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Bundeskanzler Olaf Scholz spricht bei Maybrit Illner zum Krieg in der Ukraine.
© Svea Pietschmann/ZDF/dpa

Kanzler verteidigt Waffenlieferungen an Ukraine: Scholz rät Schröder zum Postenverzicht

Die Jobs seines Parteigenossen seien keine Privatsache mehr, so der Kanzler. Den deutschen Ukraine-Kurs verteidigt er, Ampel-Pläne sollen nicht darunter leiden.

Nach der SPD-Spitze hat auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den früheren Regierungschef und Parteivorsitzenden Gerhard Schröder dazu aufgefordert, seine Posten bei russischen Staatsunternehmen niederzulegen. „Mein Rat an Gerhard Schröder ist doch, sich aus diesen Ämtern zurückzuziehen“, sagte Scholz am Donnerstag in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“.

Er betonte auch, dass diese Frage keine Privatsache sei. Man sei einem solchen öffentlichen Amt, wie Schröder es hatte, auch über seine Amtszeit hinaus verpflichtet. „Diese Verpflichtung endet nicht, wenn man die Ämter nicht mehr ausübt, sondern sie geht auch weiter.“

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Zudem plädierte Scholz dafür, die Finanzierung des Büros des Altkanzlers aus Steuergeldern zu überprüfen. „Natürlich wird sich der Deutsche Bundestag auch mit dieser Frage auseinandersetzen. Jedenfalls sind Bundestagsmitarbeiter nicht dafür einzusetzen, solche Aufgaben wahrzunehmen, die sich aus privatwirtschaftlichen Tätigkeiten ergeben.“

Einem ehemaligen Bundeskanzler steht ein Büro mit mehreren Mitarbeitern zu. Im vergangenen Jahr sind für Personalausgaben in Schröders Büro 407.000 Euro aus der Staatskasse geflossen, wie aus einer Antwort des Kanzleramts auf eine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht. Vier Mitarbeiter Schröders sollen Medienberichten zufolge im Zuge der Diskussion über seine Verbindungen zu Russland aber gekündigt haben.

SPD-Spitze fordert „zeitnahe“ Antwort von Schröder

Konkret geht es um Schröders Posten bei den russischen Energieunternehmen Nord Stream 1 und 2 sowie dem Ölkonzern Rosneft, wo er Aufsichtsratschef ist. Zudem soll Schröder einen Aufsichtsratsposten für Gazprom übernehmen.

Der frühere Kanzler steht seit langem wegen seiner Verbindungen nach Russland in der Kritik. Er gilt als langjähriger Freund von Präsident Wladimir Putin, der vergangene Woche einen Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen hat.

Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder hat Mandate bei mehreren russischen Energieunternehmen (Archivbild).
Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder hat Mandate bei mehreren russischen Energieunternehmen (Archivbild).
© AFP/Eric Piermont

Die SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken haben Schröder in einem Brief ultimativ dazu aufgefordert, seine Posten bei den russischen Staatsunternehmen niederzulegen. Man erwarte eine „zeitnahe“ Antwort, sagte Klingbeil am Donnerstag nach einer Sitzung des Parteivorstands.

Ein konkretes Datum nannte er nicht. Sollte Schröder der Aufforderung, die bereits am vergangenen Samstag erfolgt sei, nicht nachkommen, werde man über das weitere Vorgehen beraten. Schröder sei „komplett isoliert in der Sozialdemokratie“.

[Lesen Sie auch: Altkanzler und Putin-Freund: Der Absturz des Gerhard Schröder (T+)]

In der SPD gibt es einen ersten Antrag auf Parteiausschluss des Altkanzlers, den der Ortsverein Heidelberg gestellt hat. Scholz sagte, dass er nicht an einen Schaden für die SPD durch das Verhalten Schröders glaube. „Ob es der SPD schadet, wo jeder weiß, dass wir damit nicht einverstanden sind, das weiß ich nicht, das hoffe ich nicht und das glaube ich auch nicht.“

Keine Beteiligung der Nato an Ukraine-Krieg

In dem mehr als einstündigen Interview stellte Scholz auch noch einmal klar, dass die Nato sich nicht an dem Krieg um die Ukraine beteiligen wird. „Das würde eine dramatische Eskalation dieser schwierigen Lage in der Ukraine mit sich bringen, das würde große Gefahren mit sich bringen“, warnte der SPD-Politiker.

„Deswegen wäre es keine verantwortliche Politik, das jetzt zu machen.“ Eine direkte Konfrontation zwischen der Nato und Russland müsse verhindert werden. „Deshalb wird es jetzt auch keine Entscheidungen geben, die dazu führen, dass Nato-Staaten sich militärisch an dieser Auseinandersetzung beteiligen.“

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Deutschland und andere Nato-Staaten unterstützen die ukrainischen Streitkräfte mit Waffen. Sie werden aber nicht direkt ins Land geliefert, sondern außerhalb der Grenzen übergeben. Das bedeutet, dass keine Nato-Soldaten die Ukraine betreten. Auch US-Präsident Joe Biden hat eine Beteiligung mit Soldaten an dem Krieg ausgeschlossen.

Ampel-Projekte sollen nicht unter Aufrüstungsprogramm leiden

Sein 100-Milliarden-Euro-Programm für die Bundeswehr verteidigte Scholz. Er betonte aber auch, dass andere Vorhaben der Ampel-Koalition nicht darunter leiden würden. „Wir werden die Modernisierungspolitik, die Politik für mehr Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft, für die ökologische Transformation nicht aufgeben, sondern forcieren“, sagte Scholz.

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Er verwies darauf, dass 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr über das von ihm angekündigte Sondervermögen zusätzlich als Kredit aufgenommen würden.

„Und das bedeutet aber umgekehrt auch, dass wir all die Vorhaben, die wir für ein besseres Zusammenleben in Deutschland, für den Fortschritt, für mehr Gerechtigkeit in den Koalitionsvertrag geschrieben haben, für mehr Bildung, dass wir alle diese Vorhaben gleichwohl verfolgen können und auch wollen“, sagte Scholz.

Zu langes Zögern bei Waffenlieferungen?  - „Das sieht niemand so“

Er wies außerdem den Vorwurf zurück, Deutschland habe mit der Lieferung von Waffen an die Ukraine zu lange gewartet. „Das sieht niemand so“, sagte er. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine wäre es aber falsch gewesen, den restriktiven Kurs Deutschlands bei Lieferungen in Kriegsgebiete dort fortzusetzen.

Die Lieferung von deutschen Panzerabwehrwaffen und Boden-Luft-Raketen an die Ukraine verteidigte Scholz deshalb. „Ich halte die Waffen für richtig, weil man jemanden, der so bedroht ist, nicht alleine lassen darf“, sagte Scholz. Zugleich setze Deutschland aber weiter darauf, diplomatische Kanäle zu nutzen, um ein Ende des Konflikts zu erreichen.

„Wir brauchen eine Waffenruhe“, sagte Scholz. „Wir brauchen auch eine Situation, in der verhandelt wird und in der sich am Ende auch die russischen Truppen wieder zurückziehen - so unrealistisch das gegenwärtig erscheint.“

Scholz warnte aber gleichzeitig, der Westen dürfe sich bei der Einschätzung der Ziele von Russlands Präsident Wladimir Putin „nichts vormachen“. Richtig sei es, weiter mit Sanktionen Druck zu machen und Spielräume für Diplomatie zu erhalten. (dpa, AFP)

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