„Vertuschung wichtiger Informationen“: Scheuer zahlt Anwälten 5,8 Millionen Euro – aus Steuergeldern
Sich selbst lobt der Minister gerne für Offenheit, etwa bei der Pkw-Maut und beim Dieselskandal. Doch heikle Fragen überlässt er Anwälten – für 5,8 Millionen Euro.
Fast zwei Jahre ist es her, da schob Andreas Scheuer persönlich einen Aktenwagen durch das Gebäude der Bundestagsverwaltung. Auf dem Weg zu einer Ausschusssitzung manövrierte der Bundesverkehrsminister ganze 21 Ordner rund um die Pkw-Maut auf einem Vehikel. Normalerweise wird es von Hausboten benutzt.
[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Eine klare PR-Aktion. Trotzdem sah sich der CSU-Mann genötigt, die öffentlichkeitswirksame Vorstellung auch nochmal mit Worten zu erläutern. Er stehe für „maximal mögliche Transparenz“. Scheuer behauptete: „Das ist mein Politikstil.“
Ebenso gehört es aber zu seinem Politikstil, unliebsame Fragen von Anwälten beantworten zu lassen – und dafür Millionen auszugeben. Das geht aus einer Antwort seines Ministeriums auf eine Berichtsbitte des Grünen-Abgeordneten Sven-Christian Kindler hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt. Demnach zahlte Scheuer in den Jahren 2017 bis 2020 insgesamt knapp 5,8 Millionen Euro, um 19 Verfahren nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) und dem Umweltinformationsgesetz zu beantworten.
Und die Kosten stiegen immer weiter:
- 2017 waren es noch rund 537.000 Euro
- 2018 dann 825.000
- 2019 schon über 1,9 Millionen
- Und 2020 bereits 2,46 Millionen.
- Rein rechnerisch schlug damit über die Jahre hinweg eine einzige Bearbeitung im Schnitt mit gut 300.000 Euro bei Anwälten zu Buche.
Dass sich Scheuer insbesondere dann teurer Kanzleien bedient, wenn es um Informationen über die Pkw-Maut geht, zeigen weitere Dokumente, die dem Tagesspiegel vorliegen. Demnach ging es beispielsweise in den Jahren 2019 und 2020 in sieben von neun IFG-Anfragen, die Rechtsanwälte beantworten mussten, um das Prestigeprojekt des Ministers.
„Intransparenz lässt sich Andreas Scheuer ordentlich was kosten“, kritisiert der Grünen-Haushaltspolitiker Kindler im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Dahinter stecke Methode. „Alle relevanten Transparenz-Ansprüche bekämpft Scheuer verbissen.“
[Lesen Sie auch: Der Wahlprogrammcheck - was die Parteien versprechen (T+)]
Von Anfang an habe der Verkehrsminister die Aufklärung seines Maut-Desasters behindert. „Wann immer Bürgerinnen und Bürger, Abgeordnete und Journalistinnen und Journalisten mit Transparenz-Anträgen erfahren wollten, was bei der Pkw-Maut schiefgelaufen war, legte Scheuer ihnen große Steine in den Weg und beauftragte seine teuren Berater“, kritisiert Kindler.
Auch im Parlament setzt Scheuer bei der Aufklärung rund um die Pkw-Maut nicht unbedingt auf Kooperation. Die Opposition sah sich zwischenzeitlich sogar genötigt, den Bundesgerichtshof einzuschalten, um an die Protokolldateien dienstlicher E-Mail-Postfächer von Scheuer in der Sache zu gelangen. Der Minister hatte zuvor eine Zusammenarbeit mit einem vom Untersuchungsausschuss des Bundestags eingesetzten Ermittlungsbeauftragten abgelehnt.
Die wichtigsten Fakten zur Pkw-Maut:
- Das deutsche Modell für eine Pkw-Maut scheiterte im Sommer 2019 vor dem Europäischen Gerichtshof.
- Die Opposition wirft Scheuer unter anderem vor, Verträge abgeschlossen zu haben, bevor Rechtssicherheit bestand.
- Andreas Scheuer weist die Vorwürfe der Opposition zurück.
- Der Bund kündigte die Verträge direkt nach dem Urteil.
- Die vorgesehenen Betreiber fordern 560 Millionen Euro Schadenersatz.
Nach dem so genannten Informationsfreiheitsgesetz (IFG) hat eine jede Bürgerin und ein jeder Bürger einen Anspruch auf amtliche Informationen von Bundesbehörden. Es braucht noch nicht einmal eine spezielle Begründung.
Doch schmallippig wird Scheuer nicht nur bei der Pkw-Maut. Die Antikorruptionsorganisation Transparency International wollte durch eine IFG-Anfrage die Offenlegung aller dem Bundesverkehrsministerium bekannten Diesel-Abschalteinrichtungen erreichen. Das Verfahren liegt jetzt vor Gericht – das Aktenzeichen findet sich in der Liste mit den Anwaltshonoraren, die dem Tagesspiegel vorliegt.
„Dass das Bundesverkehrsministerium mehr als 300.000 Euro in die Hand genommen hat, um eine Anwaltskanzlei zu beauftragen, unser Informationsanliegen abzublocken, ist ein Zeugnis demokratiefeindlicher Intransparenz und ein unverantwortlicher Umgang mit Steuergeldern ebenso wie mit den gerichtlichen Personalressourcen“, sagt Hartmut Bäumer, Vorsitzender von Transparency Deutschland, dem Tagesspiegel. „Diese Summe entspricht mehr als der Hälfte unseres Jahresbudgets. Hier wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen, um die eigenen groben Fehler beim Dieselskandal zu verheimlichen.“
Es würden „sündhaft teure Anwaltskanzleien damit beauftragt, für die Fortsetzung der Vertuschung wichtiger Informationen zu sorgen.“ Dahinter stecke „ein klarer politischer Wille zur Intransparenz.“ Transparency fordert dagegen ein Gesetz, das die Verwaltungen verpflichtet, amtliche Informationen von öffentlichem Interesse aktiv auf einem Online-Transparenzportal zu veröffentlichen.
Bislang neigen Behörden oder auch das Bundesverkehrsministerium jedoch gerne dazu, solche Anfragen erst einmal abzulehnen – vor allem die heiklen. Dabei berufen sie sich dann auf einen umfangreichen Katalog von erlaubten Ausnahmen. Meist verschicken sie dafür Standardschreiben. Teure Anwälte damit zu betrauen, ist eigentlich eher die Ausnahme. Aber offenbar der Politikstil von Andreas Scheuer.
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität