Richtungsstreit entfacht: Scholz oder Schulz: Die SPD muss sich entscheiden
Die SPD steht vor einer Wegscheide: linkere Politik mit Martin Schulz oder ein pragmatischer Kurs mit Olaf Scholz. Ein Kommentar.
Da bahnt sich ein Kampf an, der bis ans Herz der SPD reicht. Wie sagte Oskar Lafontaine einmal? Das Herz schlägt links. Kann sein, beim einen oder anderen. In aller Regel, bei den meisten, schlägt es eher mittig. Und da beginnt das Problem. Wo bei der SPD das Herz schlägt, ist nämlich eine Definitionsfrage. Eine strittige.
Und vor allem eine, die, wenn sie nicht beantwortet wird, die SPD zerreißen kann. Genauer: das, was von der SPD noch übrig ist. Denn das 20-Prozent-Ergebnis bei einer Bundestagswahl definiert die Schmerzgrenze für eine Partei, die sich „Volkspartei“ nennen will. Auf alle Wahlberechtigten geschaut, sind die Genossen inzwischen sowieso schon ein viel kleineres Häuflein.
Ein Grundsatzpapier, an dem man nicht vorbeikommt
Die sich gegenüberstehen, sind Martin Schulz und Olaf Scholz. Der eine ist ein gefühliger Mitmensch, der andere ein nüchterner Machtmensch; der eine geht nach Intuition vor, der andere schaut auf den Kompass. Der eine gewinnt mit seinen Reden auf Parteitagen schon mal 100 Prozent, der andere kriegt es ab mit 60 Prozent. Nur geht es hier nicht mehr um Rhetorik, und deshalb hat sich Scholz, SPD-Vize und Hamburgs Erster Bürgermeister, mit einem selbstgeschriebenen Grundsatzpapier zu Wort gemeldet – nachdem sich Schulz, SPD-Chef, in einem „Zeit“-Interview zu seinen Grundsätzen geäußert hat. Und was Schulz da alles sagt. Im „Mut zur Kapitalismuskritik“ sieht er die Zukunft, dazu in der „Systemfrage“. Eine Ursache für die gegenwärtige Krise der Sozialdemokratie liegt für ihn auch im „Geist, den beispielsweise damals das Schröder/Blair-Papier atmete“. Kurz, Schulz setzt auf den „Wunsch nach linkerer Politik“.
Scholz ganz gewiss nicht. Der will, seinem Ruf als bester Regierender seiner Generation folgend, einen Kurs, der ökonomisches Wachstum und soziale Gerechtigkeit zusammenführt. Für ihn ist klar: Eine florierende Wirtschaft ist „zentrale Voraussetzung, um eine fortschrittliche Agenda zu verfolgen“. Sein Anspruch: „Der SPD muss es gelingen, Fortschritt und Gerechtigkeit in pragmatischer Politik und einer unmittelbar daran anschließenden Erzählung zu verbinden.“
Sind 40 Prozent noch möglich? Oder sollten erstmal 30 das Ziel sein?
Während der eine, Schulz, behauptet, dass es in vier Jahren leicht gelingen kann, wieder an die 40 Prozent zu kommen, sieht der andere, Scholz, die SPD in schweren strukturellen Schwierigkeiten und verlangt eine schonungslose Betrachtung ihres Ist-Zustands, damit man zumindest 30 Prozent erreicht. Wo der Rheinländer Schulz klingt wie ein Sampler aus Bernie Sanders und Lafontaine, hört sich der Norddeutsche Scholz an wie Bill Clinton mit einer Prise Schröder.
Es ist also nicht nur die Frage, wo das Herz der SPD schlägt, sondern wie sie die Herzen der Wähler erreicht – und ihre Köpfe. Erster Hinweis: Clinton (Bill) war erfolgreich, Sanders nicht. Zweiter: Die SPD gewann, als sie Innovation mit sozialer Gerechtigkeit verband, mit einem Bündnis des Linken Lafontaine und des Pragmatikers Schröder. Wenn das jetzt hier nicht gelingt, muss Scholz gegen Schulz antreten. Und die SPD sich dann entscheiden. Zwei Herzen hat sie nicht.