Italien nach Berlusconi: Der dritte Versuch
Zwei Regierungen nach Berlusconi sind schon daran gescheitert, Italien aus der Krise ziehen. Auch die neue wird’s schwer haben: Arbeitslosigkeit wie Steuern sind auf Rekordhöhe, die Kaufkraft sinkt.
Nachdem ihm seine eigene Partei das Vertrauen entzogen hat, ist der sozialdemokratische Regierungschef von Italien, Enrico Letta, am Freitag formell von seinem Amt zurückgetreten. Sein Nachfolger, Parteichef Matteo Renzi, rechnet nun damit, unter Umständen schon am kommenden Dienstag vereidigt zu werden. Staatspräsident Giorgio Napolitano hat angekündigt, die in diesem Fall üblichen Beratungen mit den Parlamentskräften „so schnell wie möglich“ über die Bühne zu bringen. Die Parteien sind mit der Machtübergabe an Renzi im Prinzip einverstanden; unverzügliche Neuwahlen wurden am Freitag lediglich von der „Fünf-Sterne-Bewegung“ des früheren Komikers Beppe Grillo gefordert.
Der Parteivorstand des „Partito Democratico“ (PD) hatte am Donnerstagabend dem Drängen Renzis nachgegeben und „angesichts der Probleme des Landes“ die „Notwendigkeit und die Dringlichkeit einer neuen Regierung“ beschlossen. Die Entscheidung, die mit 136 zu 16 Stimmen (bei zwei Enthaltungen) fiel, war in dieser Eindeutigkeit nicht erwartet worden.
Enrico Letta selbst verabschiedete sich nach knapp zehn Regierungsmonaten am Freitag mit einer knappen Botschaft auf Twitter, in der er allen dankte, „die mir geholfen haben”. Vorwürfe gegen Renzi erhob Letta – jedenfalls in der Öffentlichkeit – nicht. Auch Renzi selbst, der die Fronde gegen Letta angeführt hatte, äußerte sich nach seinem Abstimmungssieg im PD-Vorstand am Freitag nicht mehr. Als Bürgermeister von Florenz empfing er am Valentinstag zwei Gruppen von Langzeit-Eheleuten im Rathaus und schwärmte von den Schönheiten seiner Stadt. An Renzis Statt kündigte einer seiner Vertrauten für die ersten beiden Regierungsmonate einige „Schock-Maßnahmen für Arbeitsplätze und eine Wiederbelebung der Wirtschaft“ an.
Von Renzi überfahren fühlt sich Silvio Berlusconis oppositionelle „Forza Italia”. Deren Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Renato Brunetta, kritisierte, dass Renzi bis zum regulären Ende der Legislaturperiode 2018 regieren wolle. „Das war nicht so abgesprochen.” Vielmehr hätten sich Renzi und Berlusconi in ihren persönlichen Verhandlungen Mitte Januar darauf geeinigt, lediglich ein neues Wahlgesetz sowie eine Parlaments- und eine Verfassungsreform im Parlament zu verabschieden „und gleich danach wählen zu lassen“. Renzi kann zwar ohne Berlusconi regieren, für die von Brunetta genannten, allseits für nötig befundenen Reformen hat er aber nicht die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit.
Wie Letta stützt sich auch Renzi im Parlament auf ein Bündnis mit der von Berlusconi abgespaltenen „Neuen Rechten Mitte” von Vizepremier Angelino Alfano und auf die kleine Zentrumspartei „Bürgerwahl“, die aus Mario Montis Wahlbündnis von Anfang 2013 übrig geblieben ist. Im entscheidenden Senat lag Lettas Mehrheit nur bei etwa acht Sitzen; Renzi hofft, Dissidenten aus der „Fünf-Sterne-Bewegung” hinzuzugewinnen; die jedoch dementiert die Gerüchte.
Das Erbe, das Renzi antritt, sieht zunächst schlecht aus: Die Arbeitslosigkeit ist in den knapp zehn Monaten der Regierung Letta von 11,5 Prozent auf 12,7 Prozent gestiegen, die der Jugendarbeitslosigkeit noch dramatischer: von 38,4 auf 41,7 Prozent. Im Frühjahr 2011, also vor nur drei Jahren, lag die Jugendarbeitslosigkeit bei „lediglich“ 25 Prozent.
Die Regierung Letta hatte dafür zu wenig Zeit: In ihren ersten Monaten, in der großen Koalition mit Silvio Berlusconi, war sie über Gebühr damit beschäftigt, das Geld für dessen Hauptwahlversprechen aufzutreiben, für die Streichung der Haus- und Grundsteuer. Die fiel dann zwar tatsächlich weg – wurde aber zwangsläufig durch andere Steuern ersetzt, in einem Dekrete- und Verwaltungschaos, das bis heute nicht beendet ist.
Andererseits: Seit Mario Monti (November 2011 bis Januar 2013) hat Italien wieder so viel Vertrauen an den internationalen Finanzmärkten zurückerobert, dass der Risikoaufschlag, den es den Investoren für seine Staatsanleihen zahlen muss, so niedrig ist wie zuletzt 2006. Das entlastet den italienischen Haushalt, Doch die Staatsschulden als solche steigen unbarmherzig weiter. Auch die Regierung Letta hat es trotz einiger, aber kaum überzeugender Anstrengungen nicht geschafft, die Ausgaben der öffentlichen Hand zurückzufahren. Zweitens schrumpft das Bruttoinlandsprodukt seit Jahren – 2013 erneut um drei Prozent. Die ohnehin schon rekordhohe Steuerquote ist unter Letta weiter gestiegen. Die Italiener haben erneut eine Menge an Kaufkraft verloren; der Inlandsmarkt liegt darnieder.