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Hendrik Wüst, Olaf Scholz und Franziska Giffey.
© Hannibal Hanschke / POOL / AFP
Update

„Öffnungsperspektive“ ab Februar: Scholz will „Kurs“ gegen Omikron halten – was bleibt und was sich ändert

PCR-Tests soll es nicht mehr für alle geben. Die Kontaktnachverfolgung wird stark eingeschränkt. Das wurde beim Corona-Gipfel beschlossen.

Vor dem Hintergrund der rollenden Omikron-Welle wird es vorerst keine Lockerungen geben - konkrete Öffnungsschritte sollen bei der nächsten Bund-Länder-Runde am 16. Februar besprochen werden. "Jetzt aber gilt erst mal: Kurs halten", sagte Kanzler Olaf Scholz (SPD) nach dem Corona-Gipfel im Kanzleramt.

Wenn sich die Lage verschärft und die Krankenhauseinweisungen stark zunehmen, sind auch weitere Verschärfungen nicht ausgeschlossen.

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Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) betonte, man sei sich einig, „dass eine Lockerung der Maßnahmen zum jetzigen Zeitpunkt mit den entsprechenden Infektionszahlen nicht das Mittel der Wahl ist“.

Das wurde beschlossen:

  • Das bleibt: Die bisher geltenden Regeln für Veranstaltungen, 2G (Zugang nur für Geimpfte und Genesene) im Handel und 2G-Plus-Regeln (Zugang nur für Geimpfte und Genesene plus Test, Ausnahme Dreifach-Geimpfte) etwa für Restaurants, Cafés und Veranstaltungen bleiben bestehen. Der Einzelhandel pocht auf rasche Änderungen, hier werden viele Umsatzeinbußen und Mehraufwand durch die Kontrollen beklagt.
  • Lockerungen erst später: "Bund und Länder werden Öffnungsperspektiven entwickeln für den Moment, zu dem eine Überlastung des Gesundheitssystems ausgeschlossen werden kann", heißt es im Beschluss, der dem Tagesspiegel vorliegt.
  • Großveranstaltungen: Da zum Beispiel Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auf mehr Zuschauer etwa bei Fußballspielen pocht, sollen die Regeln für die Durchführung von Großveranstaltungen vereinheitlicht werden. Die Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder sollen bis zum 9. Februar eine Regelung hierzu vereinbaren.
  • Nicht mehr PCR-Tests für alle: Weil die PCR-Testkapazitäten knapp werden, sollen diese nun priorisiert - oder man kann auch sagen rationiert - werden. "Die Labore sind bereits in Teilen überlastet", wird im Beschluss betont. Auf Vorschlag der Gesundheitsminister sollen die nur begrenzt verfügbaren PCR-Tests auf vulnerable Gruppen und Beschäftigte, die diese betreuen und behandeln, konzentriert werden. „Also auf das Personal insbesondere in Krankenhäusern, in Praxen, in der Pflege, Einrichtungen der Eingliederungshilfe und für Personen mit dem Risiko schwerer Krankheitsverläufe.“
  • Neues Testsystem: Die Details wurden noch offen gelassen, aber Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist gebeten, ein neues "Testregime" umzusetzen, mit folgenden Regeln: Wenn bei allen anderen Personengruppen ein Antigen-Schnelltest positiv ausfällt, soll auf eine bisher erfolgte Bestätigung durch einen PCR-Test verzichtet werden. Bisher gibt es die zuverlässigeren PCR-Tests bei vorherigem positiven Schnelltest in der Regel gratis. Nun soll es nur noch eine Nachtestung mit einem zweiten Antigentest geben. Auch bei Warnungen durch die Corona-Warn-App (rote Kachel) soll auf eine PCR-Testung verzichtet werden. Stattdessen soll auch hier ein Antigentest in einem Testzentrum reichen. Da aber bei vielen Bürgern die Unsicherheit über die Zuverlässigkeit der Schnelltests bei Omikron groß ist, dürften viele weiter auf einen sichereren PCR-Test setzen – müssen ihn aber selbst bezahlen. Mehrere CDU-Länderchefs werfen demnach Lauterbach vor, nicht rechtzeitig Nachschub organisiert zu haben.
  • Kontaktnachverfolgung eingeschränkt: "Vor dem Hintergrund der derzeit hohen Zahl der täglichen Neuinfektionen, der beschränkten Kapazitäten der Gesundheitsämter sowie dem guten Schutz von geboosterten Personen ist auch im Rahmen der Nachverfolgung der Kontaktpersonen von Infizierten eine Priorisierung sinnvoll und notwendig", wird im Beschluss betont. Höchste Priorität habe die Nachverfolgung der Kontakte zum Schutz vulnerabler Gruppen. Bundeskanzler Scholz und die Regierungschefs der Länder bitten die Bürgerinnen und Bürgern, eigenverantwortlich ihre Kontaktpersonen zu informieren und die verfügbaren elektronischen Hilfsmittel zur Kontaktnachvollziehung nutzen.

Familienministerin: Kitas und Schulen bei Priorisierung einbeziehen

Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) forderte im Vorfeld, dass auch Erzieherinnen und Erzieher sowie Kinder in Grundschule und Kita prioritär Zugang zu PCR-Tests bekommen. Es brauche genügend PCR-Tests zur Bestätigung von positiven Schnelltests bei Kindern, erklärte die Familienministerin. „Nur so können wir verhindern, dass gesunde Kinder unnötig lange von der Kita oder Schule ferngehalten werden.“

Schelte für Lauterbach in Schalte

Eine deutliche Mahnung wurde nach der überraschenden Verkürzung des Genesenen-Status von sechs auf drei Monate an Gesundheitsminister Lauterbach ausgesprochen.

Es werde begrüßt, dass Lauterbach zugesichert habe, „dass die nach der geänderten Covid-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung vom Paul-Ehrlich-Institut und Robert-Koch-Institut (RKI) zu treffenden Festlegungen zum Geimpften- und Genesenenstatus aufgrund ihrer erheblichen Reichweite künftig rechtzeitig vor ihrem Inkrafttreten ankündigt und begründet werden“.

[Lesen Sie auch: Verspielt er seinen guten Ruf? Die sieben Probleme des Karl Lauterbach (T+)]

Es hatte zuletzt in Länderkreisen massiven Unmut über das Agieren Lauterbachs in der Frage gegeben, viele Bürger haben dadurch etwa 2G-Zugangsberechtigungen zu Geschäften verloren und müssen sich nun schnell impfen lassen.

Mehrere Länderchefs warfen Lauterbach in der Schalte vor, sie nicht rechtzeitig über avisierte Änderungen des Gesundheitsministeriums zu informieren. „Ich fühle mich persönlich hintergangen“, sagte Hessens Regierungschef Volker Bouffier (CDU) in Richtung Lauterbach. Dieser entschuldigte sich und gelobte Besserung. Scholz betonte, er sei ein engagierter Minister.

Lauterbach hatte betont, Corona-Genesene hätten angesichts der nun vorherrschenden Omikron-Variante nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen ihren Immunschutz nach drei Monaten leider verloren und könnten sich infizieren. „Wenn man da Sicherheit will und die Fallzahlen kontrollieren will und die Vulnerablen besonders schützen will, dann muss man schnell handeln“, sagte Lauterbach.

Um nicht im nächsten Herbst wieder in Probleme zu laufen, bekräftigte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) seine Unterstützung für eine allgemeine Corona-Impfpflicht. An diesem Mittwoch wird es dazu im Bundestag auch eine Orientierungsdebatte geben.

[Lesen Sie hier das komplette Interview mit NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst: „Ohne Impfpflicht wird es nicht gehen“ (T+)]

Insgesamt wird betont, dass es für eine Entwarnung und damit Lockerungen zu früh sei. "Das Ausmaß der Krankenhausbelastung werde entscheidend davon abhängen, wie sich die Zahl der Erkrankungen in der Gruppe der ungeimpften Erwachsenen und der über 50-Jährigen entwickelt." Fakt sei: "Die Omikron-Welle hat Deutschland erreicht: Die neue Variante des SARS-CoV-2- Virus verbreitet sich sehr schnell und sorgt dafür, dass die Zahl der täglichen Neuinfektionen deutlich ansteigt und inzwischen bei über 100.000 neuen Erkrankungen pro Tag liegt."

Gesundheitsminister Lauterbach geht davon aus, dass es schon bald 400.000 Neuinfektionen pro Tag geben könne. „Immer noch sterben rund 1500 Menschen pro Woche an Corona, das Personal in den Krankenhäusern ist komplett ausgelaugt - das kann uns doch nicht kalt lassen.“

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Scholz hatte im Vorfeld in der "Süddeutschen Zeitung" betont, er könne kein Datum nennen, wann die Pandemie überwunden sei, zudem brauche es zum Schutz gegen weitere Varianten die allgemeine Impfpflicht – denn ohne eine Quote von 90 Prozent bei den Erstimpfungen sei die Pandemie nicht zu überwinden. „Die vergangenen beiden Jahre haben gezeigt, wie schwer berechenbar das Virus ist. Aber ich bin zuversichtlich: Wir werden diese Pandemie überwinden und auch wieder ein normales Leben führen.“

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