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Olaf Scholz.
© Michael Kappeler/dpa

Wert statt Fläche: Wie Olaf Scholz die Grundsteuer reformieren will

Der Bundesfinanzminister hat endlich seinen Plan für eine Grundsteuerreform vorgelegt. Er setzt bei der Bewertung auch bei der Nettokaltmiete an.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will seinen Kollegen in den Ländern an diesem Mittwoch seine Vorstellungen zur Reform der Grundsteuer vorlegen. Zwei Modelle wird er in die Runde mitbringen: eines, das auf einer individuellen Bewertung der Grundstücke und Gebäude basiert, und eines, das allein die Grundstücks- und Gebäudefläche zum Maßstab nimmt. Im Bundesfinanzministerium machte man am Montag allerdings kein Hehl daraus, dass man einen Favoriten hat: das wertabhängige Modell, auch wenn es mutmaßlich für die Verwaltungen aufwändiger sein wird. Man halte das Modell zum einen für rechtssicher, hieß es aus dem Scholz-Ressort. Zum anderen sei die Lösung sozial gerechter als das reine Flächenmodell.
Hintergrund der Einschätzung ist, dass man bei der wertabhängigen Lösung weder eine Verfassungsänderung braucht noch Gefahr läuft, mit der Grundsteuer wieder in Karlsruhe zu landen – weil sie gegen den Grundsatz der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit verstößt. Jedenfalls ist das die Sicht des Bundesfinanzministeriums. Die Grundgesetzänderung könnte sich daraus ergeben, dass der Bund für eine Neuordnung der Steuer als wertunabhängige Flächensteuer gar keine Gesetzgebungskompetenz hat.

Reform muss bis Ende 2019 stehen

Die angestrebte Reform, die bis Ende 2019 beschlossen sein muss, wurde vom Bundesverfassungsgericht verlangt. Die bisherige Steuer, basierend auf Einheitswerten aus den Jahren 1935 (im Osten) und 1964 (in der alten Bundesrepublik), wurde wegen dieser Bewertungsunterschiede und der Nichtanpassung seither als gleichheitswidrig eingestuft. Die Grundsteuer fließt allein den Kommunen zu, könnte also auch von den Ländern geregelt werden. Doch haben Scholz und die Mehrheit der Länder sich auf eine einheitliche Steuer verständigt. Der neue Einheitswert soll sich künftig aus fünf Komponenten errechnen: Nettokaltmiete, Bodenfläche und Nutzfläche, das Alter der Gebäude, Grundstücksfläche und Bodenrichtwert. Bei Eigenheimen und Eigentumswohnungen soll eine fiktive Nettokaltmiete zugrunde gelegt werden, die sich aus Zahlen des Statistischen Bundesamtes und den jeweiligen Wohngeldtabellen der Kommunen errechnen lässt. Alle Eigentümer müssen dafür bis zum 1. Januar 2020 eine Steuererklärung abgeben, mittels derer die neue Grundsteuer dann berechnet wird. Geschäftsgrundstücke werden mit dem Ertrags- oder Sachwert bewertet. Erhoben wird die neue Grundsteuer ab Januar 2025 – immerhin müssen von den Steuerverwaltungen in ganz Deutschland 36 Millionen Einheiten erfasst werden.

"Metropolenlösung" angestrebt

Für Mieter ändert sich formal nichts: Weiterhin dürfen Vermieter die Steuer auf die Nebenkosten umlegen, und zwar wie bisher nach der Quadratmeterzahl der Wohnung, des Büros oder des Ladens. Allerdings kann die „zweite Miete“ steigen, wenn die Grundsteuer ebenfalls steigt. Exakt kann das nicht beziffert werden. Denn wohin die Reise geht, weiß man erst nach der millionenfachen Neubewertung. Als Faustregel kann gelten: Es wird dort teurer, wo zuletzt die Mieten und Immobilienpreise stark gestiegen sind. Und in den Teilen Berlins, wo bisher die geringeren Ost-Werte gelten, kann es auch ein bisschen stärker nach oben gehen. Allerdings will Scholz mit seinen Länderkollegen hier noch eine „Metropolenlösung“ suchen. Großstädten soll es möglich sein, nicht allein mit ihrem Grundsteuerhebesatz zu hantieren, sondern flexibel und variabel bis hinunter in die Stadtteile, um „Unebenheiten“ auszugleichen.

