Europawahl: „Schulz oder Juncker?“
Langsam kommt der Europawahlkampf auf Touren. Matthias Machnig, der Wahlkampfleiter des Sozialdemokraten Martin Schulz, und Martin Selmayr, der die Kampagne des EVP-Mannes Jean-Claude Juncker managt, nehmen jedenfalls schon einmal Witterung auf.
Für Matthias Machnig ist der Fall klar. „Im Zentrum wird die Frage stehen: Schulz oder Juncker?“, sagte der Wahlkampfleiter des sozialdemokratischen Spitzenkandidaten für die Europawahl, Martin Schulz, am Donnerstag in Berlin. Beide – Schulz und der frühere luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker – wollen nach der Ende Mai stattfindenden Europawahl die Nachfolge von EU-Kommissionschef José Manuel Barroso antreten.
Das Problem besteht allerdings darin, dass für viele Wähler die politischen Unterschiede zwischen dem Konservativen Juncker und dem SPD-Mann Schulz, die jeweils als Spitzenkandidaten für ihre Parteienfamilien antreten, trotz der neuartigen Personalisierung noch nicht so recht klar sind. Zwei Monate vor dem Wahltermin ist das nicht weiter überraschend. Europawahlkämpfe laufen im Vergleich zu den Kampagnen bei Bundestagswahlen immer etwas schleppender an. Auffällig ist nur, dass Schulz bereits jetzt auf allen Medienkanälen eifrig präsent ist, während man vom Wahlkämpfer Juncker bislang wenig gehört hat. Und wenn, dann waren es nur mäßig mitreißende Statements - wie kürzlich im „Deutschlandfunk“, wo der Luxemburger angesichts der Ukraine-Krise mahnte, dass Sanktionen „kein ideales Mittel der Politik“ seien.
Doch ganz allmählich kommt das Duell zwischen Schulz und Juncker in Gang. Für die SPD, die ähnlich wie bei der letzten Europawahl 2009 gut zehn Millionen Euro in den Europawahlkampf steckt, erklärte Wahlkampfmanager Machnig, dass sich Schulz für krisengeschüttelte EU-Länder wie Italien in die Bresche werfen wolle: Natürlich sei die Konsolidierung in der Haushaltspolitik wichtig, „aber wir brauchen zusätzliche Wachstumsimpulse“. Als weitere Wahlkampfthemen nannte der ehemalige thüringische Wirtschaftsminister die Steuergerechtigkeit und die Verbesserung sozialer Standards. Zudem wolle sich die Partei mit dem Vorwurf aus der eigenen Wählerschaft auseinandersetzen, dass Europa „zu unternehmensfreundlich“ sei.
Zu den wesentlichen Zielen der SPD gehört es nicht zuletzt, ihr miserables Ergebnis bei der letzten Europawahl in Deutschland zu verbessern. Die SPD kam nur auf 20,8 Prozent. Doch darüber hinaus setzt der Wahlkämpfer Schulz - wie auch Juncker - auf eine länderübergreifende europäische Kampagne, die letztlich die nötige Mehrheit im Europaparlament bescheren soll. Diese Mehrheit liegt bei 376 der 751 Europaabgeordneten. So viele Parlamentarier müssen entweder Schulz oder Juncker nach der Europawahl hinter sich versammeln, wenn der Sprung auf den Sessel des EU-Kommissionschefs klappen soll. „Deutschland ist ein wichtiges Land. Aber es gibt auch noch andere Länder, wo wir zulegen können“, sagte Machnig mit Blick auf den Spagat, der nicht nur Schulz bevorsteht: Die Spitzenkandidaten der Parteienfamilien müssen nicht nur in ihren Heimatländern überzeugen, sondern beispielsweise auch im rezessionsgeplagten Griechenland. Am kommenden Samstag startet Schulz’ Deutschland-Kampagne in Hamburg, am 17. April soll sein europaweiter Wahlkampf in Paris beginnen. Auch die Termine für die direkten TV-Duelle zwischen Schulz und Juncker im deutschen Fernsehen - am 8. Mai im ZDF und am 20. Mai in der ARD - stehen schon.
„Schulz ist eher ein Polarisierer“
Im Juncker-Lager will man sich derweil nicht bange machen lassen. Der designierte Wahlkampfmanager des Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei (EVP), der deutsche Kommissionsbeamte Martin Selmayr, kündigte an, dass der Kandidat aus Luxemburg sich im Wahlkampf in erster Linie auf die EU-Wirtschaftskrise und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit konzentrieren werde. Zudem werde es darum gehen, dass die Bürger „wieder Vertrauen zum europäischen Projekt fassen“, sagte Selmayr dem Tagesspiegel. Auch wenn die Werteorientierung der beiden Kandidaten in vielen Punkten vergleichbar sei, so unterschieden sie sich doch im Naturell. „Herr Schulz ist eher ein Polarisierer, Herr Juncker ist ein Versöhner“, sagte Selmayr. Juncker, der jahrelang die Treffen der Euro-Gruppe leitete, stehe nicht ausschließlich für die Seite der strikten Haushaltssanierer oder allein für das Lager derer, die mehr Solidarität mit den Krisenländern im Süden fordern. „Für uns gibt es beides: Wir brauchen sowohl die Solidität als auch die Solidarität.“ Dass sich Schulz und Juncker inhaltlich doch ziemlich nahe sind, zeigten die beiden kürzlich in einem Doppelinterview des „Spiegel“. Dort sprachen sich Juncker und Schulz langfristig für die Einführung von Euro-Bonds aus. Schulz’ Wahlkampfmanager Machnig hat allerdings seine Bedenken, ob Juncker im beginnenden Europawahlkampf immer auch für die gesamte EVP spricht: „Vieles von dem, was Herr Juncker sagt, ist nicht unbedingt durch das eigene Parteiprogramm gedeckt.“