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Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) gerät nun auch wegen der Autobahn GmbH in die Kritik
© Lisa Ducret/dpa
Exklusiv

„Großhirn der deutschen Autobahnen“: Scheuers Autobahn GmbH könnte gegen Gesetze verstoßen

Die Pkw-Maut war ein rechtliches Fiasko, nun droht wieder eins: Die Länder könnten dem Bund laut Gutachtern beim Straßenbau unzulässig reingrätschen.

Um hochtrabende Vergleiche ist Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) nicht verlegen, wenn es um sein neues Prestigeprojekt geht – die Autobahn GmbH. Seiner Ansicht nach stellt es das „Großhirn der deutschen Autobahnen“ dar.

Tatsächlich aber soll sich die erst zu Jahresanfang aus der Taufe gehobene, neue Gesellschaft nicht nur über Autobahnen so ihre Gedanken machen und sich dann auch um sie kümmern. Selbiges gilt nämlich auch für die Fernstraßen der Länder. Und genau hier könnte es – wie schon einst bei der Pkw-Maut – zu Rechtsverstößen kommen.

Das geht aus einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags hervor, das dem Tagesspiegel vorliegt. Darin warnen die Juristen des Parlaments: Die geplante Hochzeit der entsprechenden Projektmanagementgesellschaft der Länder für Fernstraßen mit der neuen bundeseigenen GmbH könnte sowohl gegen das Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetz (InfrGG) als auch gegen das Grundgesetz verstoßen.

Ab 1. Januar 2021 soll die Autobahn GmbH als hundertprozentige Staatsfirma nach dem Vorbild der Deutschen Bahn sowohl die Planung als auch den Bau und den Betrieb des knapp 13.000 Kilometer langen Streckennetzes der Bundesautobahnen übernehmen. Ziel dieser wohl größten Verwaltungsreform der vergangenen Jahre ist es, Straßenbauprojekte zu beschleunigen.

In dem neuen Rechtsgutachten geht es speziell um die Rechte der sogenannten Deutschen Einheit Fernstraßenplanungs- und bau GmbH (DEGES).

Bisher liegt das Unternehmen in der Hand der Länder. Die Verschmelzung mit der neuen GmbH aber, so die Befürchtung, könnte wegen einer mangelnden Aufgabentrennung zwischen Bund und Ländern zu einer unzulässigen Mischverwaltung führen. „Insgesamt sprechen gute Gründe dagegen, dass das InfrGG eine Übernahme von Projekten im Zuständigkeitsbereich der Länder (Auftragsverwaltung, eigene Projekte) – wenn auch nur vorrübergehender Natur – grundsätzlich zulässt“, heißt es in dem Gutachten.

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Denn wenn die DEGES erst zum Bund gehört, müsste dieser womöglich Aufgaben der Länder übernehmen, sofern die „jeweiligen Aufgaben von Bund und Ländern im Bereich der Straßenverwaltung nicht eindeutig bestimmt“ sind. Die Bundestagsjuristen sind besorgt, dass „Einwirkungsrechte der Länder auf die Autobahn GmbH den Bund bei der Wahrnehmung seiner eignen Aufgaben beeinträchtigen“ könnten.

Das sind die wesentlichen Aufgaben der DEGES:

  • Investitionsplanung
  • Budgetplanung
  • Grunderwerb
  • Vertragsabschlüsse für Planungs- und Bauarbeiten
  • Baubetriebsplanung
  • Erfolgskontrolle
Andreas Scheuer: Die Maut hat er vor die Wand gefahren.
Andreas Scheuer: Die Maut hat er vor die Wand gefahren.
© Tsp

Das gilt vor allem, wenn die Länder bei aktuellen, neuen Verträgen mit privatrechtlichen Dienstleistern Weisungsrechte erhalten. In dem Gutachten heißt es: „Die Autobahn GmbH müsste in diesen Fällen unter Umständen entgegen der eigenen Kompetenz nach dem Willen der Länder tätig werden.“

Kurzum: Die Länder könnten dem Bund unzulässiger Weise einfach reingrätschen. Denn eigentlich ist die Ausführung von Landesgesetzen durch den Bund nach dem Grundgesetz prinzipiell ausgeschlossen. Die Autobahn GmbH würde damit dann auch gegen die Verfassung verstoßen. Das Bundesverkehrsministerium wollte sie auf Anfrage des Tagesspiegel nicht zu dem Gutachten äußern.

Das sind die fünf größten Baustellen bei der neuen Autobahn GmbH:

  • Kostenexplosion: Laut Regierungsentwurf gibt es in den nächsten Jahren einen Mehrbedarf von rund 600 Millionen Euro.
  • Personalprobleme: Es fehlt noch an Mitarbeitern, mit hohen Prämien – und hohen Gehältern – soll Personal aus den Ländern zum Wechsel bewegt werden. 15.000 Stellen sollen es insgesamt werden.
  • Sanierungsstau: Rund 10.000 Kilometer Autobahnfahrstreifen sind in einem „schlechten“ oder „sehr schlechten“ Zustand, Brücken müssen erneuert werden. Auf Scheuers Firma kommt also viel Arbeit zu, obwohl sie gerade erst gestartet ist.
  • Rechtliche Hürden: Die Verschmelzung der Autobahn GmbH mit der DEGES, der bisherigen Projektmanagementgesellschaft der Länder, hält der Bundesrechnungshof für „verfassungsrechtlich bedenklich“.

Mit dem neuen Rechtsgutachten wächst die Gefahr für Scheuer, dass die Autobahn GmbH wegen rechtlicher Hürden zu einem ähnlichen politischen Crash wie bei der Pkw-Maut wird. Der Bundesrechnungshof hatte bereits im Sommer vergangenen Jahres Kritik an der Verschmelzung der DEGES mit der Autobahn GmbH geäußert. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags bekräftigt nun die Zweifel.

Auch noch Verstoß gegen das Vergaberecht?

„Würde die DEGES in die Autobahn GmbH integriert werden, dann würde das die Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern durchlöchern“, kritisiert Sven-Christian Kindler, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion. „Scheuer sollte seine sinnlosen Integrationspläne endgültig begraben und nicht nur verschieben. Das spart dann viel Geld für den beratungsintensiven Integrationsprozess“, so Kindler.

In einem weiteren, unveröffentlichten Bericht des Bundesrechnungshofs, der dem Tagesspiegel vorliegt, warnten die Prüfer zudem bereits vergangenes Jahr eindringlich vor einem zusätzlichen planungsrechtlichen Fiasko. Im Fokus auch hier: die DEGES. Die Verschmelzung dürfte demnach auch gegen das Vergaberecht verstoßen, weil die Autobahn GmbH sich wesentlich von der DEGES unterscheide und somit Aufträge nicht mehr „in House“ vergeben werden könnten.

„Sämtliche Aufträge, die die Länder an die DEGES vergeben haben, wären somit neu auszuschreiben. Bei Verstößen gegen das Vergaberecht drohen Schadensersatzforderungen“, schreiben die Kontrolleure. Und sie wurden deutlich: „Der Bundesrechnungshof hält die Pläne des BMVI für die Verschmelzung der DEGES auf die Autobahn GmbH für verfassungsrechtlich bedenklich und mit dem Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetz nicht vereinbar.“

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