten damals Wählscheiben, und in Fernsehern steckten Röhren. Dass es Peter Altmaier als twitternder Oldie zu bundesweitem Ruhm gebracht hat, bestätigt nur den Befund. Altmaier hat daheim im Wohnzimmer ein Porträt von Bismarck in Öl hängen. In Taubers Büro steht das Plastikmodell eines „Star Wars“-Raumschiffs im Fenster. Jede Generation hat so ihre Macht vor Augen, von der sie wünscht, dass sie mit ihr sein möge.

Merkel also fand, es sei jetzt mal die Generation der Jedi-Ritter dran. Nicht zufällig steht die CDU-Chefin damit nicht alleine da. Alle Parteien setzen auf Verjüngung beim Management. Die SPD-Frau Yasmin Fahimi ist 46 Jahre alt, Nicola Beer von der FDP 43, der CSU-General Andreas Scheuer mit seinen 39 Jahren so jung wie sein CDU-Kollege. „Digital natives“, Eingeborene der virtuellen Welt sind sie – Tauber hat für die CDU in der Internet-Enquetekommission des Bundestages gesessen, hat die schwarze Netzpolitik-Plattform cnetz mitgegründet, hat Aufstieg und Fall der Piraten-Partei aus der Nähe des Netzbewohners beobachtet.

„Liquid Christdemocracy“?

Nicht alles an deren Freibeuter-Ideen war ja schlecht. Seit Jahrzehnten reden Parteistrategen darüber, wie sie das schwindende Interesse am Ortsverein dadurch ausgleichen wollen, dass sie sympathisierende Bürger mit deren speziellen Interessen in die Parteiarbeit einbinden. Vielleicht wird im Zeitalter des Netzes endlich mal was draus? Oder dieser Mitgliederentscheid, der die alte Tante SPD auf einmal so erstaunlich lebendig erscheinen ließ – vielleicht lässt sich Mitsprache auch anders organisieren als mit Säcken voller Post und Hochleistungsbriefumschlagauffräsmaschinen? Mitbestimmung per Tastatur und Mausklick, „Liquid Christdemocracy“?

Tauber will über solche Dinge nachdenken. Er freut sich da schon drauf. Überhaupt wirkt er tatendurstig; ein fröhlicher Bursche, der mit „Hallo“ grüßt, keine Scheu davor verspürt, in der großen Koalition gegebenenfalls für „CDU pur“ zu stehen, und dabei Sätze sagt wie den, dass Europa „im Betriebssystem der CDU“ verankert sei.

Ob die Senioren-Union den Vergleich aus der Computerwelt versteht, ist durchaus fraglich. Aber was hilft es ihr? Bei der CDU reden heutzutage nicht mal mehr die Konservativen so wie früher.

Mitarbeit Antje Sirleschtov

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