Weniger Einnahmen soll es nicht geben

Scholz möchte die Steuer „aufkommensneutral“ reformieren. Will heißen: Deutschlandweit sollen nicht mehr als die bisher 14 Milliarden Euro zusammenkommen (oder was eben ohne Reform im Jahr 2025 herausgekommen wäre). Freilich hat der Minister das nicht allein in der Hand. Denn die Kommunen haben über ihr Hebesatzrecht eine gewisse Steuerautonomie. Allerdings will Scholz mit einer einheitlichen, vom Bund vorgegebenen Steuermesszahl die zu erwartenden deutlichen Wertzuwächse im Vergleich zum Status quo so weit dämpfen, dass sich Mehrbelastungen im Rahmen halten. Im Ministerium wurde am Montag die Losung ausgegeben, Eigentümer und Mieter müssten, sollten sie mehr bezahlen müssen, maximal „mit einem mittleren zweistelligen Euro-Betrag im Jahr“ rechnen. Es dürfte aber auch vielfach zu geringeren Grundsteuerbelastungen kommen. Klarheit wird es freilich erst geben, wenn die Kommunen ihre neuen Hebesätze beschlossen haben. Da jede Stadt und jede Gemeinde ihr Grundsteuervolumen halten will, dürften einige gezwungen sein, den Hebesatz zu erhöhen. Ob solche, die ihn senken können, das auch tun, bleibt abzuwarten.

Städtetag: Richtige Richtung

Laut Städtetags-Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy geht das Modell, das besonders auf die Höhe von Mieten abstellt, „grundsätzlich in die richtige Richtung“. Sich am Wert von Gebäuden und Grundstücken zu orientieren, könne für eine gerechte Besteuerung sorgen. Hessen Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) sagte, wichtig sei, dass die neue Grundsteuer „möglichst einfach, transparent sowie vor allem verfassungsfest gestaltet wird“. Die Bürger sollten „unterm Strich in Summe“ nicht mehr belastet werden. Die baden-württembergische Finanzministerin Edith Sitzmann ist froh, „dass es bei der Grundsteuer jetzt endlich voran geht. Wir mussten viel zu lange auf ein Konzept warten.“ Scholz hatte nach dem Urteil im April angekündigt, zügig einen Vorschlag zu machen. Das von der Mehrzahl der Länder favorisierte Modell hat er nicht übernommen. Aber auch nicht das Flächenmodell, das von Bayern und längere Zeit auch von Hamburg (als Scholz dort Bürgermeister war) favorisiert worden war.

Bayern ist dagegen, die FDP auch

Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU), der das Flächenmodell vorzieht, zeigte sich skeptisch. Die Pläne würden „Steuererhöhungen, Mieterhöhungen und vor allem mehr Bürokratie bedeuten“, kritisierte er. „Bayern bleibt dabei: Wir wollen eine einfache, faire und regionalisierte Grundsteuer.“ Unterstützung hat er im Unternehmerlager. Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Industrie, sagte: „Der Vorschlag des Finanzministers ist der falsche Weg.“ Eine völlige Neubewertung der Grundstücke würde zu einem „enorm hohen Bewertungsaufwand für Unternehmen“ führen. Hier drohten Rechtsunsicherheit, zusätzliche Bürokratie und Mehrbelastungen bei Industriegrundstücken. Christian Dürr, FDP-Fraktionsvize im Bundestag, sieht in Scholzens Plan sogar ein "Bürokratiemonster". Zudem seien die Mieter die Leidtragenden, weil das Modell (bei Umlegung der Steuer auf die Nebenkosten) als "Mietenturbo" wirken werde. Der Linken-Finanzpolitiker Jörg Cezanne forderte deshalb, "dass die Grundsteuer nicht länger als Betriebskosten auf die Mieter umgelegt werden darf".

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