Stabile Regierung nicht in Sicht: Schiitische Bündnisse liegen nach Irak-Wahl vorn
Regierungschef Haider al Abadi verliert massiv – die Beteiligung an Abstimmung war allerdings gering. Die neue Regierung entscheidet auch über den Einfluss Irans - und über Frieden mit den Kurden.
Regierungschef Haider al Abadi hat bei den irakischen Wahlen nach vorläufigen Ergebnissen eine Niederlage erlitten. Überraschend gut schnitten die Bündnisse der Schiiten-Politiker Moktada al Sadr und Hadi al Ameri ab. Abadi lag Montag in einer von 18 Provinzen vorn, Sadr in sechs, Ameri in vier Provinzen. Noch unberücksichtigt sind Stimmen von Sicherheitskräften und Hunderttausenden Auslandsirakern. Die Wahlbeteiligung war mit 44,5 Prozent die niedrigste seit der Besetzung des Irak durch die USA 2003.
Sadr und Ameri stehen für einen härteren Kurs gegenüber den USA und der verbreiteten Korruption. Sadr ist schiitischer Kleriker und Sohn eines prominenten Ajatollahs. Der Vater des 44-Jährigen wurde unter dem 2003 gestürzten Regime des Sunniten Saddam Hussein ermordet. Sadr genießt unter jungen Irakern Popularität; mit seiner Miliz kämpfte er gegen die US-geführte Militärkoalition – und wurde dabei auch von säkularen Irakern unterstützt. Nachdem immer weniger US-Truppen im Land blieben, rief Sadr öffentlich zu Frieden und Mäßigung auf – auch in Widerspruch zu den schiitischen Mullahs im Nachbarland Iran. Ab 2016 polemisierte Sadr gegen Korruption und Nepotismus der Elite, weshalb ihn erneut säkulare Mittelschichtler und die unter Saddam Hussein verfolgten Kommunisten unterstützten.
In Bagdad gingen Sadr-Anhänger am Montag jubelnd auf die Straßen. Hinter Kontrahent Ameri stehen die radikalschiitischen Haschd-al-Schaabi-Milizen und damit die Mullahs im Iran. Ein Sieg Ameris dürfte die Spannungen der schiitischen Mehrheit mit den arabischen Sunniten und den separatistischen Kurden im Norden Iraks verschärfen. Die Abstimmung verlief weitgehend friedlich. Anschläge blieben trotz Drohungen des sunnitischen „Islamischen Staates“ (IS) aus. Noch 2015 befand sich ein Drittel des Landes unter IS-Herrschaft.
Die US-geführte Koalition wertete die Wahl als Absage an „gewaltsamen Extremismus“. Die Verfassung schreibt vor, in den nächsten 90 Tagen eine Regierung zu bilden. Zunächst tritt das neue Parlament zusammen und wählt spätestens im Juni mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit einen neuen Präsidenten. Der soll dann den Nominierten der größten Fraktion mit der Bildung der Regierung beauftragen, die mit absoluter Parlamentsmehrheit bestätigt werden muss. Die Kurden wollen in ihrer Autonomieregion bald selbst regionale Wahlen abhalten lassen.