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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag beim EU-Gipfel in Brüssel.
© imago images/Belga

Die Bundesregierung und Putin: Scholz sollte Nord Stream 2 infrage stellen

Die Ukraine braucht die Einigkeit der EU. Doch die wird durch den Streit über die Ostsee-Pipeline gefährdet. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Ausgerechnet im Schatten des Urteils im Berliner Tiergartenprozess hat Bundeskanzler Olaf Scholz seinen ersten EU-Gipfel absolviert. Wer aber gehofft hatte, die in dem Urteil dokumentierte Verletzung der Souveränität Deutschlands werde Scholz zu einer härteren Positionierung gegenüber Russland im Ukraine-Konflikt zwingen, sieht sich enttäuscht.

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Der Nachfolger von Angela Merkel betonte in Brüssel, dass Außenministerin Annalena Baerbock mit der Ausweisung von zwei russischen Diplomaten die richtige Antwort auf das Urteil gefunden habe. Soll heißen: nur kein weiteres Öl ins Feuer gießen. Einerseits folgt Scholz damit der richtigen Einsicht, dass angesichts des russischen Truppenaufmarsches an der Ostgrenze der Ukraine derzeit niemand eine verbale Eskalation gebrauchen kann. Wenn geredet wird, dann am besten mit Russland statt über Russland.

Moskau verweigert den Dialog

Andererseits zeigen die Dialogverweigerung Moskaus und der Staatsterrorismus wie im Fall des Tiergarten-Mordes: Scholz hätte in Brüssel deutlicher Farbe bekennen sollen, was den Preis einer möglichen Aggression Russlands gegenüber der Ukraine anbelangt. Dies betrifft insbesondere Nord Stream 2. Vor allem Deutschlands Partner im Osten der EU wüssten zu Recht gerne etwas genauer, ob die neue Bundesregierung tatsächlich bereit wäre, das Pipeline-Projekt zu opfern, falls Kremlchef Wladimir Putin die Ukraine angreifen sollte.

Test für die Ampel-Koalition

Ein derartiges Vorgehen hat Baerbock ins Gespräch gebracht. Damit ist Scholz’ erster EU-Gipfel auch zu einem Test für die Ampel-Koalition geworden. Vor allem die Grünen dringen auf ein härteres Vorgehen gegenüber Russland. Damit liegen sie auf einer Linie mit den meisten EU-Staaten, die die Ostseepipeline anders als Altkanzlerin Merkel keineswegs als ein rein wirtschaftliches Projekt betrachten.

Auch Scholz wäre gut beraten, wenn er sich der in der EU vorherrschenden Einschätzung anschließen würde. Demnach handelt es sich bei Nord Stream 2 um ein geopolitisches Machtinstrument, mit dem Putin die Ukraine weiter schwächen will.

Es gibt noch einen anderen Grund, warum es für Scholz sinnvoll wäre, eine eindeutige Verbindung zwischen einer russischen Aggression in der Ukraine und einem Aus für die Ostseepipeline herzustellen. Deutschlands neuer Regierungschef ist mit dem Anspruch angetreten, jede Spaltung in der EU zu verhindern. Das klingt zwar gut. Aber der Kanzler sollte auch nicht übersehen, dass es sich gerade bei Nord Stream 2 um ein Projekt handelt, das die Europäische Union in zwei Lager teilt. Und je aggressiver Russland auftritt, umso mehr geraten die Pipeline-Befürworter in die Defensive.

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