Reform der Grundsteuer: Scholz und Finanzminister steuern auf Kompromiss zu
Die Finanzminister von Bund und Ländern wollen sich beeilen. Die neue Grundsteuer wird wohl ein Wert- und ein Flächenmodell verbinden
Es geht um 11000 Kommunen, um mehr als 40 Millionen Grundstücke und Wohnungen und 14 Milliarden Euro. Das bringt die Grundsteuer derzeit den Städten und Gemeinden jährlich. Nun muss sie reformiert werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht im vorigen Jahr entschieden – und eine Frist gesetzt: Bis Ende 2019 muss eine Neuregelung stehen. Der Grund für das Karlsruher Ultimatum: Die bisherige Immobilienbewertung, die Grundlage für die Besteuerung, ist zum einen völlig veraltet und entspricht heutigen Werten längst nicht mehr, und sie ist ungleich. Denn in der alten Bundesrepublik werden Einheitswerte von 1964 zugrunde gelegt, in den Ost-Ländern sogar noch die Werte von 1935. Eine Neubewertung für eine zeitgemäße Steuerzumessung, in welcher Form auch immer, ist ein großes Unterfangen. Doch seit Monaten ist unklar, in welche Richtung es gehen soll. Der Vorschlag von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) von Ende November stieß auf Bedenken seiner Länderkollegen – und wurde vorige Woche von der Unionsfraktion im Bundestag rundweg abgelehnt. Damit wurde der Bund-Länder-Zwist zu einem Koalitionsstreit. Die Lage ist also verzwickt.
"Vorsichtig optimistisch"
Das Treffen der Finanzminister der Länder mit Scholz am Montag brachte erwartungsgemäß kein Ergebnis. Es wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die nun bis zum 1. Februar eine „politische Vereinbarung“ vorbereiten soll, wie es hieß. Immerhin scheint der Streit nicht eskaliert zu sein. "Ich bin nach dem Verlauf des Treffens vorsichtig optimistisch, dass wir in den kommenden drei Wochen doch noch zu einem gemeinsam getragenen Modell zur Neuordnung der Grundsteuer kommen“, sagte der hessische Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) am Dienstag. „Das wird dann weder der viel zu bürokratische Vorschlag des Bundesfinanzministers noch das Einfachmodell der Unionsländer werden. Es muss nun darum gehen, bei der Kompromisssuche die Stärken beider Modelle zu kombinieren und Schwachstellen zu vermeiden, damit am Ende eine unkompliziert umzusetzende Lösung steht, die parteiübergreifend getragen werden kann.“
Und das bedeutet: Es wird wohl ein Kompromiss zwischen einem Flächenmodell und einem wertbasierten Ansatz werden. Letzteres ist das Programm von Scholz. Sein Reformvorschlag beruht nicht zuletzt auf den Nettokaltmieten (im Fall von privat genutzten Immobilien mit fiktiven Als-ob-Werten), aber auch auf anderen Parametern wie Alter der Gebäude, Bodenrichtwert und Nutzungsfläche. Es bliebe also bei einer Grundsteuer, die nach einem Vermögenswert berechnet wird – gemäß der Überlegung, dass Miethöhen auch etwas mit dem Wert einer Lage zu tun haben. Scholz nimmt an, dass die Orientierung an Mieten in den Städten, in denen es zu sehr hohen Neubewertungen kommen wird, zu weniger drastischen Wertsteigerungen kommen wird als bei der Orientierung am Verkehrswert.
Scholz-Modell - zu bürokratisch?
