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Flüchtlingsdemo in Berlin.
© imago/snapshot
Update

Ungewöhnliche Häufung: Schon fünf rechtswidrige Abschiebungen seit Jahresbeginn

Wer nicht bleiben darf, muss gehen: Abschiebungen werten Politiker gern als Zeichen, dass der Staat handlungsfähig ist. Doch was passiert, wenn gehen muss, wer eigentlich bleiben dürfte?

Die Behörden haben im laufenden Jahr bereits fünf Ausländer rechtswidrig abgeschoben. Das geht aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine schriftliche Frage der Grünen-Bundestagsabgeordneten Margarete Bause hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. In allen Fällen seien „die erforderlichen Verwaltungsakte noch nicht vollziehbar“ gewesen, schreibt das Ministerium. Die Zahlen beziehen sich auf den Stand vom 8. August. Seitdem gab es noch einen Abschiebeflug nach Afghanistan.

Die Häufung seit Jahresbeginn ist auffällig. So sind der Bundesregierung für die Jahre 2015 und 2016 keine rechtswidrigen Abschiebungen bekannt und für das Jahr 2017 zwei Fälle. Die Betroffenen wurden in ihre Herkunftsländer Nigeria, Afghanistan, Kosovo, Marokko, Simbabwe, China und Tunesien abgeschoben.

In fünf der sieben Fälle hat die Bundesregierung nach eigenen Angaben „eine umgehende Rückholung“ betrieben; in drei dieser Fälle reisten die Betroffenen auch bereits wieder nach Deutschland ein, in den anderen beiden noch nicht. „In zwei weiteren Fällen ist noch keine Entscheidung zur Rückholung getroffen worden“, schreibt das Bundesinnenministerium. Bei einem von ihnen könnte es sich um den Islamisten Sami A. handeln, der nach einem Urteil des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts vom Donnerstag nun auch nach Deutschland zurückgeholt werden muss.

"Behörden ignorieren laufende Verfahren"

„Dass die Bundesregierung in zwei von sieben Fällen noch keine Entscheidung zur Rückführung getroffen hat, ist diesen Betroffenen gegenüber eine Zumutung und ein Armutszeugnis für unseren Rechtsstaat“, beklagte die flüchtlingspolitische Sprecherin des Grünen-Fraktion, Luise Amtsberg.

Die wachsende Zahl gebe Anlass zur Sorge, erklärte ihre Parteikollegin Bause, die auch Sprecherin für Menschenrechte und humanitäre Hilfe ist. „Dass Behörden laufende Verfahren ignorieren oder Gerichtsurteile missachten, stellt grundlegende Prinzipien unseres demokratischen Rechtsstaates in Frage. Das dürfen wir nicht auf die leichte Schulter nehmen.“ Sie erwarte von der Bundesregierung und den Ländern eine schonungslose Fehleranalyse.

Trotz des Anstiegs stufen die Behörden nur einen geringen Teil der Abschiebungen als rechtswidrig ein. So wurden 2017 insgesamt 23 966 Menschen abgeschoben, von Januar bis Juni 2018 waren es 12 261 Abschiebungen, wie aus Antworten der Bundesregierung auf Anfragen der Linksfraktion hervorgeht. Für Abschiebungen sind in erster Linie die Bundesländer zuständig, obwohl Bundespolizisten die Flüge begleiten.

Identität falsch zugeordnet

Die Bundesregierung nennt zwar keine weiteren Details zu den betroffenen Personen, ein Teil ist aber öffentlich bekannt. So wurde ein Angehöriger der muslimischen Minderheit der Uiguren am 3. April zurück nach China geschickt, obwohl über seinen Asylfolgeantrag noch nicht entschieden war. Die chinesische Kommunistische Partei geht mit massiven Repressalien gegen die uigurische Unabhängigkeitsbewegung vor. Die Behörden in München wollen eine Mitteilung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) nicht erhalten haben. Deutschland bemüht sich nun, den 23-Jährigen zurückzuholen.

Der zu Unrecht aus Neubrandenburg abgeschobene Afghane Nasibullah S. ist seit dem vergangenen Wochenende zurück in Deutschland. Der 20-Jährige war einer von jenen 69 Menschen, die am 69. Geburtstag von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) abgeschoben worden waren. In der Heimat sah er sich von den Taliban verfolgt, sein Asylantrag wurde aber abgewiesen. Dagegen klagte er, die Entscheidung stand noch aus. Zur Abschiebung kam es laut Seehofer, weil seine Identität falsch zugeordnet wurde.

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Auch Haschmatullah F. durfte aus Afghanistan nach Deutschland zurückkommen. Er war im Oktober abgeschoben und auf Anordnung des Verwaltungsgerichts im baden-württembergischen Sigmaringen im Dezember zurückgeholt worden. Der 24-Jährige kann in Deutschland bleiben, nachdem ein Gericht im Juni seiner Klage gegen die Ablehnung seines Asylantrags stattgab. F. wurde nach eigenen Angaben in Afghanistan von den Taliban beinahe umgebracht, weil er als Soldat mit den Amerikanern zusammengearbeitet habe.

CDU-Innenexperte fordert mehr Abschiebehaftplätze

Der CDU-Innenexperte Armin Schuster fordert derweil als Konsequenz aus dem Fall Sami A. „gravierend mehr Abschiebehaftplätze“ in den Ländern. Nötig seien mehr Abschiebehaftplätze und die im Koalitionsvertrag festgelegte Weiterentwicklung der Aufnahmeeinrichtungen zu Anker-Zentren, sagte Schuster der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“. Im Fall Sami A. wäre es sehr hilfreich gewesen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Ausländerbehörde, Gericht, Anwalt und die Bundespolizei den Fall an einem Ort, also in einer Anker-Einrichtung behandelt hätten, sagte der CDU-Politiker.

 CDU-Innenexperte Armin Schuster.
CDU-Innenexperte Armin Schuster.
© Britta Pedersen/dpa

Weitere Gesetzesverschärfungen hält Schuster nicht für notwendig. „Die Durchsetzung der Ausreisepflicht ist bereits Ende der vergangenen Legislatur rechtlich deutlich verbessert, besonders bei Gefährdern“, sagte Schuster.

Das Oberverwaltungsgericht hatte am Mittwochabend entschieden, dass die Abschiebung des als Gefährders eingestuften Tunesiers rechtswidrig gewesen ist (AZ: 17 B 1029/18). Ein Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen, dass der Mann wegen möglicher Foltergefahr nicht in das nordafrikanische Land zurückgeschickt werden dürfe, wurde erst übermittelt, als das Flugzeug mit A. bereits unterwegs war. Die Stadt Bochum, in der der Gefährder zuletzt gelebt hatte, soll Sami A. nun nach Deutschland zurückholen. (dpa, epd)

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