Ob das Modell tatsächlich so bürokratisch ist, wie die Kritiker sagen, ist ungewiss. Scholz selbst sieht es nicht so. Immerhin hat er Parameter gewählt, die entweder bekannt sind oder sich einigermaßen leicht erfassen lassen. Eine völlige Neubewertung müsste jedenfalls nicht sein, denn die Nettokaltmieten (ob nun tatsächlich oder fiktiv) lassen sich ohne großen Aufwand erheben. Dass die Union dagegen ist, hat wohl vor allem zwei Gründe. Zum einen wird es zu deutlichen Unterschieden bei den Bewertungen kommen, vor allem zwischen den Spitzenlagen der Städte und den weniger attraktiven Vierteln. Nicht zuletzt gesuchte Eigenheimlagen dürften damit künftig deutlich höhere Grundsteuerbelastungen sehen. Zum anderen aber hegt man in der Union den Verdacht, dass über die Hintertür eine Vermögensbesteuerung vorbereitet werden soll. Dass die SPD zudem die Möglichkeit der Umlage der Grundsteuer auf die Mieter in Zweifel zieht, ist aus Unionssicht eine weitere Provokation – dann müssten Vermieter im Extremfall die Steuer alleine bezahlen.
Union will Flächenmodell
So hat sie sich für das Flächenmodell entschieden. Sie hält es für gerechter, weil dann die Grundsteuerbelastung nicht an einem Vermögenswert festgemacht wird. Der Eigentümer einer neuen Villa im Nobelviertel zahlt dann für den Quadratmeter so viel wie der Erbe von Omas kleinem Reihenhäuschen in der Vorstadt. Genau das aber hält man in der SPD, und auch bei Grünen, den Linken und den Kommunalverbänden, für ungerecht. Dem hält die Union (im Verein mit der FDP und Immobilienverbänden) entgegen, dass der Vermögenswert noch nichts darüber aussage, ob der Eigentümer steuerlich tatsächlich immer so leistungsfähig ist wie sein Immobilienwert nahelegt. Hier zeigt sich das Manko der Grundsteuer, die einen hybriden Charakter hat: Einerseits dient sie der Finanzierung von kommunalen Leistungen, die letztlich alle gleichermaßen in Anspruch nehmen, andererseits muss nach dem üblichen Rechtsverständnis die Leistungsfähigkeit der Zahler auch eine Rolle spielen. Das gilt auch für Mieter, und hier wird es besonders kompliziert. Denn in jedem wertbasierten Modell werden Mieter über die Umlage nach einem Vermögenswert besteuert, der ihnen nicht gehört. Bei reinen Flächenmodellen stellt sich dieses Problem so nicht.
Orientierung am Bodenrichtwert
Für den FDP-Politiker Florian Toncar ist das Flächenmodell „die einfachste und unbürokratischste Lösung“. Zu den Gegnern des komplexen Scholz-Modells gehören auch der Mieterbund, Umweltverbände und mehrere Wirtschaftsinstitute. Sie alle fordern eine reine Bodenwertsteuer, also eine wertbasierte Lösung mit nur einem Kriterium, deren Vorteil neben der Einfachheit vor allem darin gesehen wird, dass sie Bodenspekulation dämpfen soll. Wertunterschiede innerhalb von Großstädten können auch hier deutlich sein. In Berlin etwa liegt der Bodenrichtwert in sehr guten Lagen beim Vier- oder Fünffachen dessen, was in einfachen Lagen veranschlagt wird. Der DIW-Ökonom Stefan Bach schlägt als Kompromiss vor, Fläche und Bodenwert als Basis für die Besteuerung heranzuziehen. Letztlich muss man dafür nur das Scholz-Modell entschlacken, indem man die Komponenten Nettokaltmiete und Alter der Gebäude herausnimmt.
Die baden-württembergische Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) dringt nun darauf, zügig zu entscheiden. "Für eine Neuregelung der Grundsteuer tickt die Uhr - und zwar gnadenlos“, sagte sie dem Tagesspiegel. „Für weitere Konfrontationen ist keine Zeit. Wir müssen zusammen alles für eine mehrheitsfähige Neuregelung tun. Dass sich dafür alle Seiten bewegen müssen, ist klar.“ Ihre Kriterien für einen Kompromiss: „eine faire, möglichst einfache, wenig streitanfällige und mit vertretbarem Aufwand umsetzbare Grundsteuer“.
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